Weltraumteleskop

Euclid bringt Licht ins Dunkel

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von Stéphanie Hegelbach, UZH

Am 1. Juli ist das Weltraumteleskop Euclid ins All gestartet. Das Projekt der Europäischen Weltraumorganisation ESA sucht nach weiteren Hinweisen auf die Entstehung des Universums. Forschende der UZH beteiligen sich an der wissenschaftlichen Vorbereitung und Auswertung der Mission.

Einen Monat nach dem Start wird das Weltraumteleskop Euclid seinen Zielort im All erreichen. Die wissenschaftlichen Messungen im Universum werden rund sechs Jahre dauern. (Source: UZH-News/ ESA,ATG)
Einen Monat nach dem Start wird das Weltraumteleskop Euclid seinen Zielort im All erreichen. Die wissenschaftlichen Messungen im Universum werden rund sechs Jahre dauern. (Source: UZH-News/ ESA,ATG)

Leuchtende Sterne, geheimnisvolle Nebel und Galaxien, die unsere Gedanken von ausserirdischem Leben befeuern – so kennen wir das Universum von Abbildungen. Doch nur etwa fünf Prozent des Weltraums besteht aus sichtbarer Materie, die den Forschenden bekannt ist. In 95 Prozent des Universums herrscht sprichwörtlich Dunkelheit: Als Dunkle Materie und Dunkle Energie bezeichnen die Forschenden die unsichtbaren Faktoren, welche die Anordnung von Objekten im All und die Expansion des Universums beeinflussen.

Das Weltraumteleskop Euclid der Europäischen Weltraumorganisation ESA soll nun Licht ins Dunkel bringen: Voraussichtlich am 1. Juli 2023 startet Euclid von Cape Canaveral in den USA zu seiner Mission, die grossräumige Anordnung von Galaxien mit bis zu 10 Milliarden Lichtjahren Entfernung von der Erde in einer 3D-Karte aufzuzeichnen. Diese einmalige Aufnahme der Struktur des Kosmos soll Forschenden mehr über das Wesen der Dunklen Materie und der Dunklen Energie sowie über die Gesetze der Gravitation verraten.

Indirekte Beobachtung durch Lupeneffekt

"Als Dunkle Materie bezeichnen wir Materie, die kein Licht emittiert, absorbiert oder reflektiert", erklärt Francesca Lepori, Kosmologin am Center for Theoretical Astrophysics and Cosmology der UZH. Die unsichtbare Masse gestaltet es für die Forschenden schwierig, sie zu studieren. Doch dass da noch etwas sein muss, scheint klar: "Die beobachtete Anordnung der Galaxien lässt sich mit der Allgemeinen Relativitätstheorie nicht erklären – ausser es ist mehr Masse vorhanden, als wir sehen können", fasst Lepori zusammen.

Die einzige Möglichkeit Dunkle Materie zu studieren, ist über deren Wechselwirkung mit der Gravitationskraft. An Bord von Euclid befindet sich daher das sogenannte "VISible Instrument" (VIS), das die Galaxien ungeheuer präzise abbilden kann. "Aus den Bildern messen wir, wie verzerrt die Galaxien erscheinen", erklärt Lepori.

Diese Verzerrung findet aufgrund des sogenannten Gravitationslinseneffekts statt: Dabei lenkt Masse, die zwischen dem Teleskop und der beobachteten Galaxie liegt, das Licht wie bei einer Lupe um, woraufhin die dahinterliegende Galaxie verzerrt erscheint. "Dieser Effekt gibt uns Aufschluss darüber, wie viel Dunkle Materie zwischen Euclid und der beobachteten Galaxie liegt", sagt die Kosmologin.

Die Dunkle Energie dominiert

Seit 1998 beschäftigt die Forschenden ein weiteres unsichtbares Phänomen, das sich mit Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie nicht erklären lässt: Anhand von Messungen an explodierenden, extrem hellen Sternen (Supernovae) haben zwei Forschungsgruppen festgestellt, dass sich die Ausdehnung des Universums nicht – wie bisher angenommen – verlangsamt, sondern beschleunigt. «Diese Beschleunigung begann vor ungefähr 5 Milliarden Jahren», erklärt Lepori. "Sie ist von gewöhnlicher und dunkler Materie nicht zu erwarten. Wir führen daher die Ursache für die beschleunigte Expansion auf eine exotische Form von Energie zurück, die wir Dunkle Energie nennen."

Die einfachste Beschreibung, die die Forschenden derzeit für die Dunkle Energie haben, ist die Kosmologische Konstante: Sie besagt, dass sich die Dichte an Dunkler Energie über die gesamte Evolution des Kosmos nicht verändert. Da Euclid mit der Beobachtung von sehr weit entfernten Galaxien in die Anfänge des Universums vor 10 Milliarden Jahren zurückblickt, können die Forschenden untersuchen, ob sich die Dunkle Energie über die Zeit hinweg tatsächlich nicht verändert hat.

Informative Rotverschiebung

Ausschlussreichere Daten über die Ausdehnung des Universums und die treibende Dunkle Energie erhoffen sich die Forschenden vom zweiten Instrument an Bord von Euclid. Mit Hilfe des Nahinfrarot-Spektrometers und -photometers (NISP) können die Forschenden die sogenannte Rotverschiebung auswerten.

Ähnlich zum Dopplereffekt von Licht erscheinen Galaxien, die sich von uns wegbewegen "röter," denn die empfangene Wellenlänge des Lichts wird gedehnt. "Je weiter eine Galaxie von uns entfernt ist, desto schneller bewegt sie sich von der Erde weg", erklärt Lepori. "Aus der Rotverschiebung können wir auf die Entfernung zur Galaxie schliessen und erhalten Informationen über die Expansion des Universums."

