Vis-á-vis: Im Gespräch mit Maurizio Campagnaro, Managing Director bei Avnet Schweiz

"Wir verschmolzen zu einem Team und ein Team werden wir auch bleiben"

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Avnet hat im April dieses Jahres die Übernahme des Mitbewerbers Magirus auch personell vollzogen. Dennoch nur ein Zwischenschritt, wie Maurizio Campagnaro, Managing Director bei Avnet Schweiz, erklärt.

Maurizio Campagnaro, Managing Director Schweiz, Avnet
Maurizio Campagnaro, Managing Director Schweiz, Avnet

Avnet hat mit der Übernahme von Magirus im Herbst letzten Jahres eine turbulente Zeit hinter sich gebracht. Wie lief die Inte­gration von Magirus in Avnet aus Ihrer Sicht?

Maurizio Campagnaro: Eine Integration ist immer eine grosse Herausforderung. Deshalb wurde auf EMEA-Stufe ein Projektteam eingesetzt, um die Mitarbeiter und Prozesse von Magirus möglichst reibungslos in unsere Abläufe zu integrieren. Mit diesem Prozess haben wir im Herbst vergangenen Jahres begonnen. Ein nächster Schritt war dann das Rebranding zu Beginn dieses Jahres: Aus Magirus wurde Avnet.

Wie vollzog sich die Integration für die Mitarbeiter?

Mitte April zogen die Magirus-Mitarbeiter aus der Zuger Niederlassung zu uns nach Rüschlikon. Insgesamt vergrösserte sich unser Stab vor Ort um 20 Personen. Vier weitere Mitarbeiter bleiben am ehemaligen Magirus-Standort in Genf. Wir gewinnen dadurch ein weiteres Standbein in der Romandie, wodurch wir lokal präsent sein können.

Wie haben die Angestellten auf die Umstellung reagiert?

Ein Zusammenschluss dieses Ausmasses bringt immer grosse Herausforderungen mit sich, die die Mitarbeiter durchwegs gut angenommen haben.

Was waren das für Herausforderungen?

Zum Beispiel der Wandel in der Firmenkultur, der mit dem Zusammenschluss einherging. Sei es auf Ebene der Mitarbeiter oder auf Unternehmensebene.

Wie haben Sie die Kulturen zusammen­geführt?

Die Kommunikation war und bleibt sehr wichtig. Man muss den Mitarbeitern zuhören und deren Feedback annehmen. Wir haben die Mitarbeiter in diesen Wandlungsprozess miteinbezogen, beispielsweise in Form sogenannter Townhall Meetings, also Mitarbeiterversammlungen. Zu diesen Veranstaltungen luden wir alle Mitarbeiter ein und erklärten ihnen die künftigen Schritte. Zudem zeigte Roman Rudolf, unser DACH-Verantwortlicher, bei persönlichen Besuchen dieser Meetings regelmässig die Fortschritte auf. Bei diesen Gelegenheiten gab es jeweils im Anschluss einen Apéro, wodurch wir Möglichkeiten schufen, uns gegenseitig kennenzulernen. Wir wurden im Oktober des vergangenen Jahres ein Team, und das werden wir auch bleiben. Das heisst auch, dass die Mitarbeiter, die sich in neuen Teams zusammengefunden haben, ihre Synergien nutzen, um gemeinsam neue Geschäfte zu erschliessen. Das läuft für uns auch unter "Kultur". Der Wert, den beide Unternehmen in Form der Fähigkeiten unserer Mitarbeiter besassen, muss zusammengeführt und potenziert werden. Unser Ziel des Integrationsprojektes lautete: Eins und eins ergibt zwei plus. Um dieses Motto umzusetzen, muss es aber von jedem einzelnen Mitarbeiter gelebt werden. Angestellte beider Firmen haben sich zusammengesetzt und nutzen die neuen, sich ergänzenden Produktpaletten, um die Partner besser unterstützen zu können.

Wie haben denn Ihre Partner auf die Fusion von Magirus und Avnet reagiert?

Der Markt begrüsste unseren Zusammenschluss. Wir hatten in der Schweiz keine Überschneidung der Portfolios, wodurch wir vom Channel eine positive Rückmeldung erhielten. Und letztlich sahen auch unsere Hersteller die Vorteile der Fusion.

Ist die Fusion damit abgeschlossen?

Die Fusion als solche ist abgeschlossen. Nun geht es darum, das grosse Potenzial, das ­daraus entstanden ist, zu entfalten. Durch die Integration sowie die Ergänzung im ­Portfolio konnten wir die Lücken auf unserem Weg zum Lösungsdistributor schliessen – das wird Avnet strategisch vorwärts­bringen. Zusätzlich zur Integration schlossen wir uns zu einer DACH-Region zusammen.

Was bringt Ihnen das?

Wir sind dadurch innerhalb des Unternehmens enger zusammengerückt. Das hilft uns, zusätzliche Synergien zu nutzen und Ideen teilen zu können. Ausserdem folgt der Zusammenschluss zur DACH-Region dem Trend, den einige Hersteller verfolgen. Das kommt uns entgegen.

