Pascal Kaufmann im Gespräch

«Die USA sind der wichtigste Markt für uns»

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Pascal Kaufmann hat 2010 zusammen mit Marc Vontobel Starmind International gegründet. Das Unternehmen entwickelt selbstlernende Algorithmen, die es als künstliches Gehirn bewirbt. Starmind ist auf dem Sprung ins Silicon Valley.

Was können Ihrer Meinung nach Schweizer Unternehmen von den USA lernen?

Die Amerikaner gehen fast unmittelbar nach der ersten Idee in die praktische Umsetzung über. Wir sollten auch weniger zögerlich sein. In der Schweiz herrscht oft noch die Mentalität vor, etwas zunächst sehr ausführlich zu planen und viele Konzepte zu entwerfen, bevor man mit einem Produkt in den Markt geht.

Woran könnte es liegen?

Neben Mentalitätsunterschieden, spielt Geld meiner Meinung nach eine wichtige Rolle. Generell ist in den USA viel mehr risikobereites Kapital vorhanden. Die Erfolgsgeschichten von Unternehmen wie Facebook, Google und Apple haben meiner Meinung nach gezeigt, dass man im Silicon Valley in sehr kurzer Zeit viel Geld verdienen kann. Da die Aussicht auf den schnellen Profit besteht, sind Investoren eher bereit viel Geld in eine frühe Phase der Produktentwicklung zu investieren. In der Schweiz ist es viel schwieriger, an grosse Geldbeträge zu kommen. Das Risikokapital fehlt. Gleichzeitig ist es aber auch ein zweischneidiges Schwert. In der Schweiz fliesst Geld oftmals in ein Produkt, das schon einen gewissen Reifegrad erreicht hat, hingegen wird in den USA viel Ausschuss produziert. Dies zeigt sich auch in der hohe Rate an gescheiterten Start-ups im Silicon Valley. In der Schweiz ist es hingegen leichter, an kleinere Geldbeträge zu kommen. Dies führt teilweise dazu, dass Unternehmen noch am Leben gehalten werden können, deren Produkte aber eigentlich keine Chance mehr haben. Die Angst zu Scheitern ist in der Schweiz grösser und brandmarkt einen Unternehmer. In den USA gehört das Scheitern vielmehr zum guten Ruf.

Warum haben Sie sich gerade für die USA als nächsten Expansions-Schritt entschieden?

Die USA sind zweifelsohne der wichtigste Markt für unser Produkt. Hier gibt es die meisten Kunden und das grösste Wachstumspotential. Eigentlich sind alle grösseren Firmen, die wir mit unserem künstlichen Gehirn adressieren, in den USA vertreten.

Wollen Sie global noch weiter expandieren?

Wir konzentrieren uns auf fünf Kernmärkte. Dies sind die Schweiz, Deutschland, Grossbritannien, Singapur und eben die USA. Die restlichen Märkte erschliessen wir in Kooperation mit Partnern. Es gibt viele interessante Partner und Grossunternehmen, die schon über entsprechende Netzwerke verfügen.

Wie lange hat Ihre Planung in Anspruch genommen?

Insgesamt sind wir jetzt ein halbes Jahr bei der Planung und Vorbereitung. Besonders das Anwerben von lokalen Mitarbeitern hat viel Zeit in Anspruch genommen.

Welches waren die grössten Schwierigkeiten auf Ihrem Weg bisher?

Hier in Europa stehen oftmals die Risiken des Scheiterns im Mittelpunkt. In vielen Gesprächen und bei der internen Kommunikation stösst man auch berechtigt auf viele Bedenken. Zusammenfassen lässt es sich vielleicht mit der Aussage: ‚Warum solltet gerade ihr erfolgreich sein, wenn vorher schon so viele Unternehmen in den USA kläglich gescheitert sind.’ Vor dieser Kulisse ist ein zögerliches Vorgehen durchaus verständlich, viel Überzeugungsarbeit ist zu leisten. Entscheidend ist die Finanzierung. Mit wenigen hunderttausend Dollar braucht man in den USA gar nicht erst anfangen. Hohe Hürden kommen auch von den USA, bei rechtlichen und administrativen Belangen. Inzwischen sind wir auch hier gut vorbereitet.

