Update: Berner Regierungsrat beharrt auf Epic-kompatibler Gesundheitsplattform
Mit einer Gesetzesrevision will der Kanton Bern eine digitale Gesundheitsplattform für Spitäler einführen. Der Verband Digitale Gesundheit warnt vor einem Epic-Zwang und plädiert für einen Kurswechsel. Doch für den Berner Regierungsrat bleibt zumindest die Kompatibilität mit Epic zentral.
Update vom 12.11.2025: Noch ist die digitale Gesundheitsplattform des Kantons Bern nicht beschlossene Sache. Doch wenn sie kommt, wird das Klinikinformationssystem Epic eine zentrale Rolle spielen. Dies bekräftigt zumindest der Berner Regierungsrat in seinen Stellungnahmen zu einer Motion und einer Interpellation. Beide wurden eingereicht von GLP-Grossrat Casimir von Arx und mitunterzeichnet von Politikern diverser Parteien von Links bis Rechts.
"Die Wahl der Software muss offenbleiben", fordert von Arx in der Motion. Etwas konkreter soll der Regierungsrat dafür sorgen, dass "keine weiteren vollendeten Tatsachen geschaffen werden", die den Grossen Rat bei der Wahl der Software für die digitale Gesundheitsplattform einschränken würden. Demnach soll es möglich bleiben, "eine digitale Gesundheitsplattform für den Kanton Bern einführen zu lassen, die auf einem anderen Produkt als Epic basiert bzw. die die Wahl des Produkts für die Leistungserbringerinnen und Leistungserbringer offenlässt."
Der Regierungsrat beantragt zwar die Annahme der Motion. In seiner Antwort hebt er jedoch die Wichtigkeit von Epic deutlich hervor: Es sei klar, "dass die digitale Gesundheitsplattform auf dem Tool aufbauen muss, das in der Insel Gruppe im Einsatz ist resp. mit diesem vollständig integriert werden kann", zumal die Insel-Gruppe der grösste Leistungserbringer im Kanton Bern sei.
Eine "digitale Gesundheitsplattform macht daher im Kanton Bern aus Versorgungs- und aus Public Health-Sicht nur Sinn, wenn die Insel Gruppe AG Teil davon ist. D.h. für die digitale Gesundheitsplattform des Kantons Bern kommt nur Epic als Basis in Frage oder aber ein System, welches mit Epic vollständig integriert werden kann." Nur so liessen sich die Potenziale und Ziele der Gesundheitsplattform erreichen.
In seinen Stellungnahmen hält der Regierungsrat mehrfach fest, dass nicht er, sondern die Führung der Insel-Gruppe entschieden habe, Epic einzuführen. "Dem Regierungsrat liegen weder das Angebot von Epic noch Vergleichsangebote vor, gegenüber denen sich Epic in der Ausschreibung durchsetzte", schreibt er in der Antwort auf die Interpellation. Darin lobt er Epic als eine Lösung, die viel weiter gehe als ein Klinikinformationssystem: "Epic ist ein patientenzentriertes System. Das heisst, alle Informationen fliessen in einer einzigen Patientenakte zusammen. Dadurch haben alle an der Behandlung beteiligten Fachpersonen jederzeit und überall eine ganzheitliche Sicht auf die Patientinnen und Patienten. Dies erhöht die Patientensicherheit sowie die Behandlungsqualität und fördert die interdisziplinäre und interprofessionelle Zusammenarbeit."
Mit der steigenden Durchdringung von Epic im Schweizer Markt werde auch der Datenaustausch mit den anderen Epic-Anwendern leichter. Der Regierungsrat findet, dass eigentlich das elektronische Patientendossier (EPD) für den Datenaustausch mit anderen Leistungserbringern prädestiniert wäre. Er räumt aber ein, dass "die aktuelle Ausgestaltung dies noch nicht in der gewünschten Form ermöglicht".
