Kick-off-Veranstaltung

Wortmann: "Die Bundesregierung scheint die Industrie und Wirtschaft aus dem Land zu treiben"

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von Marc Landis und cka

500 Gäste haben Mitte März im Schulungszentrum der Wortmann AG im ostwestfälischen Hüllhorst an der frühjährlichen Kick-off-Veranstaltung teilgenommen. Im Interview spricht Aufsichtsratsmitglied Sven Wortmann über ein gutes Geschäftsjahr, die Wichtigkeit von Partnern und die Regulierungswut der deutschen Bundesregierung.

Sven Wortmann spricht im Interview über ein gutes Geschäftsjahr trotz schlechter Rahmenbedingungen. (Source: Netzmedien)
Sven Wortmann spricht im Interview über ein gutes Geschäftsjahr trotz schlechter Rahmenbedingungen. (Source: Netzmedien)

Erst einmal Gratulation zum Umsatzrekord! 1 Milliarde Euro hat alleine die Wortmann AG aus Ihrer Firmengruppe erzielt. Wie zufrieden sind Sie mit diesem Ergebnis?

Sven Wortmann: Vielen Dank! Angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Lage und der Ergebnisse des vergangenen Jahres im Vergleich mit den Vorjahreszahlen sind wir sehr zufrieden. Man kann nicht erwarten, dass jedes Jahr eine massive Steigerung erfolgt. Wir sind rentabel gewachsen, was natürlich hauptsächlich von den Kosten abhängt. Wenn man diese im Griff hat, wächst die Rentabilität ebenfalls.

Sie haben die Wirtschaftslage angesprochen. Wie schwierig ist es unter der aktuellen Bundesregierung für ein deutsches Mittelstandsunternehmen rentabel zu wirtschaften?

Die Rahmenbedingungen in Deutschland werden zunehmend herausfordernder. Die aktuelle Bundesregierung scheint die Industrie und Wirtschaft aus dem Land zu treiben. Wenn die Regierung ihren Kurs in Sachen Bürokratie und Regulierung nicht ändert, könnten viele Unternehmen aus Deutschland abwandern. Rückblickend hätten wir die Wortmann-Cloud am deutschen Standort unter diesen Umständen, insbesondere hinsichtlich der Energiekosten, wohl nicht erweitert.

Was bedeuten diese Rahmenbedingungen konkret für Wortmann?

Es hat definitiv Einfluss. Wir versuchen, mit den Herausforderungen umzugehen, aber man kann nicht alles bewältigen. Angefangen beim Datenschutz bis hin zu neuen Gesetzgebungen wie dem Nachhaltigkeitsgesetz. Es ist fast unmöglich, alle Vorgaben einzuhalten, insbesondere wenn es um die Überprüfung der Lieferketten geht. Es ist wichtig, vorbereitet zu sein und die Vorschriften zu beachten, aber es bleibt abzuwarten, wie viel davon tatsächlich kontrolliert und umgesetzt wird. Deutschland neigt leider dazu, EU-Vorschriften "überzuinterpretieren", was zusätzliche Belastungen schafft. So ist die Ausgestaltung derselben EU-Regeln hierzulande viel härter als in anderen EU-Ländern.

In der Schweiz kennen wir das auch. Wir nennen es das "Musterschülersyndrom" … Zu einem anderen Thema: Sie sind im Hardwaregeschäft, in der Distribution und im Cloud-Bereich tätig. Das wirkt alles etwas zusammengewürfelt. Wie harmonieren die verschiedenen Bereiche, und wie sehen Sie die Zukunft im Hardware-Geschäft?

Unser Ansatz ist es, alles aus einer Hand anzubieten. Das mag von aussen etwas zusammengewürfelt erscheinen, aber bei uns findet jeder Kunde, was er benötigt – ob Cloud-Lösungen, Hardware, Distributionsartikel oder Dienstleistungen. Der Hardware-Markt ist sehr herausfordernd, und die Nachfrage rückläufig. Wir beobachten, dass die Stückzahlennachfrage gerade in Deutschland schwierig bleibt, aber wir erwarten eine Verbesserung im nächsten Jahr. Unser Fokus liegt auf dem Businessumfeld, das uns vor extremen Einbussen bewahrt hat. Trotz des Rückgangs im Hardwaregeschäft sehen wir Potenzial für Wachstum und können Marktanteile von Mitbewerbern gewinnen.

