Vis-à-vis Tom Brunner, CCO von Also Schweiz

Warum Also der schnellste und günstigste Anbieter sein muss

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Der "Kolumbus-Raum" im Hauptgebäude von Also ist mit einer Einrichtung geschmückt, die Besucher in die Ära des grossen Entdeckers und in den Geist von Navigatoren versetzt. Dort spricht Tom Brunner, CCO von Also Schweiz, im Interview über die Rolle von Also und die Zukunft von Channel und Markt.

Tom Brunner, CCO, Also Schweiz (Source: Netzmedien)
Tom Brunner, CCO, Also Schweiz (Source: Netzmedien)

Sie sind seit März 2018 CCO von Also. Wie ist es Ihnen seither ergangen?

Tom Brunner: Ich habe noch nie so viel in so kurzer Zeit gelernt. Die Zeit war intensiv, aber auch sehr befriedigend. Die Also-Gruppe umfasst ja verschiedene Tochtergesellschaften, etwa die NRS Printing Solutions und Bachmann Mobile Kommunikation. Eine so dezentrale Organisation innerhalb eines Landes zu führen, war neu für mich. Abgesehen davon habe ich die vergangenen neun Monate auch als Wechselbad der Gefühle erlebt. An manchen Abenden fuhr ich nach Hause und dachte: "Mir gehört die Welt!" Und an anderen schlich ich still und leise davon – unsicher, wie ich meine Aufgabe erledigen sollte.

 

Und wo stehen Sie heute?

Jetzt sieht es klar anders aus als vor einem Jahr. Unsere starke Konzernleitung mit CEO Gustavo Möller-Hergt hat mich hervorragend unterstützt, damit wir vorwärtsmachen konnten. Im vergangenen Jahr lief alles Schlag auf Schlag, weswegen wir nun auch auf ein erfolgreiches 2018 zurückschauen können. Aufgaben wie Automatisierung und Digitalisierung stehen zwar bei jeder Firma weit oben auf der Prioritätenliste. Doch nur wenige machen so schnell vorwärts wie wir.

 

Was haben Sie konkret gemacht?

Wir haben etwa ein komplett neues Intranet eingeführt. Denn unser ehemaliges Intranet war altmodisch und erinnerte an eine Windows-Ordnerstruktur aus vergangenen Tagen – das neue sieht mehr aus wie das Frontend von Linkedin. Auch haben wir Jira als Ticketing-System eingeführt. Wir hatten das System zuvor schon für die IT genutzt. Mittlerweile befinden sich darin auch Rekrutierungs- und Personalanträge sowie weitere Prozesse, die wir alle über das gleiche Tool abwickeln. So können wir nun Workflows und Freigabestufen aller Prozesse überprüfen. Zuvor lief das alles papierbasiert. Zudem digitalisierten wir das HR: Spesen, Zeit und Lohnausweise erfassen wir digital am Handy oder an Terminals. Das klingt vielleicht nicht nach "Rocket Science" und einige Firmen haben das schon lange – aber die meisten eben noch nicht. Die wirkliche Herausforderung war, während des laufenden Betriebs aufzurüsten.

 

Welche weiteren Veränderungen gab es im vergangenen Jahr, und was waren Ihre wichtigsten Aufgaben dabei?

In erster Linie musste ich verstehen, wie unsere drei Geschäftsmodelle Solutions, Supply und Services funktionieren. Ich analysierte, was unser Go-to-Market-Modell ist, unsere Leistung, unsere Value Proposition. Und ich befasste mich mit unseren Kunden, ihren Bedürfnissen und Erwartungen. Auf der organisatorischen Seite sah ich mir die Verantwortlichkeiten an. Jede Division – Solutions, Supply und Services – war bisher für sich organisiert mit eigenen Verantwortlichen und Zielen. Während einer Optimierungsphase ist das genial. Es ist aber der Killer, wenn man die Synergien dazwischen nutzen will. Wenn etwa die Servicekundschaft keine Berührung mit dem Disti-Geschäft hat, weil man sich nicht miteinander austauscht, verpasst man Chancen, im anderen Business mehr Geschäfte zu machen. Wir mussten die drei Säulen als Geschäftsmodelle anstelle von Organisationsmodellen begreifen. Wir haben Hierarchien abgebaut, denn Business-Entscheide sollten dort gefällt werden, wo man weiss, wie das Business läuft. Früher hatten wir Geschäftsleitung, Divisionsleitung, Business-Unit-Leitung und dann zu den Mitarbeitern einen grossen Abstand in puncto Verantwortung. Nun haben wir eine Teamleiter-Struktur und konnten die Division-Leitung entfernen.

 

Wie sieht es jetzt bei Also genau aus?

Heute gibt es keine Geschäftsleitung mehr, wie sie früher war. Da sind nur noch Reto Vogel als Head of Finance und ich als Chief Customer Officer. Wir kümmern uns um alles, was nicht mit dem Business zu tun hat: um Revisionen, Versicherungen, rechtliche Aspekte, Gruppenthemen und so weiter. Wir haben dafür einen Management Circle eingeführt, der nicht mehr zwingend eine hierarchische Position erfordert.

