Im Gespräch mit Isabelle Welton

"Wir wollen mit unseren Businesspartnern wachsen und ihren Anteil am Gesamtgeschäft von IBM erhöhen"

Uhr | Updated
von Marc Landis

Seit einem Jahr ist Isabelle Welton CEO von IBM Schweiz. Die ehemalige Leiterin der Marketing- und Kommunikationsabteilung übernahm den CEO-Posten, nachdem ihr Vorgänger Daniel Rüthemann verstorben war. Kein einfacher Start in eine neue Funktion.

Isabelle Weltons Berufung zum CEO von IBM Schweiz ist ein Jahr her. Im Interview erklärt sie, wie sie ihre neue Aufgabe angepackt hat und was Partner von IBM erwarten können. Mit dem Geschäftsjahr 2010 ist Welton zufrieden.

Wie ist es Ihnen in Ihrem ersten Jahr als CEO von IBM Schweiz ergangen?

Es war nicht leicht, nach dem plötzlichen Tod meines Vorgängers Daniel Rüthemann diese Aufgabe zu übernehmen. Daniel war eine Identifikationsfigur. Niemand wünscht sich, auf diese Art eine neue Stelle antreten zu müssen. Dazu kam, dass ich keine Einführung in meine neue Funktion hatte. Vor allem bei laufenden Kundenprojekten war das am Anfang knifflig.

Was hat sich bei IBM Schweiz verändert, seit Sie die Führung übernommen haben? Wo haben Sie konkret Einfluss genommen?

IBM ist gut organisiert. Ich bin aber ein anderer Mensch als mein Vorgänger und packe Dinge anders an. In der Schweiz war es wichtig, die Integration der verschiedenen Mitarbeitenden und Produkte voranzutreiben. Darin war mein Vorgänger schon sehr erfolgreich und ich führe dies weiter.

Sie leiteten vorher Marketing und Kommunikation und plötzlich sind Sie CEO. Waren Sie auf die neue Aufgabe gut genug vorbereitet?

Meine verschiedenen Stationen innerhalb des IBM-Managements erlaubten mir eine optimale Vorbereitung auf diese Aufgabe. IBM setzt Mitarbeitende bewusst in verschiedenen Funktionen ein, damit sie sich weiterentwickeln. Als Marketing- und Kommunikationsleiterin war ich sehr nah am operativen Geschäft und am Verkauf. Das Marketing ist bei IBM verantwortlich dafür, dass die Verkaufspipeline für das nächste Quartal gut gefüllt ist. Operative Aufgaben also, die sehr nahe an denjenigen von heute sind.

Und gefällt Ihnen Ihre neue Aufgabe?

Ja, mein Job macht mir sehr viel Spass und es war unter dem Strich ein sehr gutes Jahr.

Was macht Ihnen Sorgen?

In der Schweiz macht uns der Fachkräftemangel grosse Sorgen.

Wie viele Fachkräfte fehlen im Markt?

ICTswitzerland prognostiziert, dass wir in unserem Berufsfeld bis 2017 ein Manko von rund 32 500 Fachleuten haben werden.

Welche Fachkräfte fehlen konkret?

IT-Architekten und Ingenieure, Informatiker, Leute, die systemisch denken können.

Was macht IBM gegen den Fachkräftemangel?

Wir haben verschiedene Programme. Zum einen bilden wir rund 70 Lehrlinge aus. Dann stellen wir über 300 Werkstudenten ein, die neben ihrem Studium bei uns arbeiten. Weiter haben wir, bedingt durch unser Forschungslabor in Rüschlikon, engen Kontakt mit den Hochschulen. Wir haben etwa 30 Post-Docs in Rüschlikon, nicht nur aus Schweizer Universitäten. Wir sind weiter an verschiedenen Forschungsprogrammen beteiligt und versuchen so unseren Beitrag zu leisten. Wichtig ist auch, dass mehr Mädchen und junge Frauen für ICT-Berufe begeistert werden können. Wieso sollte man auf 50 Prozent der Arbeitskräfte verzichten wollen?

Sehen Frauen IT anders als Männer?

