Vis-à-vis Christopher Tighe

Ciscos neuer Schweiz-Chef spricht über Aufstieg, Strategie und Channel-Umwälzungen

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von Coen Kaat

Seit Juli ist Christopher Tighe der neue Chef von Cisco Schweiz. Tighe blickt auf über 20 Jahre Erfahrung bei Cisco zurück. Im Interview spricht er über den Wechsel in die Schweiz sowie über die grössten Änderungen an Ciscos Partnerprogramm seit 10 Jahren und was diese für den Channel bedeuten.

Christopher Tighe, General Manager von Cisco Switzerland. (Source: zVg)
Christopher Tighe, General Manager von Cisco Switzerland. (Source: zVg)

Sie sind seit über 22 Jahren bei Cisco. Was finden Sie so spannend an der Firma?

Christopher Tighe: Als ich damals bei Cisco anfing, hätte ich nie gedacht, dass ich heute noch immer für denselben Arbeitgeber tätig sein würde. Vor einem Jahr hätte ich aber auch nicht gedacht, dass ich jetzt hier in der Schweiz sein würde. Aber genau das macht diese Firma so spannend: Cisco bot mir immer wieder neue Chancen und auch neue Herausforderungen. Das Wichtigste sind aber die Menschen, mit denen man zusammenarbeitet. Und das Cisco-Team ist wirklich wie eine grosse Familie, die einen offenen und guten Umgang untereinander pflegt.

 

Hatten Sie vor ihrem Antritt als Schweiz-Chef bereits Kontakt zur Schweiz?

Leider viel zu wenig. Ich war zwar privat mehrmals während der Ferien hier. Aber geschäftlich hatte ich bislang wenig mit der Schweiz zu tun.

 

Was hat Sie dazu bewogen, die Stelle anzutreten?

Wer will schon nicht in der Schweiz arbeiten? Es ist ein wunderschönes Land, das eine extrem hohe Lebensqualität bietet. Zugleich ist die Schweiz aber auch aus Businesssicht sehr spannend. Auf dem Global Innovation Index nimmt sie schon seit Jahren eine Vorreiterrolle ein. Das Gleiche gilt für das Thema Digitalisierung. Zudem haben viele grosse, namhafte Firmen und auch andere Organisationen - wie etwa das Rote Kreuz, die Fifa oder das IOC - hier ihren Hauptsitz.

 

Was gefällt Ihnen bislang am besten an der Schweiz?

Ich fände es, ehrlich gesagt, sehr viel schwerer, etwas zu nennen, das mir nicht gefällt. Bislang habe ich jedenfalls noch nichts entdeckt. Die Landschaft etwa ist wirklich traumhaft. Gemeinsam mit meiner Familie haben wir eine wunderschöne Wohnung am See mit Blick auf die Berge gefunden. Und auch die Menschen, die ich bisher getroffen habe, waren alle super freundlich und nett.

 

Wie verlief die Umstellung auf Ihre neue Rolle als General Manager?

Das war ein wenig wie ein Sprung ins kalte Wasser - mein Vorteil war, dass mein vorheriger Vorgesetzter mich hier sehr unterstützt hat.

 

Wie meinen Sie das?

Ich hatte ein schlechtes Gewissen und wollte nicht einfach alles stehen und liegen lassen, was ich in meiner vorherigen Stelle angefangen hatte. Alles abzuschliessen und auch noch genügend Zeit zu haben, um mich auf meine neue Rolle vorzubereiten, war aber gar nicht möglich. Mein damaliger Vorgesetzter riet mir darum, dass ich mich direkt auf den neuen Job fokussieren soll. So konnte ich hier in der Schweiz ab dem ersten Tag voll loslegen. Und vom Team, den Partnern und den Kunden wurde ich sehr gut aufgenommen.

 

Sie beschreiben sich selber als Techie. Wie hilft Ihnen das in Ihrer Rolle als Schweiz-Chef?