 

Wie sehen Sie die aktuelle Marktentwicklung im Channel? Es sind ja gewaltige Umwälzungen im Gange ...

Dafür müssen wir erst definieren, was "Channel" genau bedeutet, damit wir dasselbe darunter verstehen. Wir haben momentan einen fragmentierten Fachhandel, mit Betonung auf "Handel". Dann gibt es Consultants, die versuchen, die Geschäftsprozesse ihrer Endkunden vom KMU-Treibenden bis zum Enterprise-Verantwortlichen zumindest in Teilbereichen zu verstehen und zu unterstützen. Und wir haben Systemintegratoren, die Hard- und Softwarelösungen an diese Firmen bringen. Die einen verdienen das Geld damit, dass sie Hardware verstehen, die anderen damit, dass sie die Prozesse der Kunden verstehen und die dritten, indem sie eine Marge damit verdienen, weil sie mit Produkten handeln, um sie für Endkunden verfügbar zu machen. Die grossen Umwälzungen geschehen an mehreren Orten gleichzeitig. Der reine Handel verliert immer mehr an Bedeutung. Aus Sicht der Distribution ist das zwar fürchterlich, aber wenn ich mich in die Lage der Kunden versetze, dann ist das Angebot bei einem Onlinehändler grösser, der Preis oft günstiger, der Prozess zum Bestellen einfacher und bei grösseren Kunden kann sogar eine direkte Anbindung ans ERP erfolgen.

 

Und bei den Consultants?

Consultants sehen sich gerade damit konfrontiert, einen riesigen Fächer an erforderlichem Wissen zu benötigen, um ihre Kunden bei der digitalen Transformation zu begleiten. Aber diese Transformation wird nicht vom Hersteller über den Disti zum Reseller getrieben. Das ist eine von der Branche unabhängige Marktbewegung. Der Endkunde will beziehungsweise muss digitalisieren, automatisieren, gewisse Prozesse anders bauen und Apps einsetzen. Hierfür ist der bisherige Consultant, der in einzelnen Prozessteilen dachte, womöglich nicht mehr der richtige. Stattdessen schiessen zurzeit viele neue junge Firmen aus dem Boden, die versuchen, den KMU-Apparat als Ganzes zu verstehen. Sie sehen sich nicht als Teil des Channels. Sie haben keine Herstellerstatus-Programme und gehen auch keine Jahresvereinbarung mit einem Disti ein. Eine Bezugsquelle – falls Hardware überhaupt noch gebraucht wird – ist für sie nicht interessant.

 

Wie wirkt sich diese Entwicklung auf Also aus?

Die Rolle von und Anforderungen an Also kristallisieren sich immer klarer heraus. Dazu gehört natürlich die Zurverfügungstellung der Waren, wie wir sie bisher boten. Was sich aber verändert, ist, wer diese Waren bezieht. Für Channelpartner müssen wir zum Enabler werden, der über Services verfügt, an denen sie andocken können, um zu skalieren. Man wird nicht plötzlich vom Fachhändler zum Consultant.

 

Wie unterstützt Also die Channelpartner konkret?

Wir kümmern uns um die Beschaffung der Waren, finanzieren sie und übernehmen die Logistik. Bevor wir die Waren verschicken, können wir sie assemblieren oder "stagen". Wir haben auch einen Reparaturdienst, mit dem wir die Warenrücknahme und die Einhaltung von SLAs sicherstellen können. Wir können die gesamte logistische Wertschöpfungskette als Dienstleister anbieten. Und somit ist dieser Wandel, der an der Verkaufsfront passiert, willkommen. Wir unterstützen Fachhandel, Consultants und Systemintegratoren gerne dabei, ihre Geschäftsmodelle zu transformieren. Wenn es etwa Prozesse und Kompetenzen gibt, die man nicht selbst aufbauen möchte, sind wir mit unseren Services und unserem Know-how zur Stelle, damit man sich als Channelpartner auf sein Geschäft konzentrieren kann, statt sich um das eher lästige Drumherum kümmern zu müssen.

 

Sie plädieren also dafür, dass ein Channelpartner mehr als Orchestrator verschiedener Services fungiert, um seine Kunden ideal zu betreuen und diese damit nur noch einen "Single Point of Contact" haben?

So kann es sein. Wenn der Channelpartner eine gewisse Grösse hat, kann er der "Single Point of Contact" sein. Er kann aber auch uns quasi als Generalunternehmer einsetzen, damit wir uns um den Kunden kümmern. Wenn es etwa darum geht, 250 Notebooks-as-a-Service auszurollen, dann möchte der Channelpartner diese Geräte vielleicht nicht in seinem Anlagevermögen haben. Für uns hingegen ist das kein Problem. Unsere Channelpartner können uns mit gutem Gewissen dem Endkunden vorstellen und sagen, dass wir uns um Beschaffung, Finanzierung, Logistik, SLAs und Hardware-Reparaturen kümmern.