Verschiedene Studien von McKinsey und Catalyst Group haben gezeigt, dass Unternehmen mit hoher Diversität einen höheren ROI erzielen. Und mit Diversität sind nicht einfach nur Frauen und Männer gemeint. Auch Menschen mit anderer sexueller Orientierung, anderer Religion, anderer Kultur. Es müssen viele unterschiedliche Menschen mit unterschiedlichen Denkweisen in einem Unternehmen vertreten sein.

Was wird 2011 das Highlight für IBM?

Wir feiern 100 Jahre IBM, was uns sehr stolz macht. Zum einen werden wir zurückschauen, haben wir doch IT-Geschichte geschrieben, so zum Beispiel mit vier Nobelpreisträgern aus dem IBM-Forschungs labor. Weiter wollen wir einen Ausblick auf Zukunftsthemen geben, wie soziale Netzwerke, 3-D-Welten. Ausserdem wollen wir IBM als «moderne» Firma feiern. Wir probieren vieles aus und sind in vielen Bereichen einen Schritt weiter als andere Unternehmen.

Wie wichtig ist Rüschlikon als Forschungsstandort für IBM?

IBM in Rüschlikon ist der europäische Arm der IBM-Forschung und als solcher ein sehr wichtiger Standort. Es gibt global gesehen nur neun solcher Forschungseinrichtungen von IBM. Rüschlikon war auch das erste Forschungszentrum von IBM ausserhalb der USA und wurde schon 1956 gegründet. Und IBM bekennt sich nach wie vor klar zum Standort Schweiz. Beweis dafür ist auch die jüngste Erweiterung des Campus. Das 6000 Quadratmeter grosse Nanotechnology Center, das im Rahmen einer strategischen Partnerschaft mit der ETH Zürich gemeinsam betrieben wird, repräsentiert die grösste Investition von IBM im Bereich Nanotechnologie ausserhalb der USA in den letzten Jahren. Darauf sind wir stolz.

Für welche Probleme erforscht IBM Lösungen in Rüschlikon?

Forschung und Entwicklung von schnelleren und weitaus energieeffizienteren zukünftigen Computertechnologien, angefangen beim Transistor – dem Basisbauelement von Computerprozessoren – bis zum Gesamtsystem. Dazu gehören Nanoelektronik und Schaltelemente der Zukunft, neuartige Speicher technologien, energieeffiziente Computer durch Wasserkühlung, Datenübertragung im Computer mit Licht. Weiter forscht IBM im Bereich der Sicherheits- und Datenschutztechnologien, etwa im Zusammenhang mit Cloud Computing. Dann arbeiten wir an neuen, robusten Sicherheitskonzepten und –architekturen für Rechenwolken für kritische Infrastrukturen wie Onlinebanking. Hochentwickelte Computersimulationen sind ein weiteres Forschungsfeld. Gemeinsam mit der ETH Zürich forscht IBM an der realistischen Simulation von Knochenstärken zur Früherkennung von Osteoporose. Im Energiebereich kooperieren wir mit dem IBM Almaden Research Center in Kalifornien zur Erforschung einer neuartigen Lithium-Luft-Batterie.

Welche Strategie verfolgt IBM im Zusammenhang mit dem Schlagwort Cloud?

Es ist ganz klar ein Wachstumsmarkt. Wir sehen etwa sehr grosses Wachstum in der Private Cloud im Unternehmensbereich. In der Public Cloud gilt es vor allem noch einige wichtige Probleme zu lösen, wie zum Beispiel die Datensicherheit.

Wie wollen Sie Ihre Partner in den Wachstumsmarkt rund um Cloud-Services einbinden?

Das Cloud-Thema ist ein äusserst wichtiger Bestandteil der IBM-Strategie, das wir gemeinsam mit unseren Partnern realisieren. IBM bietet ihnen verschiedene Geschäftsmodelle an, um gemeinsam mit diesem Thema im Markt auftreten zu können. Partner werden von uns in den Rollen als Cloud Builder, Infrastructure Provider, Application Provider, Service Reseller, Technology Provider und Aggregatoren eingebunden. Diese diversen Rollen bieten somit den Partnern die Möglichkeit, ihren Kunden Private Clouds, Cloud-Services oder IBM Public Cloud Services anzubieten.

Wie wichtig ist das Partnergeschäft für IBM Schweiz? Wie ist das Verhältnis zwischen direktem und indirektem Business?

