SwissICT Arbeitswelten-Konferenz 2023

So gelingt der Kulturwandel am Arbeitsplatz von morgen

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von Maximilian Schenner und jor

SwissICT hat seine diesjährige Arbeitswelten-Konferenz abgehalten. Im Vordergrund standen die Themen Unternehmenskultur, New Work sowie die Generation Z.

(Source: Jennifer Loosli)
(Source: Jennifer Loosli)

Über den Dächern von Zürich ist am 23. März 2023 die Arbeitswelten-Konferenz von SwissICT vonstattengegangen. Die Konferenz, abgehalten in der obersten Etage der Fernfachhochschule Schweiz (FFHS) neben dem Zürcher Hauptbahnhof, war dem Thema "Kulturwandel" am Arbeitsplatz gewidmet. 

Zunächst verlor Christian Hunziker, Geschäftsführer von SwissICT, einige einleitende Worte. Er nahm auf die ICT-Salärstudie Bezug, die der Branchenfachverband jedes Jahr veröffentlicht. Die Löhne in der Schweizer ICT-Branche sind stabil auf einem hohen Niveau, wie die Studie aus dem Jahr 2022 zeigt.

Die Anzahl der tieferen Löhne sowie das entsprechende Salärniveau stieg im Vorjahr an - wohl ein Hinweis darauf, dass aufgrund des Fachkräftemangels Einsteigerinnen und Einsteiger vermehrt Anstellung fanden und von einem höheren Salär als bisher profitierten.

Christian Hunziker (l.), Geschäftsführer von SwissICT. (Source: Jennifer Loosli)

"Heute raucht niemand mehr, und alle sind zuhause"

Erster Gastredner des Tages war Christoph Negri, Psychologie-Professor und Leiter des Instituts für angewandte Psychologie an der ZHAW. Die Einflüsse der Digitalisierung auf das Arbeitsleben, positiv wie negativ, seien inzwischen jedem bekannt, sagte Negri. Unter anderem verändere sich die Rollengestaltung im Unternehmen und damit auch die Erwartungen von Führungskräften an Mitarbeitende und vice versa. Er erwähnte eine Studie von Microsoft zum Thema New Work. Hybride Arbeitsmodelle sorgen dafür, dass Managerinnen und Manager ihre Mitarbeitenden nicht mehr so oft oder gar nicht zu Gesicht bekommen. Dies könne bei ersteren starkes Misstrauen auslösen, schrieb Microsoft in der Studie. "Führungspersonen müssen lernen, loszulassen", resümierte Christoph Negri. 

Zugleich sollten Führungskräfte dafür sorgen, dass sich der Weg ins Büro wieder lohnt, sagte Negri. Der Austausch mit Anderen sei ein Bedürfnis des Menschen. Das gemeinsame Kaffeetrinken vor Beginn des Events sei sicher für viele das Highlight des Tages gewesen, meinte Negri schmunzelnd. Die Wichtigkeit des persönlichen Austauschs strich der Psychologe auch gegen Ende seiner Keynote hervor: "Früher hat man gesagt, alles wird in der Zigarettenpause oder am WC beschlossen", sagte Negri. "Heute raucht niemand mehr, und alle sind zuhause."

Christoph Negri, Leiter des Instituts für angewandte Psychologie an der ZHAW. (Source: Jennifer Loosli)

Starterkit für die Unternehmenskultur

Doch was macht eine gute und gesunde Unternehmenskultur aus? Dies lasse sich nicht verallgemeinern, betonte Hannah Instenberg, Studiengangsleiterin des MAS "Arbeit 4.0" an der FFHS: "Wichtig ist, dass sie zum Unternehmen passt."

Zu den allgemeinen Anforderungen für eine gute Kultur zählt Instenberg einen respektvollen Umgang, gute Kommunikation, Vertrauen, eine gesunde Fehlerkultur, Diversität und Transparenz. Die Folgen seien unter anderem ein erhöhtes Gemeinschaftsgefühl, geringere Fluktuation und zufriedene, motivierte Mitarbeitende. Zusätzlich mache die Unternehmenskultur den Arbeitgeber am Markt attraktiver - angesichts des Fachkräftemangels natürlich von hoher Bedeutung.

Hannah Instenberg, Studiengangsleiterin des MAS "Arbeit 4.0" an der FFHS. (Source: Jennifer Loosli)

Ausserdem trage eine gesunde Unternehmens- respektive Fehlerkultur dazu bei, das Risiko von Betrug zu reduzieren. Instenberg erklärte dies anhand eines Beispiels aus dem Bankenwesen. Die britische Bank Barings habe ihren Angestellten lange Zeit so gut wie keine Fehler erlaubt. Ein junger Trader führte über Jahre unautorisierte Spekulationen durch - und verlor. Aufgrund der negativen Fehlerkultur im Betrieb habe er sich gezwungen gesehen, seine Fehler vor dem Management zu verstecken. Die Bank ging 1995 bankrott und musste verkauft werden.