In der Motion äussert von Arx Bedenken zum Datenschutz in Verbindung mit Epic. "Der Quellcode von Epic ist proprietär und nicht offengelegt, die genaue Nutzung der Daten kann daher von Seiten der Berner Spitäler nicht überprüft werden", schreib er etwa. Der Regierungsrat antwortet darauf lediglich mit der Auskunft, zurzeit würden vertiefte Abklärungen zu Fragen des Datenschutzes vorgenommen.
Die Motion steht nun auf der Traktandenliste der Wintersession des Grossen Rates.
Übrigens bestätigte das Bundesgericht unlängst einen Zuschlag für Epic des Waadtländer Unispitals (CHUV ). Genauer wies das Gericht die Beschwerden von Kheops ab, wie Sie hier lesen können.
Originalmeldung vom 17.10.2025:
Kanton Bern möchte Einheits-KIS für alle Spitäler – und sorgt für Stirnrunzeln
"Es ist ein Motor der Transformation für digital vernetzte, patientenzentrierte und zukunftsorientierte Gesundheitsversorgung." Mit diesen Worten begründet die Regierung des Kantons Bern ihr Vorhaben, eine digitale Gesundheitsplattform für den Kanton zu bestimmen und einzuführen. Die rechtlichen Grundlagen will sie mit einer Teilrevision des Berner Spitalversorgungsgesetzes (SpVG). Die Vorlage war im Sommer 2025 in der Vernehmlassung.
Kosten und Nutzen
Das revidierte Gesetz würde den Berner Regierungsrat ermächtigen, "eine solche Gesundheitsplattform zu bezeichnen und ein Klinikinformationssystem für diese Gesundheitsplattform festzulegen", wie es im Vortrag zum der Vernehmlassung heisst. Damit solle die Zusammenarbeit zwischen den (Listen-)Spitälern erleichtert, Synergien genutzt und letztlich die Effizienz gesteigert werden. Oder: "Konnektivität bietet die Chance, die fragmentierte Struktur des Gesundheitswesens zu überwinden, alle Akteure miteinander zu vernetzen und einen reibungslosen Datenaustausch zu gewährleisten."
Verpflichtend sei die Nutzung der Plattform nicht – oder zumindest nicht für alle, wie der Regierungsrat schreibt. Doch mit dem Gesetz erhielte er zumindest die Kompetenz, "Spitäler mit Mehrheitsbeteiligung des Kantons zum Anschluss zu verpflichten, um das Potenzial für eine versorgungsübergreifende Systemplattform im Kanton Bern auszuschöpfen". Andere Spitäler könne der Kanton finanziell bei der Migration unterstützen.
Die Kosten für den Aufbau der Gesundheitsplattform schätzt der Regierungsrat auf 11 Millionen Franken. "Die Kosten für die Migration der einzelnen Spitäler sind ebenfalls beachtlich", fügt der Kanton hinzu. Ausserdem müssten die Spitäler mit im Vergleich zu heute höheren Betriebskosten rechnen, denen aber wiederum ein Nutzen gegenüber stehe. So könnten etwa "durch Automatisierung und digitale Prozesse administrative und operative Kosten reduziert werden".
Epic für alle
Welches Klinikinformationssystem (KIS) der Berner Regierungsrat einführen möchte, scheint auch schon klar: Es wäre das Produkt des US-amerikanischen Anbieters Epic. Die Insel-Gruppe, die unter anderem Berns grösstes Spital betreibt, führte das System 2024 erfolgreich ein, wie Sie im Interview mit Tech-Chef Pascal Schär lesen können. Tatsächlich führte Bern das Projekt "Digitale Gesundheitsplattform" ehemals unter dem Namen "Epic as a Service". Man wolle nun die Möglichkeit schaffen, "das KIS der Insel Gruppe AG auf andere Spitäler auszurollen", schreibt der Regierungsrat im Vortrag.
Es gebe auch in anderen Kantonen Bestrebungen zur Einführung eines einheitlichen KIS, heisst es weiter. Namentlich verweist Bern auf den Kanton Luzern, dessen Kantonsspital Epic 2019 einführte und damit nachweisbare Effizienzsteigerungen verzeichnete. Das Waadtländer Unispital wiederum habe ebenfalls ein KIS ausgeschrieben, welches explizit alle öffentlichen Krankenhäuser umfasse. Allerdings ist gegen diese Ausschreibung eine Beschwerde vor Bundesgericht hängig.
