Porträt

"Wir sehen uns als interne IT-Abteilung des Kunden"

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Um innovativ zu sein und um Erfolg zu haben, muss man nicht in einer grossen Stadt wie Zürich sitzen. Andreas Schweizer und sein Geschäftspartner Andreas Wittwer beweisen es. Ihre Firma ist tief im Berner Mittelland zuhause. In einem Dorf mit weniger als 4000 Einwohnern. Schweizer und Wittwer betreuen von dort aus über 200 Kunden.

Andreas Schweizer, Geschäftsführer und Mitinhaber von Diverto. (Quelle: Netzmedien)
Andreas Schweizer, Geschäftsführer und Mitinhaber von Diverto. (Quelle: Netzmedien)

Oberdiessbach im Kanton Bern, Schulhausstrasse 6. "Gasthof Rebstock" prangt in altdeutscher Schrift über dem Eingang. Die Fassade ist mit Zeichnungen verziert. Bilder von Menschen, die Trauben ernten. Im "Rebstock" bekommt man weder Bier noch Wein. Nicht mehr. Heute hat die Firma Diverto ihren Sitz in dem Gasthaus.

Zwölf Mitarbeiter entwickeln hier Cloud-Services, überwachen Infrastrukturen und brechen zu Kundenbesuchen auf. Nach Thun, nach Bern und manchmal auch nach Zürich.

Diverto entstand aus einer Fusion, wie Andreas Schweizer sagt. Der CEO der heutigen Firma steht vor einer Wandtafel. Wo früher Cordon bleu und Bier gereicht wurden zeichnet er eine Art Organigramm. Mit einem dicken Marker zieht er Striche und schreibt zwei Namen auf. "APS Informatik" und "Buco Support". Schweizer umkreist "APS Informatik". Es ist seine eigene Firma, die er 2005 gründete. "Buco Support" war die Firma seines Geschäftspartners Andreas Wittwer.

Von loser Zusammenarbeit zur gemeinsamen Firma

Wie fanden sich die beiden? "Hier im Emmental spricht man noch miteinander", sagt Schweizer. Wenn er etwa bei einem Kunden in Thun war und ihm ein Netzteil fehlte, sei er, statt bis nach Langnau zu fahren, bei Wittwer in Oberdiessbach vorbeigegangen. Der schickte ihm später eine Rechnung für das Netzteil. "Es war eine lose Zusammenarbeit", sagt Schweizer. Beide Firmen waren damals in etwa gleich gross, hatten fünf, sechs Mitarbeiter. Beide Firmen traten als Systemintegratoren auf, installierten Hardware bei ihren Kunden vor Ort. Wittwer habe nebenbei auch ERP-Software für KMUs verkauft, Schweizer Schulungen angeboten. Irgendwann, bei einem gemeinsamen Mittagessen, sprachen sie über ihre Zusammenarbeit. Es sei ja eigentlich verrückt, was sie da betrieben. Beide machten mehr oder weniger das Gleiche, beide hatten einen eigenen Büroapparat, beide schrieben Rechnungen. Mitunter sich gegenseitig.

Wittwer und Schweizer entschieden sich, etwas zu ändern. Zum 1. Januar 2012 vereinten sie ihre Firmen. Wittwers Firma, Buco Support, wurde zur Muttergesellschaft, da sie über mehr Kapital verfügte. Den Namen änderten Schweizer und Wittwer, weil sie den fortan gemeinsamen Kunden nicht das Gefühl geben wollten, das die eine Firma die andere aufgekauft habe. Im neuen Namen sollte das Wort Informatik oder IT nicht mehr vorkommen, die gemeinsame Firma sollte nicht als "Nullachtfünfzehn-IT-Anbieter" daherkommen, wie Schweizer sagt. Diverto stehe in Anlehnung ans Italienische für "Spass haben" und "Diversifizieren".

Eigene Cloud in Berner Rechenzentren

Was unterscheidet Diverto von anderen IT-Firmen? Schweizer und Wittwer verkaufen heute zwar immer noch Hardware, zum Umsatz der gemeinsamen Firma trägt das aber nur noch eingeschränkt bei. "50 Prozent unseres Umsatzes machen wir mit Cloud-Services", sagt Schweizer. Die Übergänge seien allerdings fliessend. Sie hätten immer noch Kunden, die nicht oder nicht ausschliesslich in die Cloud wollten. Diesen Kunden bieten Schweizer und sein Team hybride Lösungen an. 