Mit dem einfachen Modell der Kosmologischen Konstante möchte sich Lepori allerdings noch nicht zufriedengeben. "Ich hoffe, dass uns Euclid einen neuen Input liefert», sagt sie. "Beispielsweise ob sich die Dichte der Dunklen Energie im Laufe der Evolution des Universums verändert hat."

Doch auch über Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie könnte Euclid entscheidende Hinweise liefern. "Die Gesetze der Gravitation funktionieren auf den riesigen Massstäben nur, wenn wir die Dunklen Komponenten einführen", erklärt Lepori. Es sei allerdings auch möglich, dass die Allgemeine Relativitätstheorie im Massstab des Kosmos’ noch nicht korrekt ist. "Forschende haben viele komplexe Modelle modifizierter Gravitationstheorien entwickelt", sagt Lepori. "Doch nun brauchen wir die Beobachtungen von Euclid, die uns die Richtung weisen."

Beiträge der UZH

Lepori und neun weitere UZH-Forschende beteiligen sich daher an der wissenschaftlichen Auswertung der Weltraummission. Mehr als 2600 Forschende aus 100 Instituten in Europa, den USA, Kanada und Japan gehören dem Euclid Consortium der ESA an. Sie befassen sich mit einer grossen Bandbreite an Fragen von der wissenschaftlichen Zielsetzung über die Konstruktion der Messinstrumente bis hin zur Analyse und Auswertung der Daten.

"Als Teil der Theory Working Group untersuche ich, welche Effekte der Allgemeinen Relativitätstheorie für Euclid zentral sind und bei der Analyse berücksichtigt werden sollten", klärt Lepori über ihre Arbeit auf. Sie ist Postdoktorandin von Julian Adamek, SNF-Eccellenza Professor am Institute for Computational Science der UZH, der mit seinen numerischen Simulationen zur Euclid-Mission beiträgt. Adamek hat einen Code entwickelt, der die 3D-Verteilung von Materie unter der Allgemeinen Relativitätstheorie sowie unter modifizierten Gravitationstheorien nachbildet.

Die Simulation von UZH-Computerkosmologe Joachim Stadel und High Performance Computing-Spezialist Doug Potter hingegen bildet alle Galaxien ab, die Euclid observieren könnte. Sie wird unter anderem dazu genutzt, um die Analysetools an der immensen Menge von Daten zu testen.

Astrophysikprofessor Aurel Schneider spielt derweil unterschiedliche Szenarien von Dunkler Materie durch und untersucht, welche Effekte sie auf kosmologische Beobachtungen haben. Weitere Beiträge zum Euclid Consortium leisten die UZH-Forschenden Giovanni Arico’, Jeppe Mosgaard Dakin, Sebastian Schulz, Jozef Bucko und Jaiyul Yoo.

Gruppenbild Euclid

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der UZH, die an der Euclid-Mission beteiligt sind. (Source: UZH-News / Drohnenbild zVg)

Datenpipeline in Arbeit

Wenn Euclid im Juli seine Reise in den Weltraum startet, ändert sich die Arbeit der UZH-Forschenden vorerst noch nicht. Neben der Erkundung, was aus Euclid gelernt werden kann, arbeiten sie derzeit am Prozess und den Tools, um die Daten von Euclid zu verarbeiten und zu analysieren. "Sobald uns das erste Datenpaket erreicht, werden wir uns voll und ganz auf dessen Analyse fokussieren", sagt Lepori. Vermutlich werden die ersten Bilder von Euclid bereits Ende Jahr verfügbar sein.

The Universe

(Source: UZH-News / ESA)

Der Urknall vor 13.7 Milliarden Jahren

Das derzeit bewährteste Modell zur Entstehung des Universums ist die Urknalltheorie. Sie beschreibt die Entwicklung des Universums nach dem Urknall vor 13.7 Milliarden Jahren als Materie, Raum und Zeit entstanden. "Der Urknall ist nicht zwingend der Beginn des Universums, sondern ein Zeitpunkt, vor dem wir wissenschaftlich nichts aussagen können, weil es unserer Beobachtung nicht zugänglich ist", erklärt die Kosmologin Francesca Lepori.

In der ersten Phase nach dem Urknall dehnte sich das Universum rasant aus. Zu diesem Zeitpunkt bestand es aus einem fast homogenen Plasma von Elementarteilchen. Erst als das Universum immer mehr abkühlte, formten sich erste Atome und Photonen konnten sich abspalten. Es folgten die sogenannten "Dark Ages", in denen es noch keine Galaxien und keine sichtbaren Lichtquellen gab.

Ungefähr 200 Millionen Jahre nach dem Urknall begannen sich Sterne und Galaxien zu formen. Unter der Gravitationskraft bildeten die einzelnen Galaxien zunehmend eine grossräumige Struktur, die einem Netz aus Knotenpunkten und Verbindungen ähnelt – sie wird daher auch Cosmic Web genannt. Dazwischen befinden sich fast materienlose Regionen, sogenannte Voids.

Die Phase als sich die Struktur des Kosmos herausbildete nennt sich Materie-Ära, da sie durch die Gravitation und die Dunkle Materie angetrieben wurde. 5 Milliarden Jahre nach dem Urknall änderte sich jedoch die Dynamik des Universums: Anstatt sich weiter zu verlangsamen, beschleunigt sich die Ausdehnung des Alls bis heute. Dies erklären sich die Forschenden damit, dass die Dunkle Energie nun die Expansion dominiert.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf der UZH-Newsseite.

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