Vendor-Lock-in und Kosten
Wie dem Vortrag zur Vernehmlassung zu entnehmen ist, führte der Kanton Bern parallel zum vorliegenden Vernehmlassungsverfahren eine Marktanalyse durch. Dies, um die Vorgaben des öffentlichen Beschaffungsrechtes einzuhalten. Nach Erhalt der Marktanalyse werde "das korrekte Vorgehen festgelegt und der Vortrag entsprechend überarbeitet".
Das Vorhaben des Kantons Bern kommt nicht überall gut an. In einer Mitteilung stellt sich der Schweizerische Verband Digitale Gesundheit (SVDG) dagegen: Die Vorlage drohe, zentrale Prinzipien von Wettbewerb, Transparenz und Beschaffungsrecht auszuhebeln und den Kanton in eine riskante Abhängigkeit von einem einzigen Anbieter zu führen, schreibt der Verband. "Dass das Gesetz verabschiedet werden soll, bevor eine unabhängige Marktanalyse vorliegt, ist aus Sicht des SVDG nicht akzeptabel und widerspricht den Grundsätzen einer fairen und nachhaltigen Digitalisierung im Gesundheitswesen."
Durch die Wahl des KIS-Anbieters Epic sieht der Verband ferner besonders gravierende Risiken für Datenschutz und Souveränität: Er verweist auf den US Cloud Act, durch den die sensibelsten Gesundheitsdaten der Bevölkerung "dem Zugriff von US-Behörden ausgesetzt" seien.
Ausserdem, argumentiert der SVDG, schwäche die Vorlage das kantonale IT-Ökosystem und stehe im Widerspruch zu nationalen Initiativen wie dem Elektronischen Patientendossier (EPD) und dem Programm DigiSanté.
Kritisches Feedback kam auch aus der Stadt Biel. Deren Gemeinderat warnt vor den steigenden IT-Betriebskosten, wie der "Blick" berichtet. Er fordert den Kanton auf, sich auch an diesen Kosten zu beteiligen.
Lieber offene Schnittstellen
Für einen grundlegenden Kurswechsel spricht sich der SVDG aus: Er fordert den Kanton auf, verbindliche, offene Standards für Datenformate und Schnittstellen festzulegen. So entstehe eine "digitale Datenautobahn", auf der die Spitäler das für sie passende KIS wählen können. Verbandspräsident Jürg Lindenmann kommentiert: "Die Antwort des Regierungsrats heute auf die Herausforderungen der Zukunft ist unhaltbar: Ein Monopol ist immer der falsche Weg. Echte Innovation entsteht, wo man bei Standards kooperiert, aber bei Produkten konkurriert. Der "Berner Weg" bietet die Chance, nicht nur einen unkalkulierbaren Fehler zu vermeiden, sondern den Kanton Bern als Vorreiter für eine moderne, bürgernahe und souveräne digitale Gesundheitsversorgung zu positionieren."
Derweil ist KIS-Anbieter Epic auch in anderen Kantonen umstritten. Wie die Luzerner Regierung das System verteidigt, lesen Sie hier. Und mehr zum Epic-Zuschlag des Zürcher Unispitals erfahren Sie hier.
Franz Grüter tritt als Green-Verwaltungsratspräsident zurück
Parlament segnet neuen MINT-Bildungsgang ab
Cyberkriminelle machen Opfer ungefragt zu Geldwäschern
Betrugsversuche rund um die E-Vignette häufen sich
"Rocket Man" - fluppig vorgetragen durch William Shatner
ICT-Berufsbildung Schweiz macht Co-Vizepräsident zum neuen Präsidenten
Update: Berner Gemeinden erhalten zentrale Datenschutzstelle
FHNW lanciert Studienrichtung Security, Platforms & DevOps
Wie AWS für digitale Souveränität sorgen will