Vis-à-vis Walter Jäger, Kaspersky

Wo und warum es dem Channel an Ressourcen fehlt

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von Coen Kaat

Seit Ende Mai hat Kaspersky eine neue Schweizer Adresse. Der russische Cybersecurity-Anbieter zog vom Anfang zur Mitte der Zürcher Bahnhofstrasse. Im Interview sagt Walter Jäger, Country Manager Austria & Switzerland, was die neuen Büros zu bieten haben, was der Channel aktuell braucht und was 2022 kommt.

Walter Jäger, Country Manager Austria & Switzerland bei Kaspersky. (Source: Netzmedien)
Walter Jäger, Country Manager Austria & Switzerland bei Kaspersky. (Source: Netzmedien)

Wie gut konnten Sie sich bereits in den neuen Räumlichkeiten einleben?

Walter Jäger: Wir haben uns schon perfekt eingelebt.

Wie war es, während der Pandemie umzuziehen?

Für uns war das ein guter Zeitpunkt, denn so konnten wir den Umzug eigentlich ohne Betriebsunterbrechungen durchführen. Die Massnahmen machten vieles einfacher. Es fanden ja beispielsweise gar keine Termine mit Kunden oder Partnern statt. Das heisst, dass wir uns wirklich die nötige Zeit nehmen konnten, verschiedene Standorte anzuschauen und den richtigen auszuwählen. Ausserdem konnten wir in Ruhe die richtigen Möbel aussuchen, denn Ergonomie am Arbeitsplatz ist mir sehr wichtig. Corona-bedingt waren unsere Mitarbeitenden natürlich auch weniger im Büro. So hatte der Lieferant die Möglichkeit, hier alles ohne Zeitdruck aufzustellen und einzurichten und Swisscom die Glasfaser anschliessen zu lassen. Von da an lief der Betrieb ganz normal weiter - einfach etwa 250 Meter weiter als zuvor.

Sind Sie umgezogen, nur um dann wegen der Homeoffice-Pflicht, die damals noch galt, von zuhause aus zu arbeiten?

Wir sind umgezogen, weil wir den Anspruch haben, unseren Partnern, Kunden und Mitarbeitenden ein ansprechendes Umfeld zu bieten. Ein eigenes Umfeld. Zuvor waren wir ja Untermieter bei Regus. Diese neuen Büros gehören nun ganz uns. Das erzeugt eine ganz andere Atmosphäre. Ich will, dass sich meine Mitarbeitenden bei der Arbeit wohlfühlen können. Wer sich im Büro wie daheim fühlt, bringt auch seine Höchstleistung. Und dafür ist das hier der ideale Standort: Wir sind direkt an der Bahnhofstrasse. Bei schönem Wetter kann man rasch gemütlich zum See spazieren. Das sind Mehrwerte, die den Mitarbeitenden guttun und die sie auch schätzen.

Was haben die neuen Büros zu bieten, was die vorherigen nicht hatten?

Jetzt haben wir eigene Räume für die einzelnen Geschäftseinheiten. Besonders schön ist es natürlich auch, einen Meetingraum zu haben, der uns gehört und uns somit auch frei zur Verfügung steht. Bei Regus mussten wir den jeweils zusätzlich mieten. Nun können wir Besucher in der richtigen Kaspersky-Atmosphäre empfangen.

Weshalb haben Sie sich für einen Standort mitten in Zürich entschieden? Sind da die Mieten nicht viel höher als etwa für vergleichbare Räumlichkeiten in einem Vorort der Stadt?

Im Vergleich zu vorher, als wir noch Untermieter waren, sind diese neuen Räumlichkeiten wesentlich günstiger. Der viel wichtigere Faktor war jedoch die Anbindung an die öffentlichen Verkehrsmittel. Mit dem neuen Standort an der Bahnhofstrasse sind wir noch zentraler, sodass wir unsere Schweizer Partner und Kunden noch intensiver betreuen können. Um vom Flughafen zum Hauptbahnhof zu kommen, braucht man nur 8 Minuten. Das ist sehr praktisch, wenn wir etwa jemanden vom Hauptquartier einfliegen. Und auch unsere Partner fahren gerne mit dem ÖV.

