Welche Herausforderungen Schweizer AWS-Partner stemmen müssen
Als Managing Director der Region Europe Central verantwortet Chris Keller auch das Schweiz-Geschäft von AWS. Im Gespräch im Rahmen der Re:invent 2025 blickt er auf das vergangene Jahr zurück und sagt, wie die Tech-Branche auf die Digitalskepsis in der Bevölkerung reagieren sollte.
Wir trafen uns zuletzt an der AWS Re:invent 2024. Was hat AWS Schweiz für ein Jahr hinter sich?
Ich rolle das Jahr von hinten auf: Im September 2025 veranstalteten wir in Zürich unser grösstes lokales Kundenevent. Über 4000 Teilnehmende kamen zum AWS Summit Zürich. Wir präsentierten verschiedene Schweizer AWS-Kunden, darunter Sportradar. Viele wissen gar nicht, dass dies ein Schweizer Unternehmen ist, dabei ist es eine der grossen Erfolgsgeschichten der hiesigen Technologiebranche. Ebenfalls vor Ort war Syngenta, die KI schon intensiv nutzen, um ihre Wertschöpfungskette im Bereich Düngemittel und die Zusammenarbeit mit Landwirten KI-gestützt zu gestalten. Zudem präsentierten wir viele Start-ups. Unternehmen wie Ethon AI, Atinary oder Rivr zeigten, wie AI heute aussieht - im Laborbereich, im Factory-Bereich oder als Last-Mile-Delivery-Roboter. Das war der Hauptfokus des Jahres, neben der Umsetzung unserer 2022 angekündigten Investition von 5,9 Milliarden Franken in der Schweiz bis 2036 und der Förderung der KI-Adoption.
Warum sind gerade Startups so wichtig?
Wir haben einen Report präsentiert, der zeigt, dass 46 Prozent der Firmen KI jetzt schon einsetzen. Das ist eine Wachstumsrate von 48 Prozent gegenüber dem Vorjahr - eine der höchsten in Europa. Damit liegt die Adoptionsrate über dem europäischen Durchschnitt von 42 Prozent. Bei Startups haben 65 Prozent Produkte oder Services lanciert, die auf KI basieren. Bei traditionellen Grossfirmen liegt dieser Wert bei 23 Prozent, bei KMUs bei 19 Prozent. Die KI-Adoption ist also bei Start-ups am grössten. Wir haben eine sehr grosse Konzentration von Start-ups im Deep-Tech-Bereich - Biotech, Medtech, Robotics, autonome Systeme und AI-Firmen. Das hat sich sehr positiv gegenüber dem Vorjahr entwickelt.
Die Diskussion um digitale Souveränität hat in der Schweiz angezogen. Wie hat sich das auf AWS Schweiz niedergeschlagen?
Wir nehmen zur Kenntnis, dass es gewisse Unsicherheiten gibt. Firmen und der öffentliche Sektor schauen sich das Thema digitale Souveränität genau an. Vom geschäftlichen Erfolg her hatte es keinen grossen Impact. Themen wie Resilienz und Resilienzplanung sind aber sehr wichtig geworden. Ein zentraler Punkt unseres Kundenfokus ist, dass wir Kunden bei Technologieoptionen immer die Wahl geben - beispielsweise kann man proprietäre Datenbanken benutzen oder Open Source Datenbanken oder als Managed Service.
Der Bund plant die Swiss Government Cloud. Wie wird sich das Verhältnis zwischen dem Bund und AWS verändern?
Mein Kenntnisstand ist, dass es zu einem gewissen Zeitpunkt eine Ausschreibung gibt. Das werden wir uns anschauen, wenn es so weit ist. Sehr positiv sehe ich, dass das Schweizer Volk die E-ID angenommen hat. Sie ermöglicht, die Digitalisierung gerade in KMUs voranzutreiben. Das reicht vom Kunden-Onboarding über den Zahlungsprozess und die Identifikation von Kunden bis zur ganzen Risikobetrachtung.
Die E-ID wurde vom Stimmvolk äusserst knapp angenommen. Können Sie die Skepsis nachvollziehen?
Ich nehme die Skepsis zur Kenntnis. Wir sind als Technologieanbieter gefragt, unseren Job zu machen bezüglich Aufklärung und Ausbildung.
Wie macht AWS das konkret?
