Vis-à-vis mit Giancarlo Palmisani, Leiter Verbandsdienstleistungen und -marketings von Swico

"Wir kämpfen gegen die Überregulierung"

Uhr | Updated
von CEtoday

Giancarlo Palmisani ist seit April Leiter Verbandsdienstleistungen und -marketing beim Swico, dem Verband der Schweizer ICT-Industrie. Im Gespräch erklärt Palmisani, warum es seine neu geschaffene Stelle braucht und was die dringendsten Aufgaben sind.

Giancarlo Palmisani, Leiter Verbandsdienstleistungen und -Marketing von Swico. (Quelle: Swico)
Giancarlo Palmisani, Leiter Verbandsdienstleistungen und -Marketing von Swico. (Quelle: Swico)

Sie sind seit dem 1. April als Leiter Verbands­dienstleistungen und -marketing beim Swico tätig. Wie sind Sie gestartet?

Giancarlo Palmisani: Sehr gut. Ich habe hier ein tolles, sehr professionelles Team mit Vorstand und Geschäftsleitung vorgefunden, das sehr strukturiert und wohl organisiert arbeitet und über ein umfassendes Know-how rund um die Schweizer ICT-Branche verfügt. Ich fühle mich super wohl und bin hier sehr gut angekommen.

Was reizt Sie an Ihrer neuen Aufgabe?

Ich kann hier meine Erfahrungen als Dienstleister für die ICT-Branche aus 13 Jahren Messewesen bei Exhibit & More einbringen und meiner Lieblingsbranche im führenden Wirtschaftsverband für die digitale Schweiz weiterhin als Dienstleister zur Verfügung stehen. Jetzt einfach, indem ich unseren Mitgliedern und solchen, die es werden wollen, unsere Verbandsdienstleistungen anbiete und die Mitglieder so in ihrer täglichen Arbeit unterstütze. Ich fühle mich geehrt und glücklich, dass ich hier im Swico diese Stelle als Leiter Verbandsdienstleistungen und -marketing antreten durfte.

War es schon länger Ihr Berufsziel, einmal in einem Branchenverband tätig zu sein?

Nein, das kann man nicht so sagen. Aber es hat sich, finde ich, auf eine gute Art ergeben und ist irgendwie auch eine logische Konsequenz meines früheren Wirkens als Vermarkter der verschiedenen Messeplattformen Orbit, Orbit-­Iex und Aiciti. Im Rahmen jener Tätigkeit hatte ich schon immer mit ICT-­Verbänden zu tun, und den Swico kannte ich natürlich auch schon seit langem. Die Verbandslandschaft war und ist mir insofern nahe und vertraut. Durch mein über viele Jahre in der Schweizer ICT-Branche gewachsenes Netzwerk war es für mich auch nicht der sprichwörtliche Sprung ins kalte Wasser. Ich habe mich auch schon gut in meine Aufgaben eingearbeitet und freue mich, hier Vollgas zu geben.

Nach Ihrer Zeit als Messevermarkter ­machten Sie einen kurzen Ausflug in den IT-Channel zum Dienstleister Belsoft. ­Warum hat das nicht funktioniert?

In dem Jahr bei Belsoft war ich als Leiter Sales und Marketing tätig. Dort musste ich sehr bald feststellen, dass 13 Jahre Erfahrung als Vermarkter von ICT-Messen nicht viel nützen, wenn man auf die Seite der IT-Dienstleister wechselt. Es war aber eine wertvolle Erfahrung, die mir geholfen hat, zu verstehen, mit welchen Herausforderungen IT-Dienstleister heutzutage konfrontiert sind.

Was beinhaltet der neue Job?

Meine Aufgabe besteht vor allem darin, die Dienstleistungen des Swico gegen aussen zu tragen und diese auch den Mitgliedern näherzubringen. Gleichzeitig sehen wir uns natürlich unserer Branche verpflichtet und wollen möglichst viele Marktteilnehmer aus unserem Branchenumfeld zu unseren Mitgliedern zählen. Es geht mir auch darum, sogenannte White Spots in der Mitgliederlandschaft zu entdecken und neue passende Verbandsmitglieder zu akquirieren. Es soll zudem erreicht werden, dass es zum guten Ton gehört, im Swico als führendem Wirtschaftsverband für die digitale Schweiz dabei zu sein. Mein Daily Business ist es auch, für alle Bereiche der in der Schweiz tätigen ICT-Anbieter nützliche und sinnvolle Tools, Lösungen oder Dokumente zu bieten, und ihnen so ihr tägliches Geschäft zu erleichtern.

Haben Sie schon viele solche White Spots entdeckt?

