50 Jahre Reichle & De Massari

"Ohne Handelspartner können wir unsere Kunden nicht optimal bedienen"

Uhr | Updated
von Fabian Pöschl

Kabelspezialist Reichle & De Massari wird dieses Jahr 50-jährig. Im Interview blicken Verwaltungsrat Martin Reichle und CEO Michel Riva zurück und werfen einen Blick auf die Trends von morgen. R&Ms F&E-Fokus liegt bei den Segmenten Universelle Gebäudeverkabelung, Rechenzentren und Öffentliche Netzwerke.

Ihr Name steht für Kabel. Was fas­ziniert Sie an Kabeln?

Martin Reichle: R&M steht nicht für Kabel im eigentlichen Sinn, sondern für komplette Netzwerklösungen für Büros, Rechenzentren sowie von ­öffentlichen Netzen bis hin ins Haus (zum Beispiel Fiber-to-the-Home). Das Faszinierende an unseren Lösungen ist, dass wir einen Beitrag dazu leisten, dass Menschen besser und schneller kommunizieren können. Ich finde es ebenso faszinierend, dass zum Beispiel 30 000 Telefonate zur selben Zeit über eine einzelne Glasfaser laufen.

Wann haben Sie Ihr letztes Kabel für den Privatgebrauch gekauft? Was war das für ein Kabel?

Bei mir zuhause habe ich 2 Kilometer Kabel verlegt – natürlich Cat. 6A von R&M. Jeder Raum ist im Rahmen dieses LAN mit neuester Technologie erschlossen. Dies ermöglicht meiner Familie einen hohen Kommunikationskomfort.

Worauf achten Sie beim Kauf einer Verkabelungslösung?

Eine hohe Qualität wie auch hohe Lieferverfügbarkeit stehen da im Vordergrund. Da 40 Prozent aller Netzwerkausfälle in der Telekommunikation auf schlechte Stecker oder Kabelsysteme zurückzuführen sind, legt R&M Wert auf höchste Qualität.

Was sind die technologischen Trends in der Kabelbranche?

Michel Riva: Die Vergrösserung der Übertragungsbandbreite wird weiterhin ein treibender Faktor in der Verkabelung sein. 10G-Base-T wird sich unserer Ansicht nach in nächster Zukunft auch im Büroverkabelungsbereich durchsetzen. Die damit einhergehenden erhöhten Anforderungen an die Signalqualität wird bei Cat.6A-Verkabe­lungen zu einer Verschärfung der Qualitätsansprüche führen. Im Bereich der Rechenzentren werden 40G- und 100G-­Lösungen – hauptsächlich auf FO, aber eventuell auch im Twisted-Pair-Bereich – vermehrt Einzug halten. Der zweite grosse Trend ist das vermehrte Einsetzen von Fernspeisung über Datenverkabelung, das sogenannte Power Over Ethernet oder POE und die dabei immer grösser werdende Leistungsübertragung. Die mit der Stromübertragung verbundenen Effekte wie etwa die Wärmeentwicklung im Kabel oder Abreissfunktion beim Ausstecken werden ihre Anforderungen in der Datenverkabelung hinterlassen. So können zukünftig durch mangelhafte Kontaktierung verursachte Hotspots durchaus zu Überhitzungsproblemen führen.

Welche Entwicklung erwarten Sie im Schweizer Kabelmarkt? Wird es weiterhin Wachstumsraten um die 5 Prozent geben?

Wir gehen weiterhin von einer guten Grundverfassung im schweizerischen Kabelmarkt aus. Bereits in den letzten Jahren konnte der Schweizer Markt von der guten Wirtschaftssituation profitieren. Dies wird sich kurzfristig nicht ändern, wir erwarten weiterhin leichtes Wachstum auf hohem Niveau. Im Wohnungsbau, also im Heimbereich, sehen diese Wachstumsraten durchaus realistisch aus. Im Nutzbauten-Bereich, etwa bei klassischen Bürogebäuden, geht R&M eher von einem stagnierenden Markt aus.

Auf welche Bereiche konzentrieren sich die Forschungen von R&M?

Zurzeit stehen zwei Themen im Fokus: Erhöhung der Bandbreite im gesamten Übertragungskanal und Vereinfachung des Handlings bei Installationen der Verkabelung bei gleichzeitig hoher Verbindungsqualität. Beispiele zum ersten Thema sind der in diesem Jahr veröffentlichte Weltrekord zur Übertragung von 100 GBit/s über 675m OM4-Faser mit 11 MPO-­Steckverbindern. Als Beispiel für das zweite Thema kann der in diesem Jahr eingeführte feldkonfektionierbare Glasfaserstecker von R&M gelten, der eine Glasfaserverbindung in einer zuvor nicht bekannten Einfachheit und Geschwindigkeit erlaubt. In der Entwicklung liegt der Fokus auf den drei strategischen Segmenten Universelle Gebäudeverkabelung, Rechenzentren und Öffentliche Netzwerke. In allen drei Bereichen werden wir dieses Jahr wichtige Produkte in den Markt bringen. Dabei geht es um neue Steckverbindungen wie zum Beispiel den bereits eingangs erwähnten feldkonfektionierbaren Glasfaserstecker, neue installationsfreundliche und leistungsfähige Kupfermodule, Erweiterungen im Bereich des automatisierten Infrastrukturmanagements sowie hochwertige mechanische Muffen.