Gemäss Ihrem DACH-Verantwortlichen Roman Rudolf hat Avnet allein zwischen 2008 und 2011 18 Firmen zugekauft. Wo sehen Sie die Grenzen des Wachstums?

Wir hatten ein sehr starkes organisches Wachstum. Durch diese Zukäufe konnten wir mittels zusätzlicher Herstellerverträge Lücken schliessen und neue Kundensegmente abdecken. Unter diesem Gesichtspunkt werden wir auch weiterhin den Markt beobachten, um unseren Partnern eine optimale Leistungspalette anbieten zu können. Dennoch waren die Geschäftszahlen von Avnet für die letzten Quartale eher durchwachsen. Im ersten Quartal dieses Jahres stagnierte der Umsatz, und der Gewinn brach weiter ein. Vor diesem Hintergrund wirken die Übernahmen, wie jene von Magirus, wie eine Flucht nach vorn. Wir verzeichneten in der Schweiz ein leichtes Wachstum gegenüber dem Vorjahr im einstelligen Prozentbereich. Damit sind wir sehr zufrieden. Mit Magirus konnten wir zudem unser Angebotsportfolio ergänzen. Das macht uns zu einem Komplett­anbieter im Datacenter-Geschäft, das für uns strategisch bedeutend ist. Das ergibt für uns eine gute Basis, auf der wir als führender Value-Add-Distributor in der Schweiz unsere Position weiter ausbauen werden.

Ihr CEO Rick Hamada hatte angekündigt, in diesem Geschäftsjahr 140 Millionen US-Dollar einsparen zu wollen. Wo setzen Sie den Rotstift an?

Wir legen sehr viel Wert auf die Optimierung unserer Geschäftsprozesse und ­investieren in neue IT-Lösungen. Das ermöglicht eine Effizienzsteigerung und ein profitables Wachstum. Wir investieren darüber hinaus in das Know-how unserer Mitarbeiter. Es ist für uns von zentraler Bedeutung, das ­Wissen unserer Teams auf einem hohen Niveau zu halten. Das ist unsere Vorwärtsstrategie.

Wie machen Sie das?

Einerseits durch Neueinstellungen im Bereich Presales. Aber auch indem wir bestehende Mitarbeiter weiterbilden. Unser wichtigstes Gut als Distributor sind unsere Mitarbeiter. Nur mit ihnen können wir unsere strategischen Ziele erreichen.

Avnet entwickelt sich vom Value Add Distributor zum Lösungsdistributor. Wie muss man sich das vorstellen?

Die Basis bildet der Value Add. Das Anbieten von Lösungen bedeutet für uns aber keine Abgrenzung, sondern eine Ergänzung nach oben hin. Die Partner wissen, was sie von uns erwarten können. Aber für den Partner dreht sich die Welt weiter. Er muss sich selbst auch weiterentwickeln, um seine ­Endkunden besser bedienen zu können. Diese Wandlung wollen wir gemeinsam mit den Partnern durchlaufen und ihnen dafür die optimale Lösung anbieten. Etwa mit unserem Angebot Solutions Path.

Was ist der Solutions Path genau?

Solutions Path ist eine Methode, mit der wir Partner dabei unterstützen, neue Geschäftsfelder zu erschliessen. Aber vor allem hilft sie, Marktpotenziale aufzuzeigen und Skillsets auszubauen. Die Methode wird in drei Stufen unterteilt: Wir analysieren gemeinsam mit dem Partner seine Geschäftsfelder, den Markt aufgrund von Analysen der Verkaufsdaten der vergangenen Quartale und ermitteln das Wachstumspotenzial des Partners, seine Whitespots. Im Anschluss vermitteln wir ihm in einer Ausbildungsphase die nötigen Fertigkeiten im Rahmen von Workshops. Dies können neue Fähigkeiten etwa im Lösungsverkauf oder neue Technologien sein. Die Schulungen werden je nach Skill-Set des Partners sehr flexibel aufgesetzt und durchgeführt. Im letzten Schritt gehen wir die Geschäftsmöglichkeiten konkret an. Hierzu begleiten wir den Partner im Vertrieb, im Presales oder mit Lead-Generation. Das Ziel ist ein erfolgreicher Abschluss eines Geschäfts oder Projekts.

Was für Partner sind das?

Nicht wir allein führen die Selektion durch. Der Entscheid, den Solutions Path zu beschreiten, muss im gegenseitigen Einverständnis geschehen. Der Partner muss den Willen mitbringen, seine Fähigkeiten weiterzuentwickeln, indem er sich weitere Kompetenzen aufbaut. Diesen Fachhändlern helfen wir gerne. Wir sprechen zusätzlich auch geeignete Partner an.

Wen genau?

