Kolumne

Die fehlende Assoziierung an die EU-Forschung aus Cyber-Sicht

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von Nicole Wettstein, Leiterin Schwerpunktprogramme Cybersicherheit und Food 4.0, SATW

Die aktuelle politische Lage hat zur Folge, dass die Schweiz bei Eingaben von Forschungsprojekten auf europäischer Ebene als nicht assoziiertes Drittland behandelt wird. Was dies für die Cyber­security-Forschungsgemeinschaft in der Schweiz bedeutet, beleuchtet dieser Beitrag.

(Source: zVg)
(Source: zVg)

Die fehlende Assoziierung ist grundsätzlich kein Cybersecurity-spezifisches Thema, sondern gilt allgemein für alle Forschungsbereiche. Das Hauptproblem für die Schweiz stellen dabei nicht die wegfallenden Finanzierungsmöglichkeiten dar, sondern die fehlende internationale Vernetzung sowie der Verlust des Renommees der Schweiz. Aufgrund der Unsicherheiten und der sich ständig ändernden Regeln wird die Schweiz als weniger attraktive Partnerin für die Zusammenarbeit in Projektgruppen wahrgenommen. Ohne bestehende Kontakte und Projektpartner wird es sehr schwierig, in Konsortien involviert zu werden. Diese europaweiten Konsortien sind für die Schweiz wesentlich, da sie unter anderem Zugang zu internationalen Grossfirmen, die in Forschungsprogramme involviert sind, ermöglichen. Gerade im Informatikbereich sind viele relevante Grossfirmen auf europäischer Ebene aktiv und werden damit für Schweizer Forschende zentral, damit diese in ihrem Fachbereich einen grossen Impact haben.

Hart umkämpfte Forschung in der Cybersecurity

Im Cybersecurity-Bereich, der aktuell in der Forschung hart umkämpft ist und in dem sich die Konkurrenten gegenseitig die besten Talente abwerben, braucht es Ersatzmassnahmen für die fehlende Assoziierung. Der SNF hat mit der Lancierung der SNSF Starting Grants ab Februar 2022 bereits reagiert und ein wichtiges Förderungstool für junge Talente ins Leben gerufen. Des Weiteren muss die internationale Kooperation vorangetrieben und vor allem konkreter angegangen werden. Eine Möglichkeit ist, die Forschungskooperation mit dem Vereinigten Königreich (UK) zu verstärken. Als ebenfalls nicht assoziiertes Mitglied mit Top-Hochschulen und einem sehr guten Forschungsumfeld ist das UK in einer ähnlichen Situation wie die Schweiz. Aus Sicht der SATW-Expertinnen und -experten könnte eine Forschungskooperation mit dem UK sinnvoll sein, um der EU aufzuzeigen, dass diese politisch getriebene Lösung der Nicht-Assoziierung für die EU selbst negative Konsequenzen haben wird.

Investition in Forschung zu Cyber-Grundlagen

Bezüglich zu fördernder Forschungsbereiche sehen die Expertinnen und Experten der SATW im Bereich Cybersecurity-Grundschutz grosses Potenzial: Solange Ransomware das grösste Cyberrisiko darstellt, lohnt es sich, in Automatisierung und neue technologische Lösungen zu investieren, damit der Cybersecurity-Grundschutz in den Firmen verankert wird. Zudem ist die Finanzierung von Forschungsvorhaben unter anderem in den Themenbereichen «Threat Intelligence», «Attribution» und «Verifikation» für die Schweiz interessant.

Gemäss Einschätzung der SATW-Expertinnen und -Experten hat die fehlende Assoziierung kurzfristig kaum Einfluss auf die Sicherheit der Schweizer Verwaltung und Industrie, da sie nicht von der EU-Forschung abhängig ist. Indirekte Effekte könnten aber mittel- oder längerfristig durchaus einen gewissen Impact haben, indem etwa weniger Talente mit Forschungserfahrung in grösseren Forschungsprojekten zur Verfügung stehen oder die Abhängigkeit von ausländischen Technologien und Produkten weiter zunehmen.

Dieser Artikel basiert auf einer Einschätzung von SATW-Expert:inen aus dem Forschungsbereich, die sich im Advisory Board Cybersecurity der SATW engagieren. An der Erarbeitung beteiligt waren: Prof. Karl Aberer, EPFL | Umberto Annino, Infoguard | Dr. Myriam Dunn Cavelty, ETH Zürich | Martin Leuthold, Switch | Prof. Adrian Perrig, ETH Zürich | Prof. Bernhard Tellenbach, ZHAW | Dr. Andreas Wespi, IBM Research.

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