Die Welt als Computersimulation

Physiker stellt Simulationshypothese auf den Prüfstand

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Das Universum als Computersimulation - diese Vorstellung beflügelt nicht nur Filmschaffende und die Philosophie, sondern auch Naturwissenschaftler. Der Physiker Melvin Vopson will nun herausgefunden haben, wie man die Simulationshypothese empirisch untermauern kann.

(Source: JumalaSika ltd / Fotolia.com
(Source: JumalaSika ltd / Fotolia.com

Was heisst schon "real"? Ist das, was wir als Wirklichkeit wahrnehmen, auch objektiv gegeben, eher sozial konstruiert - oder alles nur simuliert? Die Vorstellung, wonach unser Universum das Produkt einer Simulation ist, beschäftigt nicht nur Science-Fiction-Freaks und Drehbuchautoren von Filmen wie "The Matrix", sondern auch die Philosophie. Und mittlerweile auch die Naturwissenschaften. 

Einer der ersten Wissenschaftler, der diesen Gedanken zu Papier brachte, war der deutsche Ingenieur und Erfinder Konrad Zuse, der als Schöpfer des ersten funktionsfähigen Computers gilt. Mitte der 1940er Jahre entwickelte Zuse die Idee, den Kosmos als "gigantische Rechenmaschine" aufzufassen. Die Überlegungen dazu, die er 1969 im Buch "Rechnender Raum" publizierte, stiessen in der damaligen Welt der Wissenschaft jedoch auf grosse Skepsis. 

Zwischen Spekulation und Wissenschaft

Auch aus heutiger Sicht gelten Zuses Ausführungen seiner Vorstellung des Universums als Computer als spekulativ. Doch die Idee dahinter ist inzwischen durchaus Gegenstand ernsthafter Auseinandersetzungen. Berühmt wurde insbesondere die Simulationshypothese des schwedischen Philosophen Nick Bostrom, der in seinem Buch "Are you living in a computer simulation?" (2003) die These formulierte, wonach es gut möglich sei, dass unsere Welt eine von Menschen erschaffene Simulation sei. Mehr darüber und zu den Argumenten, die für und gegen diese These sprechen, erfahren Sie im Hintergrundbeitrag "Wir leben so gut wie sicher in einer Computersimulation" von Marko Kovic

Für die Wissenschaft besteht jedoch ein grundsätzliches Problem. So spannend die These vom Universum als Simulation klingen mag - sie ist nicht widerlegbar. Zumindest nicht nach heutigem Kenntnisstand, vielleicht aber auch nie. Und in der Tradition des Kritischen Rationalismus gilt: Ist eine Theorie nicht falsifizierbar, ist es keine wissenschaftliche Theorie. 

Das bedeutet aber noch lange nicht, dass die Idee auf den Müllhaufen der Wissenschaftsgeschichte gehört. Ganz im Gegenteil. Sie regt Forschung an, die neue Erkenntnisse zutage fördert, die wiederum dazu führen, dass sich die Frage neu stellt. Einige solcher neuen Erkenntnisse machen aktuell von sich reden. 

Ein neues physikalisches Gesetz soll die These stützen

Der Physiker Melvin Vopson von der University of Portsmouth will ein neues physikalisches Gesetz entdeckt haben: das sogenannte "zweite Gesetz der Informationsdynamik". Er schlug dieses Gesetz in einem gleichnamigen Paper vor, das im Juli 2022 in der Fachzeitschrift "AIP Advances" erschien. Mit diesem Gesetz liessen sich genetische Mutationen in Organismen sowie Viren vorhersagen und ihre möglichen Folgen abschätzen, was unter anderem für die Genforschung und die Evolutionstheorie von grosser Bedeutung wäre. 

In einem weiteren Paper, das Vopson nun ebenfalls in "AIP Advances" publizierte, untersucht der Physiker die Auswirkungen des von ihm vorgeschlagenen Gesetzes auf weitere Forschungsgebiete, unter anderem auf die Kernphysik und die Kosmologie. Ziel des Physikers ist es, das Gesetz auf den Prüfstand zu stellen und herauszufinden, ob es die These des Universums als Computersimulation stützt. Zu diesem Zweck wolle er die Simulationshypothese denn auch "von der Welt der Philosophie in die Mainstream-Wissenschaft bringen", lässt er sich in einer Mitteilung seiner Universität zitieren. 

Der Physiker Melvin Vopson will die Simulationshypothese "von der Welt der Philosophie in die Mainstream-Wissenschaft bringen".

Der Physiker Melvin Vopson will die Simulationshypothese "von der Welt der Philosophie in die Mainstream-Wissenschaft bringen". (Source: port.ac.uk)

Informationen als Bausteine und als Materiezustand

Vopsons Forschung beruht auf der Annahme, dass Informationen die grundlegenden Bausteine des Universums sind. Man sollte sie demnach nicht nur als mathematische Konstrukte auffassen, sondern auch als fünften Materiezustand (neben fest, flüssig, gasförmig und Plasma). Allerdings wurde diese Annahme bislang nicht bestätigt - sie stösst in Fachkreisen auch auf Skepsis, wie der Physiker in den Schlussfolgerungen des neuen Papers anmerkt. 

Wie sich diese Annahme experimentell überprüfen liesse, erklärt Vopson in einem Videointerview. Stimmt seine Vermutung, hätten Informationen eine Masse, wenn auch nur eine sehr geringe. Die Idee besteht nun darin, diese Masse zu messen. Der Physiker stellt sich das folgendermassen vor: Man nehme ein Behältnis mit einem bestimmten Volumen an Informationen, messe die Masse dieses Volumens, lösche sämtliche Informationen und messe erneut. Stellt man anschliessend im Vergleich der beiden Messungen eine Reduktion der Masse fest, wäre dies ein erster Beweis dafür, dass Informationen tatsächlich eine Masse besitzen würden. 

Vopson räumt jedoch ein, dass selbst weiterführende und erfolgreiche Experimente keinen Beweis für die Simulationshypothese erbringen würden. Sie könnten höchstens empirische Befunde liefern, die das Konzept untermauern. 

Andererseits wären negative experimentelle Ergebnisse auch kein hinreichender Grund für die Annahme, dass die Hypothese falsch ist. "Es würde nur bedeuten: Schau genauer hin, da ist etwas dran", sagt er. 

Übrigens: Ein ganz anderes Konzept, das ebenfalls einen neuen Zustand der Materie darstellen soll, legte der US-amerikanische Physiker und Nobelpreisträger Frank Wilczek vor. Die Idee von sogenannten Zeitkristallen ist schwer vorstellbar, erinnert aber vom Prinzip her an ein Perpetuum Mobile. In Fachkreisen hielt man den Vorschlag für unmöglich - doch nun arbeiten Wissenschaftler mit Quantencomputern an entsprechenden Simulationen. Lesen Sie hier mehr dazu

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