Erste Mieter sind schon eingezogen

Gestern Blumen, heute Bytes

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Colocation-Betreiber Equinix hat sein neues Datacenter ZH5 offiziell vorgestellt. Die Anlage, die am 22. Mai in Betrieb ging, soll IT-Anwender verschiedener Richtungen zusammenführen. Ihnen bietet Equinix eine Art Wohlfühloase für Server, Storage und Switche, mit redundanter Stromversorgung, Kühlung und Carrierneutralität.

Marco Dottarelli, Managing Director Schweiz bei Equinix, freut sich bereits auf die Weiterentwicklung des Colocation-Centers ZH5. (Quelle: Netzmedien)
Marco Dottarelli, Managing Director Schweiz bei Equinix, freut sich bereits auf die Weiterentwicklung des Colocation-Centers ZH5. (Quelle: Netzmedien)

Steigt man in Oberengstringen bei Zürich aus dem Bus, begrüsst einen ländliche Idylle: Einfamilienhäuser schmiegen sich an einen Weinberg, hinter dem Dorfrand fliesst die Limmat zwischen grünen Wiesen. Da wirkt das neue Colocation-Center ZH5 von Equinix beinahe wie ein Ufo, das am Rand von Oberengstringen auf dem Gelände der ehemaligen Blumenbörse landete.

Lounge-Ambiente hinter Beton und Panzerglas

Silbern schimmert die metallene Aussenwannd, grauer Beton führt vom frisch geteerten Vorplatz in die Schleuse des "Raumschiffs" ZH5. Links versperrt eine Personenschleuse den Weg. An der Seite gegenüber des Eingangs wacht hinter einer Betonwand und Panzerglas ein Sicherheitsangestellter über den Zugang zum Herzen der Anlage, die am 22. Mai ihren Betrieb aufnahm.

Besucher müssen vor dem Betreten erstmal ihren Ausweis abgeben. Und die Mitarbeiter? Sie müssen vor dem Einlass drei Prüfungen bestehen. Zuerst muss ein Badge an ein Lesegerät gehalten, dann der richtige Code an einer Tastatur eingegeben und zuletzt eine Hand gescannt werden. Die Hand wird dann oben und unten abgelesen. Der Scan muss zu 60 Prozent mit einem Referenzbild der Hand übereinstimmen, erklärt Sascha Kaufmann, Customer Operations Director. Auf diese Weise gibt es eine Toleranz. Falls man sich die Hand verletzt hat, erhält man doch noch Zutritt zur Personenvereinzelungsanlage.

Dahinter führt der Weg vorbei an Bildern weltweiter Equinix-Standorte wie Amsterdam oder Chicago. Links lädt ein Pausenraum zum Verweilen ein. Eine elegante Kaffeemaschine pumpt auf Wunsch Kaffe oder Espresso in schwarze Keramiktassen. Auf einem Bildschirm flimmern Werbefilme des Colocation-Anbieters. Einladend, aber ein Provisorium, wenn man Marco Dottarelli zuhört, Managing Director Schweiz von Equinix. Denn wenn erstmal alles fertig ist, werden zusätzliche Erholungsräume mit Billiardtischen, Duschen und Internetzugang etwa Servicetechniker zum Erholen einladen. Geplant sind eine zweite und sogar eine dritte Wachstumsphase des Colocation-Centers. Ausgebaut wird, wenn eine Auslastung von 60 Prozent der heutigen Kapazität abzusehen ist.

Die ersten Mieter sind schon drin

Bisher ist der erste von drei Abschnitten gebaut. Dieser bietet Kunden 1100 Quadratmeter Serverfläche. Von dieser sei bereits rund ein Fünftel vermietet. Momentan betreiben zwischen 10 und 15 Kunden ihre IT im ZH5. Zu ihnen zählen auch verschiedene Kunden aus den USA. Mit einem grossen Storage-on-Demand-Anbieter steht Equinix in Verhandlungen. Hinzu kommt ein Schweizer Grosskunde. Ein zweiter soll demnächst folgen. Generell beobachtet Dottarelli eine tendenzielle Zunahme von Managed-Service-Providern, die ihre Infrastrukur in Colocation-Centern unterbringen.