Viele nicht, aber einige wichtige. Es gibt etwa Hersteller aus dem IT-Security-Umfeld, die noch nicht bei uns Mitglied sind, die aber gut in den Swico passen würden, weil sie eben als Hersteller in einen Herstellerverband gehören würden. So ist der Swico auch organisiert, mit seinen Interessengemeinschaften und Bei­räten. Um bei den IT-Security-Anbietern zu bleiben: Wir könnten uns vorstellen, eine IG IT-Security zu gründen. Ein weiterer Bereich, den wir weiterentwickeln möchten, ist das ganze Cloud-Business. Was würde gegen eine IG Cloud sprechen? Im Cloud-Bereich gibt es viel Unsicherheit und viele Chancen. Wir könnten mit dem Swico eine Schlüsselrolle als Moderator oder Katalysator einnehmen. Gerade wenn es um neue Technologien geht, sollten wir mit dem Swico vorne mit dabei sein und quasi als Lokomotive und Wegbereiter funktionieren.

Warum brauchte es diese neue Funktion, die es bislang ja so nicht beim Swico gab?

Der Swico wollte mit der Schaffung der Stelle des Leiters Verbandsdienstleistungen und -marketing das Tagesgeschäft unter die Verantwortung einer Person stellen. Ich fungiere auch als direkter Ansprechpartner für unsere Mitglieder. So können sich der Geschäftsführer und der Verbandspräsident um die strategischen und politischen Fragestellungen der Verbandstätigkeit kümmern. Der Swico hat auch eine Wachstumsstrategie definiert, und diese soll sich in der Organisation widerspiegeln. Zudem hat Swico-Geschäftsführer Jean-Marc Hensch aus gesundheitlichen Gründen reduziert, was die Schaffung der neuen Stelle ebenfalls notwendig machte.

Was sind Ihre Ziele und Hauptaufgaben bis zum Ende des Jahres?

Es geht um das Etablieren der neuen Or­ganisationsstruktur, die Mitgliederakquisition und darum weitere Wachstumsstrategien zu erarbeiten und umzusetzen. Im Weiteren bin ich dabei, das Diensteistungsangebot für die Mitglieder zu sichten und zu überarbeiten. Zudem wollen wir auch den Swico-ICT-Index weiterentwickeln, damit dieser noch mehr als Instrument von Marketing- und Sales-Abteilungen genutzt wird.

Mit welchen politischen Themen befasst sich der Swico vor allem?

Zurzeit ist die Büpf-Revision ein sehr wichtiges Betätigungsfeld des Swico. Das Beschaffungswesen ist ein weiteres Thema. Wir möchten vermeiden, dass die ICT-Branche in Zukunft in vergleichbare Skandale verwickelt wird, wie sie in den vergangenen Monaten und Jahren immer wieder aufgedeckt wurden. Ein Dauerbrenner ist auch die Arbeitszeiterfassung. Immer noch nehmen einige ICT-Unternehmen die gesetzlichen Vorgaben dazu zu wenig ernst. Hier führen wir für die IT-Branche das Wort und möchten auch darauf hinwirken, dass das Arbeitsgesetz den Gegebenheiten eines modernen Arbeitsalltags angepasst wird. Ganz grundsätzlich ist es unsere Aufgabe als Industrieverband, dafür zu sorgen, dass sich unsere Mitglieder nicht mit Wettbewerbsbehinderungen herumschlagen müssen, und damit schlechter gestellt werden als Firmen etwa im EU-Ausland. Politische Entscheidungen werden in der Schweiz gerne zuungunsten der Wirtschaft gefällt, oft auch im Sinne eines vorauseilenden Gehorsams. Jean-Marc hat das einmal das «Musterknaben-­Syndrom» genannt. Wir kämpfen gegen die Überregulierung. Überdies beschäftigt uns auch das Thema Netzneutralität. Zudem haben wir etwa eine Stellungnahme zum Widerrufsrecht im E-Commerce abgegeben. Und damit wir an all diesen Themen dranbleiben können, haben wir ein penibel geführtes Issue-­Management eingeführt und vernetzen uns mit den nötigen Gremien und Arbeitsgruppen, politisch und verbandsübergreifend.

Wie schätzen Sie die Verfassung der IT-­Industrie ein. In den vergangenen paar Jahren hätte es ja besser laufen können …

Die IT-Industrie ist direkt abhängig von der Verfassung der Gesamtwirtschaft. Oder anders gesagt: Läuft die Wirtschaft schlecht, läuft es auch in der IT-Branche schlechter. Der Investitionsstau in der IT hat sich allerdings auch wieder aufgelöst. Denn heutzutage ist die IT systemrelevant. Und läuft die IT nicht, läuft auch die Wirtschaft nicht mehr. Insofern glaube ich, dass sich die Auswirkungen konjunktureller Schwankungen insbesondere in der Business-IT nicht mehr so stark wie in der Vergangenheit auf unsere Branche auswirken werden. Unternehmen können es sich einfach immer weniger leisten, wegen fehlender Investitionen in die IT ins Hintertreffen zu geraten.

