Bestellvolumen wie zu Weihnachten

Paketkontingente: Onlinehandel und Zusteller müssen gemeinsam Lösungen finden

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von Thomas Lang, CEO und Gründer von Carpathia

Die Schweizerische Post hat aufgrund der Coronakrise Kontingente für die grössten 100 Onlinehändler eingeführt. Das, obwohl die Bestellungen bei vielen Händlern momentan auf Weihnachtsniveau liegen. Thomas Lang, CEO und Gründer von Carpathia, zeigt einige mögliche Lösungsansätze auf.

(Source: Denis Linine / iStock.com)
(Source: Denis Linine / iStock.com)

Nun sind sie eingetroffen, die laut VSV "schlimmsten Befürchtungen"; die Post, in der Schweiz für die Zustellung von mehr als 90 Prozent des Paketvolumens verantwortlich, führt nach einigem Hin und Her aufgrund der Coronapandemie Kontingente für die grössten 100 Onlinehändler ein, um die stark angestiegene Paketmenge überhaupt bewältigen zu können. Laut UVEK gelten die Kontingente vorerst bis Ostern.

Die Bestellvolumen bei zahlreichen uns bekannten Händler befinden sich auf Weihnachts-Niveau, liegen also 50 bis 100 Prozent über dem, was normalerweise im März und April generiert wird. Ähnlich tönt es bei der Post, die laut Handelszeitung kurz vor dem Kollaps stehen soll und deren Mitarbeiter aus dem Paketzentrum Frauenfeld berichten:

Es ist grad wie Weihnachten.

Die Paketkontingente treffen nicht nur alle Versender auf dem falschen Fuss, sondern stellen auch die Grundversorgung der Bevölkerung für Non-Food-Produkte in Frage. Viele Onlinehändler haben in den letzten Tagen und Wochen Dutzende von neuen Mitarbeitern eingestellt oder arbeiten mit anderen Branchen wie beispielsweise Event-Veranstaltern zusammen, wo man sich Personal ausleiht und für Beschäftigung sorgt um eben diese Non-Food Grundversorgung aufrecht zu erhalten.

Denn aktuell können viele wichtige Dinge im Haushalt, Büro oder der gerade üppig zur Verfügung stehenden Freizeit nur über den Onlineversandhandel bezogen werden aufgrund des Lockdowns.

Die Einführung von Kontingenten verhindert das nun und stellt teilweise massive Einschnitte dar, wenn die Händler nur gut die Hälfte der Bestellungen ausführen und damit nur die Hälfte der nötigen Pakete der Post zur Zustellung übegeben können (zum Beispiel bei einem uns bekannten Händler 6900 satt 12’000 Päckli pro Tag).

Damit stapeln sich bei den Händlern täglich Tausende von Paketen und die Nachfrage lässt in den meisten Sortimenten nicht nach. Je nach Entwicklung der Pandemielage dürfte sich die Versorgungssituation weiter verschärfen. Die Kunden warten immer länger auf ihre Ware. Ob da Kontingente die richtige Lösung sind?

Die Post ist in ihrer Situation nicht zu beneiden. Sie muss aktuell Paketvolumen wie punktuell nur zu Black-Friday-Zeiten bewältigen und befindet sich ebenfalls seit Tagen im Weihnachtsmodus. Gleichzeitig mit reduziertem Personalbestand (Risikogruppen bleiben zu Hause) und unter Einhaltung der Sicherheitsempfehlungen wie Abstände zwischen den Mitarbeitenden, was folglich zu Lasten der Effizienz geht.

Nadelöhr Sortierung

Ich gehe nicht davon aus, dass die Zustellkapazitäten der limitierende Faktor bei der Post ist. Dort liessen sich am ehesten weitere Ressouren oder Alternativen finden (es muss ja nicht gleich die Armee sein). Vielmehr dürfte nach meiner Einschätzung das Nadelöhr in der Sortierung liegen.

In den drei bisherigen grossen Paketzentren Frauenfeld, Härkingen und Daillens sowie den beiden neuen kleineren Anlagen in Gadenazzo und Ostermundigen kann das Volumen mit den zum Schutz der Mitarbeitenden auferlegten Einschränkungen nicht mehr bewältigt werden. Und dies auch, obwohl mutmasslich einzelne Sortimente wie Mode in dieser Zeit deutlich weniger Pakete versenden.

