Aus dem Archiv

So gewinnen Unternehmen mehr IT-Ausschreibungen

Uhr | Updated
von Kevin Fischer und Josef Schreiber

Es ist nicht immer leicht, Kunden von den eigenen Dienstleistungen und Produkten zu überzeugen. Nur schon das Identifizieren von Geschäftsmöglichkeiten kann für IT-Anbieter zur Herausforderung werden. Die folgenden drei Erfolgsfaktoren können Abhilfe schaffen.

(Source: nyul / Fotolia.com)
(Source: nyul / Fotolia.com)

Die Innovationskraft der IT beschert der Anwenderseite ständig neue Produkte und Lösungen. Bestehende Lösungen müssen stets ersetzt oder ausgebaut werden, da ihr Lebenszyklus zu Ende geht oder sie die Anforderungen nicht mehr genügend gut erfüllen. Gleichzeitig tun sich ständig neue Einsatzfelder für Informatikmittel auf.
Wegen dieser Dynamik des IT-Markts und den steigenden Anforderungen von Anwendern entstehen laufend neue IT-Projekte unterschiedlichster Art. Wie aber erfährt der Anbieter von diesen "Opportunitys"? Und wie kann er daraus erfolgversprechende Projekte für sich ableiten und gewinnen?
Dieser Artikel befasst sich mit den drei wichtigsten Erfolgsfaktoren für eine effektive Akquisitions- und Verkaufsphase, mit dem Ziel, die interessanten Projekte gewinnen zu können.

Erfolgsfaktor 1: Gut gefüllte "Pipeline" mit Opportunitys anlegen
Eine elementare Voraussetzung für den Verkauf von Lösungen und Systemen ist der Aufbau einer genügend grossen "Pipeline" mit Opportunitys. Erfahrungsgemäss resultiert aus etwa 5 bis 10 Opportunitys lediglich ein Verkaufsabschluss. Ein wichtiger Faktor dabei, Opportunitys zu erkennen, ist der konkrete Beschaffungsgegenstand (Projektart und finanzielle Grösse) und das damit verbundene Verfahren (freihändige Vergabe, Einladungsverfahren, öffentliche Ausschreibung).
Das Zustandekommen der Opportunitys ist in der Praxis meist recht vielschichtig und somit unterschiedlich. Sie entstehen etwa durch gute Beziehungen zur eigenen Kundenbasis, das Abhalten von Fachseminaren beziehungsweise Vorträgen zu aktuellen IT-Themen, entweder selbst oder in Zusammenarbeit mit Geschäftspartnern wie Herstellern, Consultants und so weiter, Hinweise von Dritten (Geschäftspartner, Kunden, Consultants etc.), öffentliche Ausschreibungen auf der Simap-Plattform und weitere flankierende Marketing- und Verkaufsaktionen (Werbung, Publikationen, Direktmarketing etc.).
Jeder Anbieter sollte in seiner Organisation unbedingt einen Prozess verankern, mit dem Opportunitys generiert werden. Zudem sollte er dafür sorgen, dass die "Pipeline" immer gut gefüllt ist.

Erfolgsfaktor 2: Erfolgsaussichten der Opportunitäten einschätzen
Nicht jede Opportunity wird die Voraussetzungen für einen Verkaufserfolg erfüllen können. Deshalb ist es wichtig, die Opportunitys hinsichtlich ihrer Erfolgsaussichten zu beurteilen. Von der Anbieterseite her sollten in diesem Qualifizierungsprozess insbesondere folgende Punkte kritisch hinterfragt werden:

  • Wie gut stimmt die geforderte Lösung der Opportunity mit unserem Leistungsangebot (Produkte, Software, Dienstleistungen) überein?
  • Können wir das Projekt fachlich, personell und terminlich überhaupt stemmen?
  • Verfügen wir über das notwendige Branchen- beziehungsweise Applikations-Know-how sowie über vergleichbare Referenzen?
  • Können wir unsere Stärken (USPs) in dieses Projekt einbringen, beziehungsweise was macht uns für den Kunden besonders interessant?
  • Abschätzen der Ernsthaftigkeit und Dringlichkeit bezüglich der Umsetzung der Opportunity.
  • Was sind die Risiken für uns (Risikoabwägung)?

Wenn die vorherigen Fragen überwiegend positiv beantwortet werden können, sollte die betreffende Opportunity im Verkaufsprozess weiterverfolgt werden. Andernfalls sollte sie fallengelassen werden. Die Konzentration der personellen Ressourcen auf die erfolgversprechenden Opportunitys ist von hoher Bedeutung.