Genaues über ihre Kunden berichten die Vertreter von Equinix nicht. Das Colocation-Geschäft ist ein diskretes, schliesslich zählen Banken und Behörden zu den Kunden der Datacenter-Anbieter. Genauer werden die Techniker von Equinix wenn es um technische Aspekte geht: Über den Stromanschluss mit 3 MVA gelangen zwei 14'000 kVA-Zuleitungen in die Anlage. Ein weiterer Stromanschluss soll folgen, um einen tatsächlich redundanten Stromfluss zu gewährleisten.

Das Schweizer Stromnetz geniesst zwar einen hervorragenden Ruf. Sollte trotzdem mal kein Elektron mehr den Weg in das ZH5 finden, übernehmen Batterien diese Aufgabe, eine halbe Minute später schalten sich Dieselgeneratoren zu. Diese werden von zwei Tanks gespeist, mit je 30'000 Litern Volumen. Ihre Zuleitungen zu den Generatoren können beheizt werden, um ein Ausflocken des Treibstoffs zu verhindern. Einmal pro Monat wird der Strom abgestellt und die redundanten Back-up-Systeme getestet.

Damit die Server, die den Strom verbrauchen, nicht überhitzen, werden sie von kühler Luft umströmt. Als Norm gilt 24 Grad Celsius, bei einer Toleranz von plus-minus 2 Grad Celsius. Die Infrastruktur der bisherigen Anlage wird mit Wasser gekühlt.

Ammoniakkühlung für höhren Wirkungsgrad

Mit dem zweiten Bauabschnitt wird die Kühlanlage mit flüssigem Ammoniak gespeist - eine Auflage von Umweltbehörden. Genauso wie die Pflicht Grünflächen zu schaffen. Selbst das Dach soll noch begrünt werden. Die sind zwar vorbereitet, leider lässt das Gras noch auf sich warten. Dafür ragen kleine Bäume aus der noch frischen Erde. Wasser wird dennoch gebraucht. Als Löschmittel wird es im Brandfall punktuell unter Hochdruck aus Düsen zerstäubt.

Die Carrier-neutrale Anlage verfügt über 16 Leitungen, die über 144 Glasfasern Daten in das Center hinein- und wieder hinausleiten. Physisch sind derzeit etwa ein halbes Dutzend Carrier vertreten. Da aber das ZH5 mit dem Ring der Equinix-Datacenter ZH1 – ZH4 verbunden wurde, können Kunden, quasi über den virtuellen Weg, auf die Dienstleistungen der bei Equinix vertretenen Carrier zugreifen. Dottarelli ist sich sicher, dass weitere Kunden auch weitere Telcos mit physischen Leitungen in das ZH5 holen werden.

Bytes statt Blumen

Fertig wird ZH5 voraussichtlich 2016 sein, hofft Dottarelli. Je nachdem, ob der Run auf den Schweizer Colocation-Markt anhält. Bisher deutet alles darauf hin. Der Markt für Schweizer Rechenzentren ist den vergangenen Jahren stets gewachsen, eine Konsolidierung findet ebenfalls noch nicht statt. Dottarelli verweist auf eine jährliche Wachstumsrate von 22 Prozent.

Letztlich soll aus dem ZH5 im Verbund mit den anderen Datacentern von Equinix ein grosser Marktplatz entstehen, erklärt Dottarelli. Ähnlich wie sich in einer Markthalle Händler mit Kunden aber auch untereinander austauschen, sollen sich die unterschiedlichen IT-Betreiber im Colocation-Center über ihre Server miteinander verknüpfen. Etwa um sich gegenseitig ergänzende Dienstleistungen anzubieten. So betrachtet scheint es nur folgerichtig, dass Equinix das ZH5 auf dem Gelände der ehemaligen Blumenbörse errichtet hat.

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