Mein Hintergrund hilft mir einerseits im Umgang mit dem Team. Cisco beschäftigt viele technische Mitarbeiter. Dank meinem Hintergrund kann ich mit ihnen auch technische Diskussionen führen. Andererseits hilft es auch bei den Kunden und Partnern. Je nach Bedarf kann ich mit ihnen ein eher technisches oder ein eher businessfokussiertes Gespräch führen - oder die richtige Balance dazwischen finden.

 

Sie sind vom System Engineer zum Sales Manager und zum General Manager aufgestiegen. Wie lautet Ihr Karrieregeheimnis?

Wenn ich das sage, ist es ja kein Geheimnis mehr! (lacht) Eigentlich ist es ja auch gar kein Geheimnis; es steht ja in meinem Lebenslauf. Über die vergangenen 22 Jahre habe ich sehr viele verschiedene Funktionen ausgeübt - immer jeweils drei bis vier Jahre lang. Dabei habe ich nicht immer nur hinaufgeschaut: Ich machte auch viele horizontale Karriereschritte, um meine Fähigkeiten auszubauen. Das hat dazu geführt, dass ich nun sehr breit aufgestellt bin und ein sehr gutes Verständnis von Cisco sowie unserem Geschäft habe. Gleichzeitig habe ich mir ein sehr starkes Netzwerk innerhalb und auch ausserhalb der Firma aufgebaut.

 

Wenn Sie es könnten, was würden Sie in den vergangenen drei Monaten ändern?

Ich hätte sehr gerne wieder echte Veranstaltungen. Sowohl Industrie-Events mit Kunden und Partnern als auch interne Anlässe mit dem Team. Aber da müssen wir jetzt durch.

 

Welche persönlichen Meilensteine wollen Sie als General Manager von Cisco Schweiz erreichen?

Den ersten Meilenstein habe ich bereits erreicht: Ich bin mit meiner Familie erfolgreich in der Schweiz angekommen. Ein paar Umzugskartons sind zwar noch immer nicht ausgepackt. Und auch einen Kleiderschrank haben wir noch nicht. Darum muss ich immer zuerst prüfen, ob ich ein Hemd wirklich anziehen kann oder ob ich zuerst noch das Bügeleisen suchen muss. (lacht) Jetzt peile ich den zweiten Meilenstein an: Ich will mit Cisco stärker aus der Krise he­rauskommen, als wir zu Beginn der Pandemie waren.

 

Wie sieht Ihre Strategie für die Schweiz aus?

Auf globaler Ebene verfolgt Cisco eine Strategie, die den Weg zu einer inklusiven Zukunft für alle ebnen soll. Das heisst, wir wollen Technologien so einsetzen, dass sie die Chancengleichheit für alle erhöhen. Unsere Verantwortung endet nicht bei der Technologie, wie unser CEO Chuck Robbins es ausdrückt. Diese Leitlinie verfolge ich natürlich auch in der Schweiz. Konkret möchten wir durch vier Punkte neue Möglichkeiten für unsere Kunden schaffen: die Neugestaltung von Anwendungen und den Umbau von Infrastruktur, die Frage, wie Teams besser zusammenarbeiten können, und natürlich übergreifend das Thema Sicherheit.

 

Welche Rolle spielt das Coronavirus bei Ihren Plänen?

Die Pandemie ist definitiv ein Faktor. Seit dem Lockdown im März ist die Digitalisierung wieder stark in den Vordergrund getreten. Ich denke, das Thema ist nun wichtiger als jemals zuvor. Und auch schneller: In einer Cisco-Umfrage vom Frühsommer berichteten mehr als 70 Prozent der IT-Verantwortlichen von Digitalisierungsprojekten, die in wenigen Wochen anstelle von Monaten oder Jahren implementiert wurden.

 

Wie verlief die Umstellung aufs Homeoffice für Cisco?