R&M unterzeichnete den europäischen Verhaltenskodex für Energieeffizienz im Rechenzentrum und ist seither Sponsor der Umweltziele der EU. Wie kommen die "grünen" Kabel bei den Kunden an?

Unser Engagement im Rahmen des Code of Conduct geht weit über das "grüne" Kabel hinaus. In erster Linie möchten wir unseren Kunden dabei helfen, ihr Rechenzentrum auf Hochleistung und Energieeffizienz zu trimmen. Laut einer Studie von Frost & Sullivan gehen über den Lebenszyklus eines Switches hinaus bis zu 40 Prozent seiner Ports wegen fehlender Dokumentation "verloren". Das bedeutet, dass nicht mehr aktive Netzwerkkomponenten immer noch Energie verbrauchen. Eine aktive Überwachung dieser Ports kann den Stromverbrauch der Netzwerkgeräte um bis zu 10 Prozent reduzieren. Bei der Lösung solcher Probleme stehen wir unseren Kunden beratend zur Seite und unterstützen sie bei der Planung und Implementierung von intelligenten Infrastruktur-­Management-Systemen. Die durchwegs positive Erfahrung in umgesetzten Projekten sowie die wachsenden Nachfragen nach solchen Lösungen zeigen uns, dass wir hier einen Nerv getroffen haben und zur Vision der "Green-IT" einen wichtigen Teil beitragen können.

Reichle & De Massari feiert dieses Jahr seinen 50. Geburtstag. Wie ­konnte das Unternehmen zu einem globalen Player aufsteigen?

Reichle & De Massari hat die internationale Expansion in den 90er-Jahren dank einer engen Partnerschaft mit IBM begonnen. IBM war damals unserer Vertriebsmotor, R&M der Technologielie­ferant. Auf dieser Basis haben dann gezielte Investitionen in Vertriebsgesellschaften zum schnellen Wachstum beigetragen. Insbe­sondere in den Zeiten des schnellen Wachstums der universellen Gebäudeverkabelung war R&M zur richtigen Zeit mit eigenen Vertriebsmitarbeitern, technischem Support und exzellenten Produkten "vor Ort". Heute ist R&M in 38 Ländern mit eigenen Vertriebsmitarbeitern präsent. Alleine in den letzten zwei Jahren sind acht neue Länder dazugekommen. Heute gehören wir zu den führenden Verkabelungsfirmen in Europa, im Mittleren Osten und in Asien.

Nach der Auslagerung der Glasfaserproduktion nach Bulgarien: Wie schweizerisch ist Reichle & De Massari heute noch?

Heute macht R&M bereits rund 70 Prozent des Umsatzes ausserhalb der Schweiz, wir produzieren in sechs Werken, davon befinden sich vier ausserhalb der Schweiz, wir haben 800 engagierte Mitarbeiter, davon 500 ausserhalb der Schweiz. Allein in den letzten eineinhalb Jahren sind 180 dazugekommen. Wir sind heute eine internationale Firma, und in Zukunft wird ein grosser Teil unseres Wachstums aus­serhalb der Schweiz stattfinden. Trotz dieser Entwicklung sind wir den schweizerischen Grundwerten treu geblieben. Der weltweite Qualitätsstandard basiert auf schweizerischen Werten und wird vom zentralen Qualitätsmanagement regelmässig überprüft. Die Technologieentwicklung und Marketingstrategie werden von Wetzikon aus gesteuert. Wichtige Schlüssel­produkte werden auch weiterhin in Wetzikon produziert. Die Prozesssicherheit wird durch Lean-Management-Prinzipien sichergestellt. Alle neuen Produkte werden zuerst in Wetzikon gefertigt und die Produktion unter Lean-­Management-Prinzipien optimiert. Das garantiert eine höchste Prozesssicherheit.

Wie unterstützt Reichle & De Massari seine Handelspartner?

Die Kundenstruktur im Verkabelungsmarkt ist sehr fragmentiert. Ohne Handelspartner können wir unsere Kunden nicht optimal bedienen. Im Rahmen unseres Qualified-Partner-Programms werden unsere Handelspartner, wie auch Installateure und Planer, in technischer wie auch kommerzieller Hinsicht kontinuierlich geschult und weitergebildet. In wichtigen Projekten begleiten wir unsere Handelspartner vor Ort direkt beim Kunden, um ein optimales Netzwerkdesign im Projekt zu gewährleisten.

Was wünschen Sie sich von Ihren ­Handelspartnern?

Für die erfolgreiche Vermarktung unsere Produkte braucht es eine gute Kundenbasis, ein hohes gutes technisches Verständnis sowie eine hohe Lieferbereitschaft. Das ist im Projektgeschäft entscheidend. Ein gut ausgebildetes technisches Vertriebspersonal bei den Handels­partnern ist für uns mitentscheidend.

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