Was jedoch, wenn die Onlinehändler selber vorsortieren würden, erste Triagen bereits an der Quelle, der Logistik der Händler stattfinden? Das heisst, dass die grössten Händler in der Ostschweiz nicht mehr nur in Frauenfeld, diejenigen im Grossraum Zürich und Mittelland nicht mehr nur in Härkingen einliefern sondern bereits nach Paketzentren aufteilen und einliefern (lassen), was mutmasslich mit überschaubarem Aufwand technisch nach Verpackungsstrasse, zeitlicher Sequenz oder ähnlichem möglich sein sollte.

Und die paar LKW Transporte mehr liessen sich auch noch organisieren. Das ganze einfach mit dem Ziel, dass ein Paket nur noch maximal ein Paketzenturm der Post für die Sortierung durchlaufen muss und nicht wie bisher zwei, wenn ein Digitec Päckli aus Wohlen mit Empfänger in St. Gallen erst in Härkingen und ein zweites Mal in Frauenfeld sortiert wird. Einfach eine Idee zur Lösungsfindung, ohne im Detail mit den Prozessen vertraut zu sein.

Doch es gibt weitere Ideen und Forderungen, wie sie beispielsweise der Verband des Schweizerischen Versandhandel VSV am Freitag formuliert hat:

1. Fokus Inlandgeschäft – Suspension der UPU Sendungen

In dieser Phase sollen Pakete von Absendern prioritär verarbeitet werden, welche Abgangsort Schweiz haben. Es macht in so einer Situation keinen Sinn, Schweizer Händler zu beschränken, während UPU Pakete (Weltpostverein – internationale Kleinwarensendungen meist ohne MWST, Zoll) weiter zugestellt werden.

Anstelle der UPU-Sendungen sollen in erster Linie Pakete von Schweizer Auftraggebern verarbeitet und zugestellt werden. Täglich verarbeitet die Schweizer Post gemäss eigenen Aussagen über 100’000 Kleinwarensendungen aus dem Ausland. Diese Kapazitäten sollen für den nationalen Handel freigegeben werden.

Andere Länder wie Deutschland oder Schweden haben bereits eine solche "Suspension of acceptance of postal items" deklariert. Die Schweizerische Post beziehungsweise der Bund muss diese Massnahme nun ebenfalls umsetzen.

2. Briefkanal öffnen

Der Briefkanal ist umgehend mit Kleinpaketen zu nutzen. Die Briefmengen sind in der Coronakrise weiter gesunken, es besteht entsprechendes Ausweichpotential. Im Rahmen der Formatvorgaben UPU sollen Kleinwarensendungen bei Händlern ausgesteuert und in den Briefkanal eingespeist werden (siehe auch 1.).

3. Sonntags/Feiertagszustellung erlauben

Kurieren und Zustellorganisationen soll bis zur Lockerung der Ladenschliessungen generell die Sonntags-/Feiertagszustellung erlaubt werden – bislang gilt dies nur für Lebensmittel. Infolge hygienischer Schutzmassnahmen müssen Zustellungen über alle Wochentage aufgeteilt werden können.

4. Click & Collect kontrolliert ermöglichen

Die einschränkenden Vorschriften (Laden nicht betreten, kein Geldfluss) rund um Click & Collect sollen in Übereinstimmung mit den hygienischen Vorschriften / Social Distancing angepasst werden. Eine "kontrollierte Abholung" muss ermöglicht werden, dabei sollen die gleichen Abstands- und Dosierungsregeln gelten wie im Lebensmitteleinzelhandel.

5. Absperrungen in Lebensmittelgeschäften von "nicht täglichem Bedarf"-Sortimenten umgehend aufheben

Die Absperrung von Non-Food-Sortimenten im Umfeld von Nahrungsmitteln soll schnell aufgehoben werden. Die Absperrungen führen dazu, dass Konsumenten klassische Mitnahmeartikel auf einmal online bestellen und das System zusätzlich belasten.

Denn nur gemeinsam können die Online- und Versandhändler mit den Zustelldiensten wie der Post die Non-Food-Grundversorgung in dieser für alle herausfordernden Zeit bewältigen.

Und Kontingente scheinen mir das Grundproblem der Versorgung nicht zu lösen, höchstens kurzfristig die Engpässe bei der Post etwas zu lindern. Da müssen andere nachhaltigere Lösungen her.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf blog.carpathia.ch.

In einem Webinar der Universität St. Gallen gaben kürzlich einige grosse Händler Einblick in ihre momentane Situation und sagten, was es braucht, damit der Handel die Auswirkungen der Krise übersteht. Mehr dazu lesen Sie hier.

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