Kann man die neuen Büros auch als ein Investment von ­Kaspersky in den Schweizer Standort deuten? Ist etwa ein Ausbau des Schweizer Teams geplant?

Wir arbeiten stets daran, einen erstklassigen Service für Partner und Kunden zu bieten. Das schliesst mit ein, dass wir unser Team entsprechend ausbauen und weiterbilden. Unser langjähriger Kollege Jean-Claude Paquier ist Anfang Juni in den Ruhestand gegangen. Aber wir freuen uns, einen alten Kollegen seitdem wieder im Team zu haben: René Bodmer. Übrigens arbeite ich nun schon seit 15 Jahren für Kaspersky Schweiz; in der Zeit hat noch kein Schweizer Mitarbeiter gekündigt. Genauere Angaben zu dem Thema kann ich zurzeit nicht machen. Der nächste Ausbau wird aber wohl eher in Österreich stattfinden.

Was bedeutet der Umzug für die Partner und Kunden?

Unsere Partner und Kunden schätzen die neuen Büroräumlichkeiten. Sie kommen rein und sagen als erstes einfach "Toll!" Gerade für die Distribution waren die neuen Büroräumlichkeiten beim Quarterly Business Review Meeting (QBR) sehr ansprechend. Die neue Kaffeemaschine hilft dabei auch. Eine Espresso-Maschine, die ich schon sehr liebe. Schade nur, dass sie heute Morgen bereits ausgefallen ist.

Gibt es weitere Massnahmen, die Ihnen wichtig sind, um die Zufriedenheit der Mitarbeitenden zu erhöhen?

Wir investieren auch viel in die Weiterbildung. Dabei geht es nicht nur um Hardskills, wie etwa Verkaufs- oder Präsentationstechniken. Wir bieten beispielsweise auch Sprachkurse an. Was mir besonders am Herzen liegt, ist das Thema Zeitmanagement. Das ist einer der wichtigsten Faktoren, um unternehmerische und private Aspekte miteinander zu vereinbaren. Und die müssen vereinbar sein. Jeder, der für mich arbeitet, soll auch noch sein Privatleben haben können. Das ist in IT-Unternehmen nicht immer gewährleistet. Ich musste auch die andere Seite kennenlernen: Unternehmen, in denen man auch mal abends um 20 oder 22 Uhr noch einen Conference Call hatte. Bei Kaspersky gibt es das nicht.

Was müssen Ihre Partner jetzt wissen, um optimal ­Cybersecurity- beziehungsweise Kaspersky-Produkte verkaufen zu können?

Eine aktuelle Umfrage unter 1500 Entscheidungsträgern in Europa gibt uns diesbezüglich wertvolle Erkenntnisse. Die Umfrage zeigte zum Beispiel, dass jeder 10. verhinderte Cybersicherheitsvorfall in Unternehmen schwerwiegend ist. Die Hälfte der Befragten gab zudem an, Schwierigkeiten zu haben, Mittel für die Verbesserung der Cybersicherheit für ihr Unternehmen zu erhalten. Solche Faktoren beeinflussen unsere Strategie natürlich massgeblich.

Was meinen Sie in dem Zusammenhang mit "schwerwiegend"?

Die Kosten einer Datenpanne für Grossunternehmen in Europa belaufen sich durchschnittlich auf 1,1 Millionen und für KMUs auf 95 000 US-Dollar. Diese Kosten sind im Durchschnitt in den vergangenen Jahren gesunken. Das zeigt: getätigte Investitionen in geeignete und moderne Cybersicherheitslösungen wie Endpoint Detection and Response (EDR) oder Managed Detection and Response (MDR) zahlen sich aus.

Wo liegt da das Geschäftspotenzial für die Channelpartner?

