Nachgefragt: Bioprinting

Bioprinting: Wenn der 3-D-Drucker menschliches Gewebe ausspuckt

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Unter Bioprinting versteht man den 3-D-Druck von menschlichem Gewebe. Markus Rimann, Group Leader 3-D-Tissues and Biofabrication an der ZHAW, erklärt die Technik dahinter und zeigt auf, was mit Bioprinting momentan möglich ist.

Markus Rimann, Group Leader 3-D-Tissues and Biofabrication an der ZHAW. (Source: Frank Brüderli)
Markus Rimann, Group Leader 3-D-Tissues and Biofabrication an der ZHAW. (Source: Frank Brüderli)

Der 3-D-Druck wird nicht nur in der Fertigungsindustrie oder als Spielerei für Zuhause gebraucht. Auch in der Medizin- und Pharmaforschung kommen 3-D-Printer zum Einsatz. Bioprinting nennt sich das Drucken von menschlichem Gewebe. "Das Drucken von Geweben funktioniert analog zum klassischen 3-D-Druck", erklärt Markus Rimann, Group Leader 3-D-Tissues and Biofabrication an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW). Für das Bioprinting benötige man menschliche Zellen und eine Gerüststruktur – die Biotinte. "Mit einem CAD-Programm können die verschiedenen Schichten, um das Gewebe aufzubauen, gezeichnet werden. Danach können Zellen gemischt in der Biotinte in eine Spritze gefüllt werden und dann durch eine feine Nadel in Strängen platziert werden", so Rimann.

Mit dem Verfahren liessen sich beliebige Strukturen herstellen. Nach dem Druck sei stets eine Inkubation bei 37 Grad Celsius notwendig, "damit sich die Zellen zurechtfinden, Zell-Zell-Kontakte ausbilden und somit ein funktionales Gewebe bilden können". Wie der Experte erklärt, muss die Umgebungstemperatur beim Bioprinting zwischen 4 und 37 Grad Celsius liegen, weil nicht nur die Zellen, sondern auch die Biotinte temperatursensitiv ist. Daher müsse entweder die Spritze, in der sich die Tinte befinde, oder der Tisch, auf den gedruckt werde, temperierbar sein. Weiter sind spezielle Druckköpfe nötig, um die Zellen während des Druckprozesses nicht zu töten. Und eine sterile Umgebung ist essenziell.

Organe aus dem 3-D-Drucker sind Zukunftsmusik

Dass bald voll funktionsfähige Organe aus dem 3-D-Drucker kommen, hält Rimann für unrealistisch. "Organe sind hochkomplexe Zellgebilde zusammen mit extrazellulärer Matrix, mit verschiedenen Zelltypen, die hochgeordnet in 3-D platziert sind." Ausserdem bräuchte es eine Durchblutung, um sie mit Nährstoffen und Sauerstoff zu versorgen und Abfallstoffe abzuführen. Auch die Biotinte müsse noch weiterentwickelt werden. "Momentan ist es nicht möglich, ein Gewebe von 1 Kubikzentimeter zu produzieren, in dem die Zellen über längere Zeit überleben."

Bei Novartis wurde Bioprinting bereits für das Testen von neuen Medikamenten eingesetzt. "Der Trend, 3-D-Zellkulturen für Medikamententests zu verwenden, wird sich sicher fortsetzen. Um dann letztlich Tierversuche zu ersetzen – was das erklärte Ziel ist –, braucht es jedoch auch noch gesetzliche Bestimmungen", sagt Rimann und gibt zu bedenken: "Die Bioprinting-Technologie steckt noch in den Kinderschuhen und ist sehr komplex in der Anwendung. Es gibt andere, weniger komplexe Tissue-Engineering-Technologien, die mittelfristig für Medikamententests verwendet werden können."

Ausser in der Pharmaindustrie sieht Rimann auch in der Kosmetik- und Lebensmittelindustrie Verwendung fürs Bioprinting. So sei die Nachfrage nach Hautmodellen zum Testen neuer Kosmetikprodukte gross. Denn in Europa müsse hier komplett auf Tierversuche verzichtet werden. "Momentan werden sehr einfache Hautmodelle ohne Bioprinting hergestellt. Die Bioprinting-Technologie verspricht hier, komplexe Hautmodelle zu generieren, die auch Drüsen, Blutgefässe und Haare enthalten." In der Lebensmittelindustrie könnte künstliches Fleisch gedruckt werden, das Muskel- und Fettzellen enthält. "Ausserdem wird auch schon diskutiert, Bioprinter in der Raumfahrt zu nutzen, um im Weltall Gewebe zu drucken."

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