KI kann vieles – aber sie muss nicht alles können
Von der Logistik über Informationsmanagement bis hin zu Cybersecurity: Wenn man den Marketingbotschaften der Anbieter Glauben schenkt, kann KI alles besser. Die Verlockung ist daher gewiss gross, die mühsamen, zeitraubenden oder kostenintensiven Arbeitsbereiche der KI zu überlassen. Aber dies bringt nicht in allen Fällen eine Verbesserung. Die Findungsphase ("wo setze ich KI sinnvoll ein?") muss mancherorts noch nachgeholt werden. Gerade beim Kundenkontakt sollte man sich gründlich überlegen, ob man diesen wirklich einer Maschine anvertrauen will.
Als IT-Journalist bin ich sehr an Gadgets interessiert und nehme mir gerne Zeit für technische Spielereien. Aber sogar mir riss unlängst der Geduldsfaden; Schuld war der (fehlende) Support eines internationalen Videospielunternehmens. Nachdem ich fast 30 Stunden voller Freude ein neues Game gespielt hatte, kam ich an einen Punkt, an dem ich aufgrund eines Programmierfehlers nicht mehr weiterspielen konnte. Also beschrieb ich dem Chat-Support (eine andere Support-Option gab es nicht) mein Problem und erhielt recht schnell eine Antwort: eine offensichtlich automatisch generierte Rückmeldung im typisch freundlichen KI-Tonfall. Im Verlauf der Chatnachrichten wurde ich immer wieder gebeten, dieselben Informationen zu übermitteln, die bereits in meiner ersten Nachricht standen. Auch erhielt ich immer wieder aufs Neue dieselben Lösungsvorschläge.
Dass ich in fast allen Nachrichten (inklusive der ersten) geschrieben hatte, dass die vorgeschlagenen Massnahmen nicht helfen, hielt die KI nicht davon ab, diese Tipps ständig zu wiederholen. Sogar die simple Information, dass ich auf einer Xbox spiele, "vergass" die KI mehrmals. Nach der fünften Nachricht des Chatbots kippte meine Stimmung endgültig. Ohne Bezug zu den vorherigen Nachrichten kam nun ein Sammelsurium von Lösungsvorschlägen, etwa bei Schwierigkeiten beim Ausführen des Spiels, einer niedrigen Bildrate oder bei Verbindungsproblemen mit den Onlinediensten. Das hatte alles rein gar nichts mit meinem Problem zu tun, was ich die KI höflich, aber direkt wissen liess. Darauf folgten drei Nachrichten vom Support innert kürzester Zeit. Die erste: "Vielen Dank, der Fall wird an einen Spezialisten weitergeleitet." Die zweite: "Vielen Dank, oh, Sie haben ein Problem. Wir arbeiten daran!" Und die dritte: "Vielen Dank, hier sind zwei Tipps, die Ihr Problem lösen." Und natürlich waren es wieder dieselben nutzlosen Lösungsvorschläge. Also erklärte ich – zum siebten Mal –, dass diese Massnahmen nicht funktionierten.
Nun hatte wohl auch der Support genug: "Wie bereits erwähnt, wird Ihr Anliegen derzeit von unserem Team untersucht. Die von uns vorgeschlagenen Lösungen sind leider momentan die einzigen, die wir Ihnen anbieten können." Und mit diesen Worten schloss der Support mein Ticket, ohne den Programmierfehler zu beheben. Wenn es das Ziel war, mir das Gefühl zu geben, dass man sich nicht für mein Anliegen interessiert, war der "Support" ein voller Erfolg. Hätte der Support mir nur ein klein wenig Menschlichkeit gezeigt, hätte ich jetzt ein komplett anderes Bild des Unternehmens. So aber spiele ich nun lieber ein anderes Spiel eines anderen Anbieters.
Ich hoffe, dass die Lektüre der aktuellen Ausgabe des "IT-Markt" zum Thema Netzwerktechnik bei Ihnen keinen so üblen Nachgeschmack hinterlässt und wünsche viel Lesevergnügen.