Besonders für Partner, die sich auf mittelständische Unternehmen konzentrieren, stellt EDR eine Chance dar, da diese vom Fachkräftemangel besonders getroffen sind und daher nicht alle Faktoren der Cybersicherheit mit unternehmenseigenen Sicherheitsexperten abdecken können. EDR als Managed Service kann sie hierbei unterstützen. Denn die Endpunktsicherheit wird hier an Dienstleister mit Fokus auf Security ausgelagert. Dies ermöglicht es der eigenen IT-Abteilung, sich auf Kernkompetenzen zu konzentrieren, ohne dass die Unternehmenssicherheit darunter leidet. Generell gilt, das riesige Marktpotenzial für Managed Service Provider im IT-Sicherheitsbereich zu nutzen.

Wie gross ist die Nachfrage nach derartigen Services im KMU-Segment?

Eigentlich setzen wir die Lösungen eher im mittleren Segment an. Aber auch im KMU-Bereich ist die Nachfrage nach MDR gross. Das überraschte mich selbst ebenfalls. Die Kunden sind sich heute bewusst, dass man über Services eine bessere Lösung erhalten kann. Entsprechend stark wächst zurzeit der MSP-Bereich.

Wie gut ist der Channel für diese steigende Nachfrage gerüstet?

Teilweise habe ich den Eindruck, dass dem Fachhandel die nötigen Ressourcen fehlen, um wirklich alle Kundenbedürfnisse abzudecken. Es ist essenziell, dass die Partner auf die Bedürfnisse ihrer Kunden eingehen und diese auch vernünftig beraten. Warum brauchen sie EDR? Warum brauchen sie MDR? Wie sieht die Kosten-Nutzen-Rechnung aus, wenn wirklich etwas passiert?

Was sollten die Partner Ihrer Meinung nach anders machen?

Es ist ja nicht so, dass wir uns nur um die Top-Enterprise-Kunden kümmern und den Channel den Rest alleine machen lassen. Es ist mir wichtig, dass wir gemeinsam mit den Partnern zu den Kunden gehen und dabei eine beratende Rolle einnehmen. Die meisten Gold- und Platinum-Partner machen in dieser Hinsicht zwar schon einen sehr guten Job, aber es gibt dennoch viele Partner, denen es an den nötigen Ressourcen mangelt. Die sind bereits zu 120 Prozent ausgelastet.

Also liegt der erwähnte Ressourcenmangel einfach an der Übersättigung der Partner?

Es ist nicht so, dass diese Partner per se etwas gegen neue Geschäfte haben. Aber die Bestandskunden sind alle treu und die Umsatzzahlen stimmen auch alle. Das Problem ist allerdings, dass viele Kunden alte Security-Systeme im Einsatz haben. Diese Kunden wären durchaus bereit, mehr zu investieren - wenn sie wüssten, worin sie investieren sollten. Da es den Partnern aber an Zeit und Ressourcen mangelt, bleibt diese wichtige Beratung aus - und folglich auch die Investition in die Cybersecurity. Um Kunden wirklich auf den neuesten Stand der Technik bringen zu können, braucht es nun mal Ressourcen und Zeit.

Wie wollen Sie die Partner für das MSP-Geschäft begeistern?

Hier besteht weiterhin ein enormes Geschäftspotenzial! Kaspersky unterstützt Vertriebspartner bei der Entwicklung ihrer EDR- und MDR-Roadmap für 2022. Wir unterstützen unsere Partner so stark, wie wir das bereits seit Jahren tun: Wir bieten ein breites, dediziertes Angebot für MSPs sowie ein eigenes MSP-Programm mit einem innovativen und zukunftsweisenden Lösungs- und Serviceportfolio, das die Sicherheitsbedürfnisse von Unternehmen jeglicher Grösse abdeckt. Darüber hinaus gibt es vielfältige Up- und Cross-Selling-Möglichkeiten sowie Unterstützung mit Marketing-Material.

Gibt es auch Partner, die sich überhaupt nicht für dafür interessieren?