Cisco ist es relativ leichtgefallen, ins Homeoffice zu wechseln - wie wohl den meisten Unternehmen in der IT-Branche. Das ist aber gewiss keine Selbstverständlichkeit. Auch wenn eine Firma starke etablierte Prozesse hat, sobald alle Mitarbeiter von zuhause aus arbeiten und kein Papier mehr von links nach rechts geht, kann es schwierig sein, diese Prozesse weiterhin umzusetzen.

 

Wo sehen Sie das grösste Problem beim Homeoffice?

Ein Thema, über das ich immer wieder nachdenke, ist die Frage: Wie können wir die zwischenmenschlichen Beziehungen innerhalb einer Firma auch remote aufrechterhalten? Wir alle neigen dazu, uns so sehr auf unsere Aufgaben zu konzentrieren, dass wir die Pflege unserer Beziehungen aus den Augen verlieren. Aus der Sicht des Arbeitgebers klingt das zunächst gar nicht so schlecht: Die Soft-Faktoren verschwinden und dafür wird mehr harte Arbeit geleistet. Die Realität ist aber, dass wir die zwischenmenschlichen Interaktionen brauchen, um längerfristig motiviert zu sein und so auch effizient zu arbeiten.

 

Und wie schafft man es nun, diese Beziehungen aufrechtzu­erhalten?

Genau das diskutiere ich zurzeit sehr intensiv mit meinem Team - eigentlich mit jedem, dem ich begegne. Die magische Lösung für das Problem habe ich aber noch nicht. Wenn ich sie hätte, würde ich ein Buch darüber schreiben. (lacht) Die meisten haben wohl schon so viele virtuelle Apéros oder Kaffee und Kuchen per Webex erlebt, dass es Ermüdungserscheinungen gibt. Mein Team und ich haben nun angefangen, kreuz und quer durch die Firma zu telefonieren. Wir rufen eine Person an, mit der wir schon lange keinen Kontakt mehr hatten, und fragen einfach, wie es ihr geht. Und wenn wir fertig sind, bitten wir die angerufene Person, dasselbe zu machen. Durch solche kleinen, einfachen Handlungen schaffen wir es, den Zusammenhalt zu stärken.

 

Wie wollen Sie Ihre Strategie für die Schweiz konkret umsetzen?

Ich will fünf zentrale Kernpunkte pushen: 1. Managed Services - da geht es vor allem darum, enger mit den Service-Providern zusammenzuarbeiten und die Erschaffung neuer Services sowie die Nachfrage danach anzukurbeln. 2. Unsere Partner in ihrer Transformation unterstützen: Weg vom Box-Mover, hin zum Lifecycle-Partner. 3. Fokus auf die Kunden: Ich will unsere Kunden auch stets bestmöglich be­treuen. Das 4. Thema, die nationale kritische Infrastruktur, dreht sich um die Frage: Wie schaffen wir es, gemeinsam dafür zu sorgen, dass in allen Schulen, auf allen Kommunikations- und Transportwegen die nötige IT-Infrastruktur gegeben ist? Und 5.: Die zukünftige Zusammenarbeit - intern und bei unseren Kunden. Wie können wir diese hybride Arbeitswelt, in der wir alle plötzlich leben, am besten gestalten?

 

Was erwarten Sie vom Channel bei der Umsetzung?

Connect, secure und automate. Diese drei Kernfähigkeiten sind über alle Märkte und Segmente hinweg gleichermassen wichtig. Die Partner sollen diese Welt näher zusammenbringen mit Plattformen, die den Kunden die Arbeit erleichtern und ihre Organisationen absichern. Diese Themen will ich gemeinsam mit den Partnern vorantreiben.

 

Und was kann der Channel im Gegenzug von Ihnen erwarten?

Von mir als Person können die Partner eine stets offene, transparente Kommunikation erwarten. Dafür stehe ich, denn das ist der einzige Weg, gemeinsam erfolgreich zu sein und zu bleiben. Von Cisco können Sie dasselbe erwarten, wie schon zuvor: Cisco war schon immer, ist jetzt und wird auch immer eine partnerzentrische Firma bleiben.