Das Partnergeschäft ist uns sehr wichtig. Wir wollen mit unseren Partnern wachsen und ihren Anteil am Gesamtgeschäft der IBM erhöhen. Unsere «Smarter Planet»-Agenda steht auch hier im Vordergrund: Mit Themen aus dieser Initiative möchten wir gemeinsam mit unseren Partnern eine stärkere Marktdurchdringung erreichen. Wichtig ist uns vor allem, dass unsere Partner ihre Kunden kompetent beraten. Sie sollten deswegen über hervorragende Fach- und Branchenkenntnis verfügen. Das verlangt eine gute Ausbildung der Teams, aber auch Investments in ihre Infrastruktur, zum Beispiel mit Technologie-und Hardware-Demos. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass sie hervorragend im KMU-Markt verankert sein müssen.

Warum sollten Reseller und Systemintegratoren mit IBM zusammenarbeiten?

Einerseits profitieren diese von der Technologieführerschaft der IBM punkto Innovation, Trends und Forschung. Auf der anderen Seite von hervorragenden Infrastrukturlösungen wie Virtualisierung und Konsolidierung und einer umfassenden Softwarepalette im Middleware und Datenbankbereich. Abgerundet wird dieses Portfolio umfangreichenr IT-Dienstleistungen, mit denen der Partner sein Portfolio intelligent erweitern kann. Auch die Verdienstmöglichkeiten für Partner sind sehr attraktiv: Zahlreiche Promotions- und Kickbackprogramme, Zusatz-Incentives für eigenes autonomes Business ermöglichen dem Partner, seine Investitionen zu decken und in Ressourcen und Ausbildung zu in vestieren.

Welche Prognosen geben Sie für das ITJahr 2011 ab?

Ich bin der Überzeugung, dass die Schweizer Wirtschaft im weltweiten Vergleich sehr gut positioniert ist. Der tiefe Euro- und Dollarkurs macht uns zwar zu schaffen, man hat aber gelernt, damit umzugehen.

Zur Person

Isabelle Welton leitete bis zu ihrer Berufung zum CEO die Marketing- und Kommunikationsabteilungen von IBM in der Schweiz und in Österreich. Schon zuvor hatte sie verschiedene Führungspositionen in der Europaorganisation von IBM inne und war von 2004 bis 2007 Mitglied der Geschäftsleitung von IBM Schweiz. Bevor sie 2003 zu IBM stiess, arbeitete sie einige Jahre bei Zurich Financial Services, wo sie als Mitglied der Direktion für die weltweite externe Kommunikation verantwortlich zeichnete. Begonnen hat Isabelle Welton ihre berufliche Karriere bei Citibank in Tokyo, wo sie den Verkauf von Custody und Securities Lending leitete. Isabelle Welton wurde 1963 in Baden geboren und schloss ihr Studium der Jurisprudenz an der Universität Zürich im Jahr 1988 ab. Welton ist verheiratet und Mutter zweier Kinder.

IBMs Partnerprogramm

Das Partnerprogramm von IBM ist ein Two-Tier-Modell mit Distributoren und Reseller. Es wird unterschieden zwischen Tier-1-Partnern, die direkt bei der IBM Produkte beziehen, und Tier-2-Partnern, die via Distributoren wie Avnet, Also und Tech Data einkaufen.

IBMs Partnerstrategie ist in der Businesspartner-Charta von IBM-CEO Sam Palmisano definiert. Sie unterstreicht die grosse Bedeutung von Businesspartnern für die IBM. „Wir wollen im Channel wachsen, unsere Businesspartner stärken und ihren Anteil am Gesamtgeschäft von IBM erhöhen. Dafür haben wir ein dediziertes Team, das die Aufgabe hat, Partner im Markt zu unterstützen, um erfolgreich zu operieren“, erklärt Isabelle Welton, CEO von IBM Schweiz.

Das Partnernetz von IBM umfasst in der Schweiz ca. 1200 Businesspartner. Mit Marketingprogrammen, gemeinsame Zielvereinbarungen, Kickbacks und Co-Marketing unterstützt IBM Partner in ihrem Geschäft. Zudem kommen spezielle Anreizprogramme für Hardware, Software und Services zum Zug. An dedizierten Partneranlässen, der «Business Partner Arena», die zwei bis drei Mal pro Jahr stattfindet, informiert IBM zudem über ihre Strategie. Dazu kommen Schulungen und weltweite Kongresse.

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