Erfolgsfaktor 3: Professionell abgefasste Offerte
Eine strukturierte und lösungsbezogene Offerte ist ein grosser Pluspunkt. Sie festigt die Glaubwürdigkeit und das Vertrauen in den Anbieter, was beim Entscheidungsprozess eine grosse Rolle spielt. 
Beim Aufbau der Offerte spielt allerdings auch das Ausschreibungsverfahren eine Rolle, denn bei öffentlichen Ausschreibungen wird die Struktur der Offerte bereits vorgegeben. Unabhängig des Verfahrens sollten bei der Abfassung der Offerte insbesondere folgende Punkte beachtet werden. Sie sind für die Qualität einer Offerte ausschlaggebend:

  • Struktur der Offerte: Falls in der Ausschreibung Vorgaben für den Aufbau der Offerte gemacht werden, sind diese zwingend einzuhalten. Andernfalls riskiert der Anbieter, bereits in der Vorevaluation auszuscheiden.
  • Anbietervorstellung: Generell sollte sie knapp gehalten werden (Unternehmensform und Organisation, Marktfokus, Leistungsschwerpunkte und Produkte).
  • Management Summary: Auch für IT-Laien verständlich verfasst, Umfang 1 bis 3 Seiten (Gesamtübersicht, Zielerreichung und Nutzen, kurze Angaben zur Umsetzung wie grober Terminplan und Projektorganisation, Kostenzusammenfassung, Stärken).
  • Lösungsbeschrieb/Erfüllung der Anforderungen: Fokussiert auf den Beschaffungsgegenstand (keine allgemein gehaltenen Beschreibungen), kurz, prägnant und vollständig mit plausiblen Grafiken beziehungsweise Abbildungen untermauert.
  • Dienstleistungen: Sie sind für die Konzeptions- und Implementierungsphase (konzeptionelle Leistungen, Realisierung, Integration, Einführung, Schulung etc.) und für die Betriebsphase (Support, Wartung etc.) der Lösung präzise festzuhalten.
  • Referenzen: Die Referenzangaben sollten sich auf möglichst vergleichbare Lösungen beziehen. Wichtig ist es, die Kundennähe (Know-how im Anwendungssegment und in den Applikationen beziehungsweise Systemen) und die Erfahrungen aus analogen Projekten nachzuweisen.
  • Kosten: Sie sind in transparenter und nachvollziehbarer Form festzuhalten, gegliedert in einmalige Kosten (Umsetzung des Projekts) und wiederkehrende Kosten (Support, Wartung, Betrieb). Am besten werden sie in einer Kostenübersicht sowie in detaillierter Form präsentiert.
  • Vertragsangaben: Vorteilhaft ist es, wenn bereits Vorschläge zu den Verträgen gemacht werden können (Werkvertrag, Wartungsvertrag, SLAs etc.).

Detailliertere Angaben zum Aufbau und Inhalt einer attraktiv abgefassten Offerte können in der 5. Auflage des Fachbuches "Beschaffung von Informatikmitteln", erschienen 2015 im Verlag Haupt, nachgelesen werden.

Fazit: Wendet man die drei Erfolgsfaktoren konsequent in der Akquisitionsphase von IT-Projekten an, wächst der Verkaufserfolg spürbar.

 

Ergänzende Information: Das Schweizer Beschaffungswesen 2020 in Zahlen
Die grössten Auftraggeber 2020 (Stand: 11.09.20) und ihre Auftragsvolumen gerundet:

  • Schweizerische Bundesbahnen (SBB): 824 Millionen Franken
  • Bundesamt für Informatik und Telekommunikation (BIT): 390 Millionen Franken
  • DGNSI: 259 Millionen Franken
  • Kanton Zürich: 234 Millionen Franken
  • Bund (Zentrale Bundesverwaltung): 141 Millionen Franken

Die grössten Auftragnehmer 2020 (Stand: 11.09.20) und ihre Auftragsvolumen gerundet: 

  • IBM Schweiz: 377 Millionen Franken
  • Microsoft Schweiz: 216 Millionen Franken
  • T-Systems Multimedia Solutions: 180 Millionen Franken
  • Swisscom (Schweiz): 127 Millionen Franken
  • Bedag Informatik: 121 Millionen Franken

Die grösste Konkurrenz herrscht derzeit in generellen IT-Dienstleistungsrahmenverträgen wie:

  • Projektleitung
  • Business-Analyse
  • IT-Betrieb
  • IT-Beratung

Die schwierigsten Bereiche, um viele Offerten für die öffentliche Vergabe zu erhalten:

  • Standard-Software
  • Sehr spezifische, technische Dienstleistungen

Source: Michael Bischof, Besitzer von Noematica und Betreiber von it-beschaffung.ch.

Webcode
DPF8_108173