 

Ende Oktober kündigte Cisco am Partner Summit die grösste Änderung am Partnerprogramm seit 10 Jahren an. Was bedeutet dies genau für die Partner?

In den nächsten 12 bis 18 Monaten krempeln wir das bestehende Partnerprogramm um. Aus fast einem Dutzend Partnerprogrammen machen wir ein einziges, einheitliches Programm. Mit dieser Vereinfachung wollen wir die Zusammenarbeit mit dem Channel strukturieren, unseren Partnern helfen, noch agiler und profitabler zu werden, und so auch die Digitalisierung stärker ankurbeln.

 

Das neue Programm beschränkt sich auf vier archetypische Rollen, soll aber mehr Möglichkeiten zur Differenzierung bieten. Widerspricht sich das nicht?

Die Vereinfachung schafft mehr Transparenz und so auch mehr Visibilität darüber, in welchen Themenfeldern die Partner aktiv sind und wo ihre Spezialgebiete liegen. Diese Fokussierung auf die vier Rollen - Integrator, Provider, Developer und Advisor - wird noch durch weitere Massnahmen flankiert. So gibt es etwa Incentives dafür, wenn ein Partner einen echten Mehrwert generiert. Dies hilft ihm ebenfalls, sich zu differenzieren. Was auch sehr wichtig ist. Denn langfristig bleiben nur Unternehmen erfolgreich, die einen echten Mehrwert gegenüber dem Mitbewerber vorweisen können.

 

Sind alle vier Rollen in der Schweiz gut abgedeckt oder brauchen Sie mehr in einer Kategorie?

Diese Frage beantworte ich gerne, wenn wir uns das nächste Mal sprechen und ich etwas länger im Land war.

 

Wie sieht Ihr idealer Channel-Partner aus?

Ich würde natürlich gerne sagen, ein Cisco-Partner soll nur Cisco-Lösungen verkaufen. Aber das ist nicht realistisch auf dem heutigen Markt. So wie es auch total unrealistisch wäre, wenn wir nur auf einen einzigen Channel-Partner setzen würden. Das funktioniert in beide Richtungen nicht. Aber ich denke, wenn wir offen miteinander reden, dann ist das auch absolut in Ordnung. Solange man klar sagt, hier sind wir enge Partner und da nicht, denn der Kunde ist schon glücklich mit der Lösung eines anderen Herstellers. So baut man automatisch mehr Vertrauen auf und dadurch wiederum auch mehr Erfolg.

 

Warum war diese grosse Anpassung am Partnerprogramm notwendig?

Unsere Partnerprogramme hatten immer einen sehr guten Stand auf dem Markt. Man muss aber ehrlicherweise auch sagen, dass sie mittlerweile ein wenig in die Jahre gekommen waren. Die vergangenen Monate sorgten für eine Beschleunigung der digitalen Transformation. Die Zeit war gekommen, unsere Channel-Programme zu optimieren. Dank der Konsolidierung können unsere Partner nun schneller agieren.

 

Welche Produkte und Lösungen sind zurzeit bei Ihren Schweizer Kunden besonders gefragt?

Es ist wohl keine Überraschung, dass wir in den vergangenen Monaten eine verstärkte Nachfrage in den Bereichen Cybersecurity und Collaboration spürten. Nach diesem Peak sehen wir jetzt aber, dass mehrere Kunden ihre ursprünglichen IT-Projekte und -Prioritäten wieder aufnehmen. So sehen wir etwa wieder mehr Nachfrage im Bereich Automatisierung und Business Resilience.

 

Wie lautet Ihre persönliche Botschaft an den Channel?

Durch offene, transparente Kommunikation können wir gemeinsam unser Vertrauen stärken und so gemeinsam noch erfolgreicher werden.

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