Welcher Bereich Ihres Geschäfts bereitet Ihnen die grösste Freude, und wo sehen Sie das grösste Wachstumspotenzial?

Obwohl uns alle Geschäftsbereiche Freude bereiten und profitabel sind, sticht das Cloud-Business besonders hervor. Hier sehen wir das grösste Wachstumspotenzial und es ist der am stärksten wachsende Bereich in unserem Unternehmen. Er repräsentiert die Zukunft. Die Prognosen für Datenmengen und die Nachfrage im Cloud-Segment sind sehr positiv, und wir sehen hier ein deutliches Wachstumspotenzial.

Sie setzen ja ausschliesslich auf den Vertrieb über Partner …

Genau, wir fokussieren uns hundertprozentig auf den Vertrieb über Partner und betreiben keine Direktgeschäfte. Das Partner-Modell ist ein Schlüsselfaktor unseres Erfolges. Unser Umsatz wäre undenkbar ohne dieses Netzwerk von 16'000 einkaufenden Partnern. Diese Strategie hat sich in den 38 Jahren seit unserer Gründung bewährt und wird auch in Zukunft beibehalten. Wir wollen nicht zur Konkurrenz für unsere Kunden werden. 

Direktverkäufe werden für Wortmann also nie eine Option sein?

Niemals. Andere Hersteller mögen ihre Produkte direkt anbieten, aber für uns bleibt die Strategie, ausschliesslich über Partner zu vertreiben, unverändert. Unser Erfolg und unsere Zukunft basieren auf unserem Partnermodell.

Was bedeutet Kundenservice für Wortmann?

Unsere Politik ist es, kulant zu sein und Lösungen zu finden, die unseren Kunden entgegenkommen. In 38 Jahren hatten wir nie einen Rechtsstreit, weil wir Konflikte immer am Verhandlungstisch lösen. Es ist wichtig, den besten Service zu bieten und fair zu beiden Seiten zu sein. Wir suchen immer nach einer partnerschaftlichen Lösung. Dieser Ansatz der Kulanz und des offenen Dialogs ist zentral für unsere Kundenbeziehungen.

Wie passt das Distributionsgeschäft mit den Produkten, die Sie nicht selbst herstellen, in Ihre Geschäftsstrategie?

Unser Geschäftsmodell basiert auf einem ausgewogenen Mix: 50 Prozent unseres Umsatzes stammt aus unserer Eigenmarke und 50 Prozent aus dem Distributionsgeschäft. Diese Mischung ist unser Erfolgsrezept. Wir konzentrieren uns auf Produkte, die wir hauptsächlich selbst verbauen, sowie auf ergänzende Artikel. Im Gegensatz zu Vollsortimentern, die ein umfassendes Produktportfolio bieten, fokussieren wir uns auf eine Nische, die gut zu unserer Strategie passt. Diese Balance ist für uns sehr gesund und bietet ein gutes Wachstumspotenzial.

Wie wollen Sie im Distributionsgeschäft weiter wachsen?

Das Wachstum im Distributionsgeschäft ist theoretisch einfacher zu realisieren als bei unserer Eigenmarke. Die Eigenmarke wächst mit unseren Systempartnern, während im Distributionsgeschäft eine Preisanpassung schnell zu höheren Verkaufszahlen führen kann. Allerdings streben wir nicht nach aggressivem Preiswettbewerb, der die Margen gefährdet. Wir sind finanziell gesund aufgestellt und nicht auf riskante Finanzierungsmethoden angewiesen, die andere Distributoren nutzen und die bei Zinsänderungen schnell problematisch werden können. Wir haben auch die Flexibilität, in bestimmten Situationen grössere Mengen zu kaufen und auf Preissteigerungen zu warten, um höhere Erträge zu realisieren.