 

Wie unterstützt Also seine Partner dabei, ihre neuen Rollen zu finden, damit es sie in Zukunft noch braucht und gibt?

Greifen wir nochmals die drei Geschäftsmodelle auf: rein transaktionaler Volumenhandel, mit viel technischem Wissen kombinierte Lösungen und den reinen Dienstleistungsteil. Unsere Aufgabe dabei ist es, möglichst alle Prozesskosten, die wir verursachen, aus dem Volumengeschäft zu entfernen. Wir müssen der schnellste und günstigste Anbieter sein. Dann können wir auch denen helfen oder diejenigen so lang unterstützen, wie der reine Handel noch gefragt ist. Ganz sicher profitieren aber auch Retailer und E-Tailer davon.

 

Und im Lösungsgeschäft?

Im Lösungsgeschäft müssen wir den Spezialisierungsgrad erhöhen und das Portfolio verbreitern. Immer häufiger werden auch Hybrid-Lösungen bezogen. Es müssen also Produkte verschiedener Hersteller kombiniert in Betrieb genommen werden. Dafür müssen wir lernen, wie sie funktionieren. Dieses Know-how lässt sich bei Also anzapfen und auf eine einfache und günstige Art finden. Und mit günstig meine ich auch die Finanzierung, die bei Also deutlich weniger kostet, als wenn man das bei einer Bank macht und dafür einen 15-seitigen Vertrag unterzeichnen muss.

 

Stattdessen bestellt man einfach bei Also und zahlt die Rechnung nach 60 statt nach 30 Tagen?

(Lacht.) Nein, monatlich. Es geht ja um das B2B-Geschäft. Bei unseren As-a-Service-Angeboten kippen wir übrigens auch die Laufzeit. Damit machen wir den Workplace-as-a-Service wie eine Software verfügbar, die sich aktivieren und deaktivieren lässt. Es gibt lediglich eine Kündigungsfrist. Diese Dienstleistungen sollen den Bedürfnissen der Endkunden gerecht werden.

 

Wie schätzen Sie die Marktentwicklung in der Schweiz für 2019 ein?

Wir werden eine weitere Konsolidierung im reinen Handelsumfeld sehen. Die Grösseren werden grösser, die Kleineren kleiner – bis sie vielleicht aufhören müssen. Und ich sehe eine massive Zunahme im As-a-Service-Umfeld in Bezug auf Workplaces und lokale Infrastrukturen wie Meetingräume und Ähnliches.

 

Und in anderen Bereichen?

Im Consulting-Umfeld sehe ich, insbesondere wenn es um die Digitalisierung in KMUs geht, eine boomende Entwicklung. Die Pipelines bei unseren Partnern in diesem Bereich sind mehr als voll und es kommen unaufhörlich neue Anfragen hinzu. Der Move-to-the-Cloud wird ebenfalls weitergehen, wenn Microsoft mit Rechenzentren hierzulande Einzug hält. Auch wird der Bereich Security weiter wachsen. 3-D-Druck wird Schlagzeilen machen, IoT ebenso.

 

Es gibt also ein gutes ICT-Jahr 2019?

Es gibt ein enorm arbeitsreiches ICT-Jahr. Ich bin mir nicht sicher, ob es im Hardware-Volumen-Geschäft gleich gut laufen wird wie 2018. Auch die Konsumentenstimmung könnte sich dieses Jahr eintrüben.

 

Wie lautet Ihre Botschaft an den Channel?

Willkommen bei Also! Wir haben uns so aufgestellt, dass wir an ganz vielen Orten Aufgaben übernehmen können, die vielleicht in der Zukunft nicht zur Kernkompetenz des jeweiligen Channel-Partners gehören. Wenn Sie vom reinen Handel leben und Ihnen das Wasser bis zum Hals steht, dann lassen Sie den Kopf nicht hängen und machen Sie weiter - wir werden noch günstiger. Wenn Sie im Dienstleistungsumfeld tätig sind, dann schauen Sie sich unbedingt bei uns um und geben Sie uns Zugang, damit wir lernen können, was wir noch besser machen müssen. Im Systemintegrations- und Value-Added-Umfeld werden wir das Portfolio erweitern und Expertise erhöhen sowie das Business-Modell "As-a-Service" vorantreiben. Wir stehen zum Channel – und der Channel bleibt! Aber wir werden sichtbarer und Sie können uns bis zum Endkunden mitnehmen.

 

Persönlich: Tom Brunner ist Chief Customs Officer bei Also Schweiz. Am 1. März 2018 übernahm er das Amt von ­Harald Wojnowski. Zuvor war er Head of Division Supply und Mitglied der Geschäftsleitung bei Also Schweiz. Vor seiner Zeit bei Also fungierte er als CEO von Alltron.

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