Die "Diverto Cloud", wie Schweizer seine Services zusammenfasst, wird in zwei Rechenzentren des Berner Colocation-Anbieters NTS gehostet. Diverto bietet unter dem Label "Diverto Cloud" Hosted Exchange, Online- und Managed-Back-up, Anti-Spam und Anti-Virus, CMS-Hosting sowie Infrastructure-as-a-Service. Für Kunden, die ihre Daten nicht zwingend in der Schweiz wissen wollen, bieten Schweizer und sein Team Microsofts Office 365 und die Azure-Cloud an.

Die Dienste aus der eigenen Cloud berechnet Diverto zu einem monatlichen Fixpreis. Warum nicht Pay-per-Use? "Wir haben viele KMU-Kunden, die wollen genau wissen, was monatlich auf sie zu kommt", sagt Schweizer. Der Kunde könne ausserdem wählen, was ihm besser passe. Microsoft berechne die Dienste je nach bezogener Leistung. Viele Kunden würden allerdings beides nutzen. Unkritische Daten verarbeiten sie bei Microsoft, kritische Daten in der Diverto-Cloud in Bern, wie Schweizer sagt.

Fixpreis heisst aber nicht, dass Kunden nicht kurz­fristig mehr Leistung beziehen könnten. Brauche ein Kunde etwa am 10. eines Monats plötzlich mehr Arbeitsspeicher, ­bekomme er das. Allerdings zahle er dann für den ganzen Monat.

Noch kein Selfservice-Portal

Das scheint kein Problem für die Kunden zu sein. Das Einzige, was sie daran stören könnte: "Wir haben noch kein Selfservice-Portal", sagt Schweizer. Er und sein Team würden aber derzeit eines entwickeln. Gemeinsam mit dem amerikanischen Anbieter Virtuworks. Das künftige System werde auf dessen Projekt "MSP Control" basieren. Damit könne man etwa Microsoft Hyper-V oder Office 365 verwalten. Die Kunden sollen dann selbst Lizenzen erneuern, neue User aufschalten oder ein Exchange-Postfach eröffnen können. Sofern sie das denn wollen.

Wer sind die Kunden von Diverto? "Im Cloud-Geschäft bedienen wir derzeit vor allem Kleinfirmen", sagt Schweizer. Firmen, die keinen eigenen Server wollen, die zwei, drei Mitarbeiter haben und von überall aus auf ihre Daten zugreifen wollen. Diverto betreue aber auch grössere Unternehmen bis etwa 50 Mitarbeiter. "Grundsätzlich adressieren wir das klassische KMU. Ohne uns auf eine bestimmte Branche zu beschränken", sagt Schweizer. "Wir versuchen, genau zu kommunizieren, was wir bieten können." Der Kunde müsse dann selbst abschätzen, ob ihm das passe. Entsprechend bunt gemischt ist die Kundenliste. Sie reicht von Ärzten über Notare und Schreiner bis zur öffentlichen Hand. Das Geschäft mit Letzterer sei allerdings ein hart umkämpftes, sehr schwieriges Feld. "Wir ziehen uns hier eher wieder zurück. Es gibt genug Mitbewerber, die sich in dem Markt tummeln", sagt Schweizer.

Woher die Kunden kommen, spielt für Schweizer keine Rolle. Nur bei Kunden mit lokaler Infrastruktur schaue er genauer hin. Auf Anfahrtswege von mehr als zwei Stunden verzichte er in der Regel. Insgesamt betreuen Schweizer und sein Team ungefähr 250 Kunden, wie er sagt. Ein Grossteil von ihnen will vor allem eines: Nichts mit der IT zu tun haben. "Sie wollen sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren und sind froh, wenn die IT einfach läuft." Der Rest der Kunden habe eine kleine eigene IT-Abteilung oder jemanden, der sehr technikaffin sei. Diverto ist da mehr der "Second Level", wie Schweizer sagt. Weiss der Kunde selbst nicht weiter, komme das Diverto-Team zum Zug.

Schweizer erwartet im Gegenzug von seinen Kunden, dass sie der IT einen gewissen Stellenwert beimessen, dass sie bereit sind, zu investieren. "Jemandem, der nichts in die IT investieren will, kann man keine Dienstleistung bieten, mit der er am Ende zufrieden ist", sagt Schweizer. Für ihn sei es wichtig, den Kunden so gut kennenzulernen, dass er dessen interne Prozesse verbessern kann. "Wir sehen uns als interne IT-Abteilung des Kunden."

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