Wie steht Wortmann zu neuen Technologien wie ChatGPT und deren Einsatz in Ihren Prozessen?

Zugegebenermassen haben wir uns noch nicht sehr intensiv mit Large Language Models wie ChatGPT oder Copilot beschäftigt. Persönlich bin ich kein grosser Befürworter dieser Technologien. Bis jetzt setzen wir solche Tools nicht grossflächig ein. Wir glauben an den Wert persönlicher und menschlicher Interaktion und möchten diesen so lange wie möglich beibehalten. Natürlich ist es unumgänglich, mit der technologischen Entwicklung Schritt zu halten, aber unsere Priorität liegt im direkten, menschlichen Kontakt zu unseren Kunden und Partnern.

Die Kick-Off-Veranstaltung hier in Hüllhorst scheint sehr erfolgreich zu sein. Wie zufrieden sind Sie mit dem Anlass?

Wir sind mit der Anzahl Teilnehmenden an der Kick-Off-Veranstaltung sehr zufrieden. Die Halle war schon vor der offiziellen Eröffnung heute um 9 Uhr gut gefüllt, was zeigt, dass unsere Partner ein echtes Interesse an der Veranstaltung haben und nicht nur für die abendlichen Feierlichkeiten kommen. Wir waren schnell ausgebucht und hätten mehr Gäste aufnehmen können, wenn wir für die Abendveranstaltung im Restaurant die Kapazitäten gehabt hätten. Die Resonanz und das Engagement unserer Partner bei solchen Veranstaltungen bestätigen, dass sie die Qualität und den Wert schätzen, den Wortmann bietet.

Wie hoch ist der Anteil neuer Kunden bzw. Partner bei dieser Veranstaltung, und welche Rolle spielt die Veranstaltung für die Neukundenakquise?

Es scheint, dass bei der diesjährigen Frühjahrsveranstaltung der Anteil der Teilnehmenden, die zum ersten Mal dabei sind, sehr hoch ist. In einem der Vorträge zeigte sich, dass etwa drei Viertel der Anwesenden neu waren. Diese Veranstaltungen sind besonders darauf ausgerichtet, neue Kunden oder Partner zu begrüssen und in unser Netzwerk einzuführen, während die Herbstveranstaltungen eher für etablierte Kunden gedacht sind. Der Mix aus neuen und langjährigen Partnern fördert auch das Networking und den Austausch untereinander. Die hohe Zahl an Neukunden bei dieser Veranstaltung unterstreicht unseren Erfolg in der Partnergewinnung und -bindung.

Wie wichtig ist der Schweizer Markt für Wortmann, und sehen Sie dort Wachstumspotenzial?

Der Schweizer Markt ist zwar im Verhältnis zu anderen Ländern, in denen wir vertreten sind, kleiner, aber für uns von grosser Bedeutung. Die Schweiz ist ein attraktiver Markt, nicht zuletzt wegen der Bereitschaft der Kunden, für gute Qualität angemessen zu bezahlen. Diese Wertschätzung für Qualität und faire Preise bildet die Basis unserer starken Partnerschaften in der Schweiz. Mit über 500 Partnern in der Schweiz sehen wir aber auch Raum für weiteres Wachstum und sind offen für die Gewinnung neuer Partner. Der Schweizer Markt bietet durch seine Besonderheiten und den Fokus auf Qualität gegenüber dem reinen Preiswettbewerb eine solide Grundlage für eine erfolgreiche Expansion und langfristiges Wachstum.

 

Zur Person: Sven Wortmann ist ausgebildeter Bankkaufmann und Mitglied des Aufsichtsrates der Wortmann AG. Im Familienunternehmen sammelte er Erfahrung und trug Verantwortung in Vertrieb und Einkauf. Zu seinen Interessen gehören seine Familie und Sport, etwa Fussball und Tennis. Die Wortmann AG ist Namenssponsor des Rasenturniers und bedeutendsten, zuschauerstärksten ATP-Tennisevents im deutschen Halle, das seit 2022 "Terra Wortmann Open" heisst.
 

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