Wir arbeiten mit ICT-Berufsbildung Schweiz zusammen, um Informatik-Lernenden praxisnahe Cloud-Kompetenzen zu vermitteln. Die neuesten Technologien wie Cloud und KI müssen in die Ausbildungspfade des dualen Bildungssystems eingebracht werden. Ausbildung ist ein wichtiger Bereich, der mithelfen kann, die Skepsis zu verringern. Wir arbeiten auch mit der ETH, EPFL und vielen Fachhochschulen zusammen. Was man in der Schweiz noch klarer artikulieren muss, sind die wirtschaftlichen Auswirkungen. Während wir 5,9 Milliarden Franken investieren, hat das einen Impact auf das Bruttoinlandsprodukt von mehr als 16 Milliarden Franken. Es geht nicht nur darum, Technologieängste durch Ausbildung zu mitigieren. Wir müssen auch den messbaren wirtschaftlichen Mehrwert aufzeigen.
Welche Neuerungen der re:Invent werden Schweizer Partner besonders begeistern?
Generell begrüssen unsere Partner die Investitionen in die Infrastruktur, darunter Graviton und ARM-basierende Plattformen wie Nvidia und Trainium. Sie helfen Schweizer Unternehmen, Kosten zu senken und geringe Latenz zu haben. Eine wichtige Neuerung dieses Jahr ist die Weiterentwicklung von Amazon Bedrock Agentcore mit Evaluations und Policy. Damit kann man KI-Agenten Autonomie geben und trotzdem die Kontrolle behalten. Das ist wichtig für den regulierten und nicht regulierten Bereich. Die autonomen Agenten - sogenannte Frontier Agents - wie Kiro, Security oder DevOps helfen Partnern, Arbeiten zu standardisieren und zu automatisieren, die sie bislang händisch erledigen mussten. DevOps-Agenten haben alle Best Practices von AWS integriert. Partner können eine höhere Qualität liefern, aber die Kosten sind tiefer.
Wie geht es dem Schweizer Partner-Ökosystem?
Die grosse Herausforderung für Partner ist, mit der schnellen Geschwindigkeit von Innovationen umzugehen. Die Notwendigkeit, in Spezialisierung zu investieren, ist wichtiger denn je. Dabei geht es insbesondere um Agentic AI, das sind komplexe Umgebungen. Das macht man nicht nebenbei mit einem Team, das Cloud-Migrationen macht. Für Partner, die aus dem traditionellen Hardware-Geschäft kommen, wird es immer schwieriger. Es gibt sehr viel Konkurrenz von Spezialisierten, die schon hunderte oder tausende Cloud-Migrationen gemacht haben.
Lohnt es sich für Partner denn, in Spezialisierungen zu investieren?
Die KI-Durchdringung bei den Unternehmen liegt wie gesagt aktuell bei 46 Prozent. Die Hälfte der Unternehmen macht es noch nicht. Laut Gartner ist heute knapp ein Prozent aller Enterprise-Applikationen mit AI ausgestattet. Bis 2028 sollen es 33 Prozent sein. Es lohnt sich in den Bereichen Cloud und AI zu investieren. Wir sind ganz am Anfang dieser Reise.
Wie halten Sie es selber mit KI? Wie viel Ihrer Arbeit wird von KI und KI-Agenten erledigt?
Grundsätzlich lese und schreibe ich sehr gerne. Schreiben ist für mich eine Form des Ausdrucks und des Denkens. Aber tatsächlich habe ich unser Interview mit Hilfe von KI vorbereitet. KI nutze ich auch, wenn ich mich für einen Vortrag vorbereite, indem ich alle nötigen Dokumente in einem Amazon-Quick-Space zusammenlege und bearbeite. Das mache ich in etwa 75 Prozent meiner Arbeit. Das bedeutet, dass ich durch KI schneller und besser werde. Ich lasse auch E-Mails oft von KI analysieren und frage sie, was sie verstanden hat, um zu prüfen, ob meine Botschaft klar ankommt. Für uns ist der Einsatz von KI-Tools in allen Jobfunktionen ein zentraler Bestandteil. Das ist auch meine Empfehlung an Kunden. Wenn man KI nicht tagtäglich nutzt, kann das ein Problem werden, weil man in Konkurrenz zu jenen steht, die KI einsetzen. Mir ist aber auch klar, dass KI das Denken nicht ersetzt.
An der diesjährigen Re:invent hat sich fast alles um KI-Agenten gedreht. Hier erfahren sie, wie AWS dafür sorgen will, dass die virtuellen Kolleginnen und Kollegen sich an die Regeln halten.
EU-Kommission büsst X mit 120 Millionen Euro
EU-Kommission startet Untersuchung gegen Google
Axians vereinheitlicht Schweizer IT-Service-Gesellschaften
Deepfakes und KI prägen das Jahr 2026
Manipulierte KI-Anleitungen verleiten MacOS-User zum Download eines Infostealers
Update: Australien verbannt unter 16-Jährige von Social Media
Welche Herausforderungen Schweizer AWS-Partner stemmen müssen
So kommt man auch an seine Weihnachtsgeschenke
Gefälschte Abo‑Kündigungen kommen Opfer teuer zu stehen