Drohnen in der Logistik

Nachts im Warenlager

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von Marianne Lucien, ETH News

Verity, ein Spin-off der ETH Zürich, revolutioniert mit neuartigen Drohnen den Betrieb von Warenlagern und fördert dadurch nachhaltigere Lieferketten. Das Unternehmen betont damit die Bedeutung und Potenzial der Grundlagenforschung.

Eine Verity-​Drohne im Warenlager (Bild: Scott Gibbard / ETH Zürich)
Eine Verity-​Drohne im Warenlager (Bild: Scott Gibbard / ETH Zürich)

In grossen Warenlagern gibt es viel zu tun: Arbeiter laden Paletten aus und verschieben unterschiedlichste Waren von einem Ort zum anderen. Am Abend, wenn das unablässige Piepsen der Gabelstapler verstummt und die Lagermitarbeitenden nach Hause gegangen sind, erwacht die Drohnenflotte von Verity zum Leben. Ausgestattet mit Leuchten, Software und Kameras navigieren die robotischen "Nachtarbeiter" durch Industrieregale, fliegen von der Decke bis zum Boden, scannen selbständig Barcodes und prüfen digitale Inventarlisten.

 

Vom Labor zum Broadway

Verity schiebt seit seiner Gründung im Jahr 2014 Nachtschichten. Das von ETH-​Professor Raffaello D'Andrea mitbegründete Unternehmen basiert auf Grundlagenforschung, die in seinem Labor am Institut für Dynamische Systeme und Regelungstechnik betrieben wurde. Das Spin-​off entwickelte sich schnell zu einem globalen Leader im Bereich autonomer Indoor-​Drohnensysteme. Dass die Technologien funktionierten, bewies es schon vor einem weltweiten Publikum: Unter dem Namen "Verity Studios" trat das Unternehmen erstmals im Rahmen von Live-​Veranstaltungen auf. Dabei baute Verity rasch einen Ruf für die Sicherheit und Zuverlässigkeit seiner Drohnen auf. In der Zwischenzeit entwickelte die Firma die Automatisierungslösung für Warenlager, die sie im Jahr 2020 lancierte.

 

"Obwohl sich die Technologie von Verity über die Grenzen des Labors hinaus weiterentwickelt hat, entspringt sie zu einem grossen Teil unserer Grundlagenforschung", erklärt Co-​Gründer und CTO Markus Hehn. Hehn entwickelte während seines Doktorats an der ETH Zürich lernfähige Algorithmen, die es Quadrokoptern ermöglichten, einen Slalomkurs zu fliegen und mit einem Pendel Fangen zu spielen. Heute sind die Drohnen von Verity dank dieser Systeme in der Lage, autonomes Navigieren zu erlernen. Auch die Forschung von ETH-​Alumno Federico Augugliaro beeinflusst nach wie vor zahlreiche Anwendungsbereiche von Verity: Augugliaro untersuchte, wie sich Drohnenflotten koordinieren lassen, damit sie komplexe Aufgaben ausführen können, wie etwa im Fliegen montierter Architektur oder beim Bau einer Seilbrücke.

 

Verity testete die Anwendungen schliesslich im Rahmen von zahlreichen Liveshows. Dabei wurden mehr als 300'000 Flüge in 20 Ländern absolviert. Diese Vorführungen nahmen nach einer Zusammenarbeit mit dem Cirque du Soleil für den preisgekrönten Kurzfilm "Sparked…" noch mehr Fahrt auf: die tanzenden Lampenschirme in Sparked inspirierten die späteren Lucie-​Drohnen. Die spektakulären Lightshows der Lucies, direkt über den Köpfen der Zuschauer, begeisterten das Publikum von hochkarätigen Veranstaltungen, wie dem Broadway Musical "Paramour", des Cirque du Soleil, der "WorldWired Tour" von Metallica und der "Courage World Tour" von Celine Dion.

 

Revolution in der Lagerbewirtschaftung

"Die Mitarbeitenden von Verity wollen gesellschaftliche Probleme lösen und Veränderungen in der Gesellschaft vorantreiben", betont Raffaello D'Andrea. Die Geschichte und der Erfolg des Unternehmens seien eigentlich die Geschichte eines Teams von Ingenieuren, Datenwissenschaftlern und Designern, die das Unternehmen anziehe. "Viele von ihnen sind ETH-​Alumni, die direkt im Anschluss an ihre Labortätigkeit angeworben wurden."

Einer der Erfolgsfaktoren von Verity ist die Fähigkeit der Mitarbeitenden, Kerntechnologien in der Praxis zuverlässig einsetzen zu können, um Herausforderungen zu lösen. Mit beinahe 100 auf das Unternehmen lautenden Patenten sah das Team auch die Pandemie als eine weitere Herausforderung an. Sie bot ihm die Zeit und die Möglichkeiten, sich noch stärker auf die Industrie auszurichten - genau zu dem Zeitpunkt, an dem der E-​Commerce durch die Decke ging.

 

Drohnen reduzieren CO2-​Ausstoss

Im Jahr 2021 beginnt nach einem erfolgreichen Pilotprojekt bei den ersten beiden Kunden der Einsatz der Drohnenflotten in den riesigen Vertriebs-​ und Lageranlagen des dänischen Transport-​ und Logistikunternehmens DSV sowie in Möbelgeschäften von Ikea. Ihre Mission: die Unternehmen von der zeitaufwändigen und fehleranfälligen manuellen Inventarisierung zu befreien. Die Drohnenflotten erlauben es Unternehmen, ihre Kosten bei der zyklischen Inventarisierung und mit am falschen Ort gelagerten Warenbeständen zu reduzieren und gleichzeitig die Qualität der Lagerbewirtschaftung zu steigern. Auch könnte sich Personal künftig effektiver einsetzen lassen, um die Unternehmen strategisch erfolgreicher aufzustellen.

 

 

 

Die positiven Auswirkungen von Drohnenflotten reichen jedoch weit über die Inventarisierung hinaus. Die neue Technologie bereitet die Industrie auf den künftigen Wandel vor, sowohl bezüglich der Effizienz als auch hinsichtlich der Nachhaltigkeit, der Lagerbewirtschaftung und der dazugehörigen Lieferketten. Die Auftragsbücher von Verity füllen sich deshalb schnell: Die meisten Kapazitäten für das Jahr 2022 sind bereits verbucht.

Als Wissenschaftler und Ingenieure wollten die Teammitglieder von Verity natürlich mit einer Studie herausfinden, wie wirksam sie sind. Die Ergebnisse beziffern bis zu einem gewissen Grad, wie die mithilfe der Drohnenflotte automatisierten Abläufe CO2-​Emissionen über die gesamte Lieferkette hinweg reduzieren. Die Studie belegt, dass die Drohnen in einem Lager mit 100'000 Paletten pro Jahr so viel CO2-​Emissionen einsparen, wie wenn jedes Jahr 5000 Fahrzeuge aus dem Verkehr gezogen würden.

 

Dieser Artikel erschien zuerst bei ETH News.

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