Wie kommen Sie zu dieser Einschätzung?

Die USA sind kein vollständig unbekanntes Areal für uns. Beispielsweise zählen einige internationale Konzerne mit Niederlassungen in den USA zu unseren Kunden. Diese nutzen unsere Technologie sehr erfolgreich. Mit den rechtlichen Bestimmungen sind wir daher sehr gut vertraut.

Welche Unterstützung haben Sie für Ihre Pläne bisher erfahren?

Die Switzerland Global Enterprise war uns eine grosse Hilfe. Von der Beratung durch diese Organisation haben wir sehr profitiert. Insbesondere die Vermittlung von Kontakten zu Juristen und lokalen Experten ist sehr wertvoll und effizient.

Erwarten Sie einen Kulturschock?

Da ich unter anderem in den USA studiert habe, bin ich mit der Mentalität dort schon etwas vertraut. In dieser Hinsicht sehe ich uns auch nicht als ein typisch Schweizer Unternehmen. Durch unsere offene und direkte Art ecken wir in der Schweiz oder auch in Deutschland manchmal an, für die USA sind wir bisweilen noch etwas defensiv. Ich persönlich schätze die offene Art der Amerikaner sehr.

An welchen Punkten müssen Sie noch an sich arbeiten?

Unsere Verkaufsargumente müssen wir in Hinsicht auf den US-Markt noch anpassen. Wir müssen lernen, unser Produkt in fünf bis zehn Minuten anschaulich zu präsentieren. Ein gutes Produkt, und der gestiftete Mehrwert muss sehr schnell Kommunizierbar sein. Sonst kann es einem in den USA leicht passieren, schon nach wenigen Minuten sanft zur Tür gebeten zu werden. Gerade bei der Präsentation treten US-Firmen deutlich offensiver und überzeugender auf als ihre Schweizer Pendants. Hier müssen wir noch aufholen. Beispielsweise haben wir vorkurzen ein interaktives Glashirn-Modell entwickelt, mit dem wir die Funktionsweise unseres Produkts schnell anschaulich präsentieren können.

Sind die US-Vorgehensweisen auch auf die Schweiz übertragbar?

Die direkte Art aus den USA kommt bei Entscheidungsträgern in der Schweiz gut an. Gerade die Konzentration auf die wichtigsten Punkte sowie die kompakte und schnelle Vermittlung der Kerninformationen ist auch in der Schweiz sehr gefragt. Daher denken wir auch, von den Erfahrungen in den USA für die Tätigkeit in Europa viel lernen zu können.

Welche Stärken hat die Schweiz Ihrer Meinung nach?

Bei der Entwicklung von Technologien, Innovationen und Blick auf Pioniergeist sehe ich die Schweiz vorne. Daher kaufen die USA auch so viele Schweizer IT-Talente ein. Meiner Meinung nach sollten wir die kostbare Ressource Know-how in der Schweiz sehr viel bewusster nutzen, daher belassen wir unsere Produktentwicklung auch hier. Wir sind auch etwas stolz darauf, mit Starmind eine Technologie zu einhundert Prozent in der Schweiz entwickelt zu haben. Die Grundlagen dafür entstanden allerdings aus der Forschung der ETH und Universität Zürich, die natürlich sehr international ausgerichtet ist.

Haben Sie nicht die Befürchtung, dass Ihre besten Mitarbeiter abgeworben werden?

Dies ist für uns schon eine Überlegung. Natürlich zahlen die IT-Giganten im Silicon Valley deutlich höhere Löhne. Wir wollen daher als Unternehmen so attraktiv sein, dass die Mitarbeiter sich bewusst für uns entscheiden. Beispielsweise durch ein exzellentes und attraktives Arbeitsklima, ein super Team und die Möglichkeit der Firmenbeteiligung. Die Entwicklung unserer Produkte werden wir auch weiterhin in der Schweiz behalten. In den USA fokussieren wir auf den Vertrieb und Kundenbetreuung.

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