Kolumne: Zum Schluss

Soziales Marketing in Zeiten der Rezession

Uhr | Updated
von Jean-Pierre Jamet

In wirtschaftlich schwierigen Zeiten wird an einem Ort immer zuerst gespart: im klassischen Marketing. Denn Marketingmassnahmen haben mittel- bis langfristige Ziele, deshalb glaubt man nicht an einen allzu negativen Effekt. Stattdessen könnte man aber auch in soziales Marketing investieren.

Jean-Pierre Jamet, Incomtec Consulting.
Jean-Pierre Jamet, Incomtec Consulting.

Ich kann mich nicht erinnern, jemals in irgendwelchen Marketingbüchern das Tabuwort Rezession gelesen zu haben; dort ist jeweils nur die Rede von Wachstum, Erhöhung des Umsatzes und Ausweitung der Marktanteile. Und dennoch besteht die grosse Wahrscheinlichkeit, dass wir gezwungen sein werden, je nach Land mit einer mehr oder weniger starken Rezession zu leben oder zu überleben. Die Frage sei erlaubt: Mit welcher Marketingstrategie ist man in Zeiten von Rezession auf der Gewinnerseite?

Das Wachstum wird vor allem durch neue Produkte und den entsprechend neu erzeugten Bedürfnissen geschaffen. Dies ist besonders im Bereich der Informatik sichtbar, wo man stets hofft, das Wachstum auf diese Weise anzukurbeln. In Rezessionszeiten werden Investitionen jedoch nur getätigt, wenn sie unverzichtbar sind. Was ist in der Informatik heute aber noch unverzichtbar, was man nicht bereits schon hat?

Hinzu kommt die Tatsache, dass im Falle einer Rezession die ersten Budgets, die gekürzt werden, jene des Marketings sind. Ein Grund dafür besteht in der Tatsache, dass die Wirkung des Marketings eine mittelfristige ist. Der Aufbau eines Marken images misst man nicht in Wochen, sondern in Jahren, und weil man eben hofft, dass die Krisen jeweils von kurzer Dauer sind, scheint eine temporäre Kürzung der Marketingbudgets keine Konsequenzen zu haben.

Die Informatik ist meist abhängig von ausländischen Firmen, allen voran von ITUnternehmen aus den USA. Eine Verlangsamung der dortigen Wirtschaft verursacht als Erstes eine Kürzung der Marketingbudgets in den ausländischen Filialen. So wird ein Land wie die Schweiz trotz ihrer gesunden Ökonomie höchstwahrscheinlich davon nicht verschont bleiben. Also, wie kann man Marketing mit einem "Zero-Budget" praktizieren?

Es gibt natürlich kein allgemein gültiges Rezept, je nach Produkt und Dienstleistung werden die Firmen mehr oder weniger betroffen sein; aber es wird eine Herausforderung für alle Marketingverantwortlichen. Gewisse Tendenzen können trotzdem skizziert werden:

Die Pflege der bestehenden Kunden wird ein entscheidender Faktor sein. Die Verschärfung der Konkurrenz wird alle schwachen Beziehungen ins Wackeln bringen. Jene, die intensiven und regelmässigen Austausch mit ihrer Kundschaft haben, werden es leichter haben. Zur Erinnerung: Durchschnittlich werden 70 Prozent des Umsatzes mit bestehenden Kunden gemacht und dennoch, ohne die restlichen 30 Prozent wird es schwierig sein, weiterzufahren.

Wie könnte die Akquisition neuer Kunden aussehen?

Das beste, effizienteste und günstigste Mittel bleibt immer noch die Mundpropaganda. Vielleicht sollte man das wenige zur Verfügung stehende Budget da investieren. Der Aufbau einer Mundpropaganda lässt sich am einfachsten in sozialen Medien organisieren, im Besonderen in spezialisierten, professionellen Netzwerken. Eine solche Lösung lässt sich jedoch nicht von heute auf morgen einsetzen. Eine Telefonmarketing-Kampagne kann man in zwei Wochen starten, aber der Rückfluss einer auf sozialen Netzwerken basierenden Strategie wird erst nach mehreren Monaten spürbar.

Eine solche Strategie erst während der aufkommenden Rezession zu entwickeln, dürfte dem Geschäft wahrscheinlich nicht mehr gross helfen. Man muss sich also bereits im Vorfeld auf schwierigere Zeiten vorbereiten. Eine andere Tatsache ist, dass diese Strategien den Einsatz aller Abteilungen der Firma verlangen. Die Mundpropaganda beispielsweise (inklusive die in einem Netzwerk generierte "elektronische Mundpropaganda") kann nur funktionieren, wenn die Qualität der Produkte oder Dienstleistungen einwandfrei ist. Der technische Support leistet hier eine entscheidende Hilfe. Die Verkaufsabteilung, die nicht das Blaue vom Himmel versprechen soll, um ein Geschäft zu gewinnen, leistet einen grossen Beitrag an die Qualität der Leistungen durch die Richtigkeit ihrer Beratung. Es ist eine ganzheitliche Vorgehensweise, bei der der Marketingverantwortliche die eigenen Ressourcen seiner Firma in Bewegung setzt, statt Leistungen externer Firmen in Anspruch zu nehmen. Das ist eine kopernikanische Revolution!

Über Jean-Pierre Jamet

Jean-Pierre Jamet gründete 1991 die JPJ Direct Marketing AG (heute Profondia AG) und leitete das Unternehmen bis 2010. Mit Datenmarketing, Mailings und Telefonmarketing unterstützte er 20 Jahre lang IT-Firmen in der Kundenakquisition. Heute ist er als Berater mit seinem Unternehmen Incomtec Consulting GmbH unterwegs. Jamet betrachtet die verbreitete Nutzung sozialer Netzwerke als äusserst vielversprechendes Marketingmittel, das ganz neue Möglichkeiten im B2B-Geschäft eröffnet. Er ist einer der Initiatoren des Projekts ICT-Synergies Network. ICT-Synergies ist ein auf das Schweizer ICT-Business fokussiertes soziales Netzwerk. www.ict-synergies.ch

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