Im Markt gibt es verschiedene Partner: Zu diesen zählen wir Lösungsanbieter, Value Added Reseller, Systemintegratoren oder Independent Software Vendors (ISV). Solutions Path gibt es für vertikale Märkte (z. B. Healthcare) und für Märkte mit Technologie-Fokus. Für die Schweiz adaptieren und nutzen wir zurzeit den technologischen Solutions Path für Storage-Produkte (Storage Solutions Path). Das setzt aber voraus, dass der Partner bereits die entsprechende Kompetenz im Bereich Storage mitbringt. Es kann beispielsweise ein Systemintegrator sein, der sich auf Storage spezialisiert hat und sich nun weiterentwickeln möchte, etwa in Richtung Datacenter-Geschäft. Die Entwicklung zu Lösungsangeboten entspricht dem Kulturwandel, der momentan im Markt stattfindet und auch bei den Herstellern zu beobachten ist. Der Kunde will nicht nur ein Produkt, sondern eine Lösung. Wir sehen diesbezüglich auf Seiten der Partner eine extrem hohe Investitionsbereitschaft in die Weiterentwicklung. Der Partner braucht hier jemanden, der ihn unterstützt. Das machen wir. Hierfür bieten wir ein Schulungsprogramm, das durch jenes von Magirus sehr stark ergänzt wurde. Die Workshops und Zertifizierungen führen wir im eigenen Schulungszentrum durch. Der Partner geniesst bei uns eine komplette Ausbildung. Das zählt ebenfalls zu unseren Kernaufgaben als Lösungsdistributor. Die Schulungen helfen uns wiederum, die Entwicklungen des Markts zu beobachten, Bedürfnisse schnell zu erkennen und unsere Lösungsansätze zu ergänzen sowie anzupassen. Daraus ergibt sich letztlich ein Kreislauf zwischen den Herstellern, den Partnern, seinen Kunden und uns.

Als Lösungsdistributor stehen Sie im Brennpunkt zwischen Herstellern und Partnern. Wie verbinden Sie diese beiden Pole?

Im Zentrum steht für uns immer der Partner. Durch den Lösungsansatz rücken wir mit den Partnern näher an die Endkunden. Der Partner kann mit dem Lösungsansatz besser auf die Bedürfnisse des Endkunden eingehen und die richtige Lösung finden. Auf der anderen Seite sehen wir uns als verlängerten Arm der Hersteller und unterstützen die Partner darin, aus dem teilweise sehr umfangreichen Herstellerportfolio die eben erwähnte Lösung zu finden und umzusetzen.

Wie beeinflussen Sie im Gegenzug die Hersteller?

Es gibt ein Pull-und-Push am Markt. Der Hersteller führt eigene Anlässe für Endkunden durch und erhält Feedback von den Anwendern. Wir geben wiederum Rückmeldungen, welche wir von unseren Partnern an Schulungen erhalten, an die Hersteller weiter.

Wie stellen Sie die Balance zwischen Ihren konkurrenzierenden Lieferanten her?

Unsere Teams fokussieren immer auf die optimale Lösung für die Partner. Wenn die Lösung optimal ist, gibt es auch keine Konflikte.

Was sind Ihre weiteren Ziele bis zum Ende dieses Jahres?

Wir arbeiten sehr motiviert daran, unser Portfolio mit den Lösungen von Magirus zu ergänzen. Darüber hinaus konzentrieren wir uns auf die Zertifizierungen unserer Partner. Seit April bieten wir neben jenen des Schulungsanbieters Prometric auch Zertifizierungen von Pearson-Vue an. Geprüft werden dabei die Zertifizierungsanforderungen der Hersteller, die mit Prometric beziehungsweise Pearson-View zusammenarbeiten. Zusätzlich bieten wir in einem Democenter Lösungen an, etwa für Big Data, mit denen die Partner Machbarkeitsstudien durchführen können.

Ihre Botschaft an den Handel?

Wir können es Datacenter, Cloud oder Converged Infrastructure nennen: Endkunden suchen verstärkt nach systemischen Lösungen statt nach einzelnen Produkten, um die IT noch effizienter und flexibler zu nutzen. Diesen Wandel, der jetzt stattfindet, sollten Fachhändler als Chance begreifen und den richtigen Weg einschlagen. Wir begleiten den Fachhandel dabei und bieten ihm die besten Lösungen für sein Geschäft an. Denn wir glauben, dass wir auf diese Weise alle wachsen können: der Partner zusammen mit dem Hersteller und gemeinsam mit dem Distributor.

Persönlich

Maurizio Campagnaro ist seit 2004 Managing Director der Avnet Technology Solutions  Schweiz. Zuvor war er verantwortlicher Leiter der E-Business-Unit bei Deloitte. 1998 gründete und leitete er die Firma Up2Net im Bereich Internet für die Erstellung von webbasierten ERP-Lösungen.

Von 1994 bis 1998 war er 5 Jahre bei IBM Schweiz unter anderem als DACH-Verantwortlicher für E-Business-Lösungen im AS/400- (heute Power-System-i-) Bereich.

Der diplomierte Wirtschaftsinformatiker ist verheiratet und hat eine Tochter. Seine Freizeit verbringt er am liebsten mit seiner Familie.

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