Ja, die haben wir auch. Die verpassen leider ein enormes Geschäftspotenzial.

Wie gehen Sie mit diesen Partnern um?

Ich glaube nicht, dass das MSP-Geschäft der einzige Treiber auf dem Markt sein wird. Ich glaube, dass es vielleicht ein Drittel des Marktes ausmachen wird - wenn überhaupt. Klar, ich empfehle jedem Fachhändler, zum MSP zu werden. Aber den klassischen Fachhandel wird es parallel weiterhin geben. Warum sollte man auch nicht weiterhin ganz normal Lizenzen kaufen und verkaufen können? Wir bieten alle Möglichkeiten an. Es ist also egal, ob man monatlich, jährlich oder pro Lizenz abrechnet. Es ist halt auch ein wenig eine Einstellungssache - so wie die Kleidung. Die einen ziehen Turnschuhe zum Sakko an, die anderen lackierte Schuhe. Passen tut aber beides.

Zu Beginn des vergangenen Jahres wurden die Hürden für die verschiedenen Partnerstatus gesenkt. Die Änderung erfolgte, nachdem Stimmen im Channel die ursprünglichen Hürden als zu hoch empfanden. Wie zufrieden sind Kaspersky und die Partner mit den neuen Umsatzanforderungen?

Wir haben damals auf die Stimmen, Meinungen und Anregungen unserer Partner gehört und diese sind nun zufrieden, dass wir ihre Änderungswünsche umgesetzt haben.

Wie läuft es mit dem Consumer-Geschäft in der Schweiz?

Das wächst schon seit 15 Jahren. Auch dieses Jahr legen wir wieder im zweistelligen Prozentbereich zu. Ein Faktor ist wohl die Stärke unserer Marke: Die Kunden vertrauen unseren Produkten. Es hilft natürlich auch, dass die meisten Tests unsere Lösungen unter den Top 3 platzieren. Aber wieso wir so dermassen stark wachsen, frage ich mich eigentlich selbst ein wenig. Gross in Marketing investieren wir aktuell nicht. Sie können sich aber schon mal auf etwas gefasst machen: Voraussichtlich im zweiten Quartal 2022 machen wir noch ein richtiges Fass auf! Die ersten Eckdaten habe ich bereits gesehen. Das wird wirklich ein Big Bang! Aber mehr sage ich an dieser Stelle nicht dazu (lacht).

Wie lautet Ihre persönliche Botschaft an Ihre Channelpartner?

Wer jetzt nicht auf EDR und MDR im eigenen Portfolio setzt, verpasst den Anschluss an aktuelle und zukünftige Umsätze im Cybersicherheitsbereich. Unser Portfolio in dem Bereich bietet Channelpartnern ein enormes Wachstumspotenzial, indem es den Mangel an externen Sicherheitsexperten ausgleicht und die starke Marktnachfrage nach modernen Lösungsansätzen bedient. Darüber hinaus können sie durch zusätzliche und beratungsintensive Dienstleistungen weitere Geschäftsfelder für sich abdecken und sich bei ihren Kunden als externe IT-Sicherheitsexperten auf Augenhöhe etablieren.

Persönlich: Walter Jäger - seit 2006 bei Kaspersky und seit 2009 als Country Manager Austria & Switzerland - verfügt über 30 Jahre Erfahrung in der Telekommunikations- und IT-Branche in leitenden Positionen. Bevor er zu Kaspersky kam, war er als Geschäfts­leiter und Account Manager unter anderem für Trade Up Distributions, Clareo, Lucent Technologies, Datrac, Datawave SA Perly und Steam Computer tätig. Nach seiner Ausbildung zum Elektro­anlageninstallateur sowie Energieanlagenelektroniker arbeitete er unter anderem als technischer Mitarbeiter am Paul Scherer Institut Villingen am Forschungsprojekt der Krebsliga Schweiz in der Gruppe Pionen-Physik. (Source: Kaspersky)

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