Wie eine waghalsige Risikokultur und mangelhafte Kommunikation zur Pleite führen können, zeigt aktuell auch der Fall der Credit Suisse. Am 19. März war bekannt geworden, dass die UBS ihre ehemalige Rivalin übernehmen muss, um diese vor dem Ruin zu bewahren. Wie gigantisch der Aufwand dieser Übernahme wird, zeigen Zahlen zu den IT-Abteilungen der beiden Banken.

Standortbestimmung für ICT-Erfahrene

Paul Brodmann von SwissICT präsentierte das Tool "ICT Career Advisory". Dieses soll Informatikerinnen und Informatiker bei der beruflichen Standortbestimmung unterstützen. Das Tool, ein kostenpflichtiges Produkt von SwissICT, sei für Personen mit mehrjähriger ICT-Berufserfahrung gedacht, die auf der Suche nach beruflicher Veränderung oder Weiterentwicklung sind. Brodmann demonstrierte das Tool live: Im Rahmen einer Selbstbeurteilung geben die Userinnen und User zunächst eine Einschätzung ihrer Erfahrungen und Kompetenzen ab. Ihnen wird eine Liste an ICT-Skills präsentiert, welche sie per "Drag and Drop2 den Spalten 2Kann ich am wenigsten gut", "durchschnittlich" oder "Kann ich am besten" zuordnen müssen. Danach evaluieren sie die einzelnen Kompetenzen noch im Detail. Per Mail erhalten sie schliesslich die Auswertung in Form eines Balkendiagramms - je besser ein Jobprofil zum User passt, desto länger der Balken. Zu oberst stehen jene vier Berufsbilder, die am ehesten den Qualifikationen der oder des Stellensuchenden entsprechen. Zudem liefert das Tool Empfehlungen für Weiterbildungsmöglichkeiten. 

Sicher von Ftan nach Paris

Daniela Werren von der Schweizer IT-Firma Basevision sprach unter anderem über das Thema Sicherheit im Kontext von New Work. Das Unternehmen arbeitet fast gänzlich remote, wie Werren erzählte. Eine ihrer Mitarbeiterinnen arbeite von Ftan aus, einem kleinen Dorf in Graubünden. Sie selbst sitze im Homeoffice in Paris (einer grösseren Stadt in Frankreich). Das Büro von Basevision befinde sich in Olten. Die Mitarbeitenden treffen sich laut Werren nur einmal im Monat zum Austausch im Büro. Trotz - beziehungsweise gerade wegen - dieses Arbeitsmodells sei es notwendig, die IT-Infrastruktur entsprechend zu sichern. Gerade als Sicherheitsdienstleister - Basevision bietet unter anderem SOC-Lösungen an - müsse man den Kunden das vorleben, was man selbst predigt. Die Mitarbeitenden bräuchten eine "Security DNA", sagte Werren. Dafür brauche es wiederum viel Vertrauen seitens der Unternehmensführung.

Wie Sie sicher im Homeoffice oder unterwegs arbeiten, erfahren Sie übrigens hier.

"Steter Tropfen ölt den Stein in Bern"

Der letzte Vortrag der Konferenz trug den Titel "Kulturwandel in der Arbeitswelt: Generation Z und der politische Blick". Vortragender war Matthias Müller, Präsident der Jungfreisinnigen Schweiz, einer Tochterpartei der FDP.

Die Generation Z habe neue Ansprüche, etwa eine Sinnhaftigkeit in ihrer Tätigkeit, mobiles Arbeiten, digitale Tools und die berühmte "Work-Life-Balance". Mit den neuen Prioritäten gingen auch neue Wertvorstellungen einher: "Junge Leute wissen um ihren Wert", sagte Müller. Von der Politik fordert er unter anderem eine Flexibilisierung des Arbeitsrechts, die Digitalisierung der Unternehmensgründung und die Förderung von KI. Bis solche Forderungen umgesetzt werden, dauere es natürlich, sagte Müller - aber: "Steter Tropfen ölt den Stein in Bern." Unternehmen könnten auch selbst die Initiative ergreifen, etwa mit Förderungs- und Weiterbildungsangeboten, Inklusion sowie einer lebendigen Feedback-Kultur.

Matthias Müller, Präsident der Jungfreisinnigen Schweiz (Source: Jennifer Loosli)

Abschliessend sprach sich Müller noch gegen alte Denkmuster aus: Seniorität bedeute nicht automatisch mehr Erfahrung und Erfolg, ebenso stehe Jugend nicht gleich für Naivität, Unerfahrenheit und Scheitern. Junge Menschen würden viel Wichtiges in die Arbeitswelt mitbringen, sagte Müller. Sie hätten oft Erfahrung auf Gebieten, die für viele Unternehmen noch Neuland sind. Zum Beispiel seien heute 20-Jährige durch Gaming schon seit frühen Jahren mit VR-Brillen vertraut. Sie würden die Vor- und Nachteile kennen und könnten die Risiken der Technologie abschätzen, sagte Müller. Bis derartiges Wissen bei der Unternehmensführung angekommen ist, sei es bereits zu spät.

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