Porträt

Wenn die E-Mail den Weg in die Cloud ebnet

Uhr

Es braucht eigentlich gar nicht viel, um mit den Entwicklungen am Markt Schritt halten zu können. Martin Hüsler verlässt sich auf sein Gespür und das seiner Geschäftspartner. Die Cloud ist für sie nicht mehr wegzudenken, wie er sagt.

Martin Hüsler ist von Beruf FEAM. Gelernter Fernmelde-, Elektro- und Apparatemonteur. Ein Beruf, den es heute nicht mehr gibt.

Hüsler sitzt in einem hellen, offenen Konferenzraum. Der Raum erinnert an ein Penthouse. Aufgesetzt auf das Dach des Gebäudes, rundherum Glas. Durch die Fenster dröhnen dumpf die Turbinengeräusche startender Flugzeuge.

Zwei Jahre lange arbeitete Hüsler in seinem Lehrbetrieb nach Abschluss der Ausbildung weiter. Bis ihn das Gefühl beschlich, dass ihm etwas fehlte. "Das kann doch nicht alles sein", dachte er sich und schrieb sich 1984 am Technikum Winterthur ein. "Ich wusste, dass ich in Richtung IT gehen muss", erinnert sich Hüsler.

Doch das Technikum bot damals noch gar keinen IT-Studiengang an. Er studierte stattdessen Elektrotechnik. Nach dem Studium am Technikum landete Hüsler bei der Digital Equipment Corporation, einer der ersten Computerhersteller der Welt. 1998 übernahm Compaq die Firma. Vier Jahre später wurde Compaq Teil von Hewlett Packard. Hüsler war da aber schon lange nicht mehr bei "Digital", wie er die Firma nennt.

Etwa drei Jahre vor dem Verkauf an Compaq fühlte sich Hüsler unglücklich. Die Servicequalität im Unternehmen entsprach nicht seinen Vorstellungen, seine Ideen konnte er nicht umsetzen.

Gemeinsam mit zwei Kollegen sprang Hüsler ins kalte Wasser

Hüsler war nicht allein. Zwei seiner Kollegen bei Digital fühlten wie er. 1995 hatten sie genug. Sie sprangen in das kalte Wasser der Selbstständigkeit. Martin Hüsler, Hansjörg Brugger und Kurt Schmitt. Einer für alle, alle für einen. "Wie die drei Musketiere", sagt Hüsler. Gemeinsam gründeten sie die Firma Dynawell.

Den Namen leiteten sie von "dynamisch" und dem englischen Wort "well" ab. "Well" stehe aber auch für das Novell-Know-how, das die drei in sich vereinten. Novell ist ein amerikanischer Softwareanbieter, der heute als Marke des britischen Konzerns Micro Focus auf dem Markt agiert.

Für Hüsler und seine zwei Mitstreiter lief es von Anfang an gut. Kurt Schmitt brachte einen Kunden von Digital mit, den sie als "Subcontractor" über ein Jahr lang weiter betreuen konnten, wie Hüsler sagt. Die drei hatten aber noch mehr Glück.

In dem Gebäude, in dem sie ihr Büro einrichteten, war die Firma Bürgi Informatik zuhause. "Das war ein klassischer Box-Mover", erinnert sich Hüsler.

Der eigene E-Mail-Server war ihr ganzer Stolz

Durch Bürgi kamen Hüsler, Schmitt und Brugger an neue Kunden. Bürgi lieferte die Hard- und Software, Hüsler, Schmitt und Brugger die passenden Dienstleistungen.

Die ersten dieser Dienstleistungen waren aus heutiger Sicht trivial. "Eine E-Mail-Adresse zu haben, war damals eine kleine Sensation", sagt Hüsler. Deswegen seien sie besonders stolz darauf gewesen, dass sie als kleine Firma schon einen eigenen E-Mail-Server gehabt hätten. Auch wenn der Server eigentlich ein PC gewesen sei, der sich via ISDN "irgendwo" eingewählt habe.

Dann kam Windows NT auf den Markt. "Das war für viele Kunden zu kompliziert", sagt Hüsler. "Da trauten sie sich nicht allein dran." Gut für Hüsler und seine Mitstreiter.

Dynawell wuchs. Jedes Jahr ein bisschen. "Exponentielles Wachstum war nie unser Ziel." Auch heute sei das noch so. Die Firma beschäftigt inzwischen 15 Mitarbeiter. Der Mitgründer Hansjörg Brugger ist seit 2005 nicht mehr dabei.

Für Hüsler bedeutete Bruggers Ausstieg mehr Verantwortung. Denn Brugger war bis dahin Geschäftsführer von Dynawell gewesen. Die Rolle übernahm Hüsler. Vom einstigen Techniker, der draussen beim Kunden Projekte begleitete, wurde er zum "100-prozentigen Kostenfaktor", wie er sagt. "Ich erbringe in der Regel keine verrechenbaren Dienstleistungen mehr." Statt Bit und Byte zu biegen, kümmere er sich nun um die Organisation, das Personal, Offerten und verhandle mit Herstellern. "Ich bin aber auch Presales", sagt Hüsler.