Welche Schnittstellen gibt es zwischen dem Swico und den Handelskanälen be­ziehungsweise den Channels?

Wir sind ein Industrieverband für Hersteller und sind in erster Linie den Herstellern verpflichtet. Insofern schauen wir zuerst, dass es für sie stimmt. Und für sie stimmt es natürlich auch, wenn es den Vertriebskanälen gut geht. Diese Interdependenzen sind klar vorhanden. Aber es ist nicht so, dass wir als Verband offizielle Schnittstellen zum IT- oder CE-Handel unterhalten.

Warum eigentlich nicht?

Wir wollen uns als Verband nicht verzetteln, sondern unsere Kräfte für unsere Mitglieder aus der IT-Industrie bündeln.

Aber beim Widerrufsrecht im E-Commerce sind Sie ja auch eingeschritten. Das wäre ja dann nicht Ihre Domäne, oder?

Doch, das betrifft die Hersteller genauso wie den Handel. Wenn das absolute Widerrufsrecht im E-Commerce kommt, fällt das auch auf die Industrie zurück. Eine solche Bestimmung hat Einfluss auf die ganze Supply Chain. Denn der Druck durch das Widerrufsrecht würde vom Handel auch an die Industrie zurückgegeben.

Was tut der Swico gegen den Fachkräftemangel in der ICT?

Im Swico befasst sich die IG Business & Innovation mit dem Thema, und wir sind in allen nötigen und wichtigen politischen Gremien vertreten. Innerhalb der ICT-Berufsbildung setzen wir uns im Rahmen der Kampagne ICT-Dreamjobs dafür ein, dass den Informatikberufen eine öffentliche Plattform geboten wird. Unsere Stellungnahme zum Lehrplan 21 zielt zudem darauf ab, dass den naturwissenschaftlichen Fächern und insbesondere der Mathematik schon in der obligatorischen Schulbildung eine höhere Bedeutung beigemessen wird.

Wie schätzen Sie die Marktentwicklung in der IT bis Ende des Jahres ein?

Economiesuisse prognostiziert weiterhin Wachstum in der Schweizer Wirtschaft. Getrieben ist das Wachstum vor allem durch den Inlandskonsum. Die Bewohner der Schweiz geben also Geld aus. Dieser private Konsum wird sich selbstverständlich auch in der IT- und in der Consumer-Electronics-Branche niederschlagen. Gemäss dem Swico-ICT-­Index ist die wirtschaftliche Lage in unserer Branche stabil. Insbesondere der PC-Markt gibt wieder Anlass zur Hoffnung. Diesen hatte man ja zwischenzeitlich infolge des Tabletbooms bereits abgeschrieben. Dort, also im Tabletmarkt, ist mittlerweile aber auch eine gewisse Sättigung eingetreten.

Zum Schluss noch eine Frage zur Messelandschaft in der Schweiz: Warum gibt es in der Schweiz keine ICT-Messe mehr?

Auf diese Frage stelle ich meistens die Gegenfrage: In welchen Ländern in Europa gibt es denn noch nationale IT-Fachmessen? Und sagen Sie jetzt bitte nicht Cebit, denn die Cebit ist die Weltmesse. Die Antwort ist: fast nirgends. Der Grund dafür, dass es im ICT-Umfeld eigentlich nur noch die Cebit gibt, ist derselbe wie der Grund für den Erfolg der IFA. Beide Messen haben sich international ausgerichtet und sind deshalb auf den Agenden der (meisten) grossen ICT- und CE-Konzerne. Zudem fokussieren sie auf Fachbesucher aus aller Welt. Die Niederlassungen insbesondere der grossen, global tätigen Anbieter haben in den einzelnen Ländern oft gar keine Budgets mehr für lokale Veranstaltungen und können so kaum an nationalen Events teilnehmen. Und wenn die grossen Marken als Besuchermagnete nicht an einer Messe vertreten sind, ist es für einen Veranstalter fast unmöglich, eine Plattform auf die Beine zu stellen. Deshalb geht es auch der Cebit, obwohl sie eine der letzten gros­sen ICT-Fachmessen ist, nicht besonders gut. Denn sie wird von einigen grossen Herstellern nicht als Plattform genutzt.

Würden Sie sich für die Schweiz wieder ­eine nationale Plattform wünschen?

Ja, klar. Messen sind nach wie vor eine besonders effiziente Art, wie Anbieter und Nachfrager miteinander in Kontakt treten können.

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