Zweimal pro Jahr ziehen sich die Firmeninhaber zurück

Bei strategischen Entscheidungen verlässt sich Hüsler auf die Mitinhaber der Firma. Ausser Kurt Schmitt sind das heute Sandro Pizzingrilli und Walter Lieb. Pizzingrilli stieg schon kurz nach der Firmengründung im September 1995 ein, Lieb folgte im März 1996. Sie kamen beide ebenfalls von Digital. Gemeinsam mit den Mitinhabern zieht sich Hüsler zwei Mal pro Jahr zurück. Sie analysieren das Unternehmen und seine Position im Markt. Sie schleifen an der Strategie.

Und wie sieht die aus? "Heute gibt es ja praktisch alles as-a-Service", sagt Hüsler. Der ganze Markt sei im Wandel. "Wir versuchen, uns laufend daran anzupassen." Hüsler sieht seine Firma dabei als klassisches Systemhaus. Unter den Kunden fänden sich Garagisten, Schreiner, Getränkehändler, Verwaltungen, Krankenkassen, Privatbanken.

Viele dieser Kunden würden heute noch eigene Infrastrukturen betreiben. "Vor allem bei den kleinen Kunden ist die Cloud aber immer mehr ein Thema", sagt Hüsler. Einerseits weil die Kunden teilweise danach fragen. Anderseits weil er und sein Team die Kunden darauf aufmerksam machen. "Wenn wir heute die Infrastruktur eines Kunden erneuern müssen, prüfen wir gemeinsam mit dem Kunden, ob Teile davon in der Cloud besser aufgehoben wären."

Die hybride Cloud ist für Hüsler oft der beste Weg

Hüsler sagt bewusst "Teile". Für ihn ist der Mittelweg, die hybride Cloud, in den meisten Fällen die beste Lösung. Es sei ein Weg, den der Kunde oft besser verstehe. Denn jedes Smartphone sei ja eigentlich schon ein Beispiel für den hybriden Ansatz.

Der Einstieg in die Cloud laufe oft über den E-Mail-Server. Die wenigsten KMUs bräuchten heute noch einen eigenen Server. "Vielfach fangen Kunden dann an, ihre E-Mails mal auf Office 365 auszulagern", sagt Hüsler. "Man kann dem Kunden leicht aufzeigen, dass Office 365 noch ein bisschen mehr kann, als E-Mails zu verwalten." So könne er neue Bedürfnisse beim Kunden wecken. Manchmal kämen sie auch von selbst, sagt er.

Die Cloud-Dienste von Dynawell umfassen aber mehr als nur Office 365. Denn die Cloud sei heute nicht mehr wegzudenken. "Man kann nicht ohne Cloud leben", sagt Hüsler. Jeder Dienstleister müsse seinen Weg finden, wie er mit der Cloud umgehen könne. Denn sie beeinträchtige die Art und Weise, wie Techniker arbeiten. "Der Techniker kann in der Cloud nicht mehr jedes Bit und Byte biegen", sagt Hüsler. Hüslers Cloud-Weg führte ihn ausser in die Arme von Microsoft auch in die Rechenzentren von Swisscom.

Rechenzentrumsbetreiber sind keine Konkurrenz

Ein eigenes Rechenzentrum sei keine Option gewesen. Wer ein eigenes Rechenzentrum betreiben wolle, stehe vor einem gewaltigen Berg an Anforderungen: 7x24-Stunden-Support, physische Sicherheit, USV-Anlagen und Kosten ohne Ende. "Ich glaube, in ein paar Jahren wird es deshalb nur noch sehr wenige, dafür aber umso grössere Rechenzentrumsbetreiber geben", sagt Hüsler.

Angst macht ihm das nicht. "Die Grossen sind gar nicht in der Lage, alle Kunden abzugrasen", sagt er. "Unseren Kunden ist es ausserdem zum Teil egal, wo ihre virtuelle Maschine läuft." Die Swissness sei vielen noch wichtig. Aber ob das Rechenzentrum Swisscom, Green oder sonst wem gehöre, spiele kaum eine Rolle. "Sie rufen uns an, wenn etwas nicht in Ordnung ist. Nicht die Rechenzen­trumsbetreiber."

Hüsler und sein Team bieten aus der Swisscom-Cloud in erster Linie virtualisierte Server und Back-up an. Unter der eigenen Marke. Seit Kurzem sind sie auch in den Rechenzentren von Green eingemietet. Wegen der unterschiedlichen Plattformen, wie Hüsler sagt. VMware bei Swisscom, Hyper-V bei Green. Je nach Kundenanforderung und -wunsch.

Webcode
DPF8_27235