Oliver Hunziker, Reich + Nievergelt

"Wir gehen den anderen Weg"

Uhr

Alle propagieren die Cloud. Grosse Hersteller und lokale Anbieter gleichermassen. Oliver Hunziker gefällt die Idee der Cloud. An der Umsetzung hat er aber Zweifel.

Oliver Hunziker ist IT-Consultant und Abteilungsleiter IT bei Reich + Nievergelt.
Oliver Hunziker ist IT-Consultant und Abteilungsleiter IT bei Reich + Nievergelt.

"Wir verschliessen uns nicht vor der Cloud", sagt Oliver Hunziker. "Aber ich versuche unseren Kunden aufzuzeigen, was Cloud wirklich heisst."

Hunziker sitzt im Bederhof an der Bederstrasse in Zürich. Das Restaurant grenzt direkt an sein Büro. Im Restaurant kennt man Hunziker, begrüsst ihn wie einen alten Freund.

Seine Hand greift zum Espresso. Er nippt nur daran, stellt die Tasse zurück. "Ich habe mir einfach ein paar Gedanken zur Sicherheit in der Cloud gemacht", sagt er. "Nicht wegen der NSA", schiebt er nach. Das sei nur ein Verkaufsschlagwort.

Hard- und Software waren immer schon Nebensache

Hunziker ist IT-Berater. Vor über 20 Jahren löste er mit seiner Firma Computer-Doctors PC-Probleme, schulte Kunden, reparierte defekte Systeme. Verkauf von Hard- und Software war für ihn schon damals nur eine Nebensache.

Heute sieht er sich als IT-Leiter seiner Kunden. "Eine Firma mit 15 Mitarbeitern braucht auf den ersten Blick keinen IT-Leiter", sagt Hunziker. Sie würde aber doch einen brauchen. Einen mit einem 5-Prozent-Pensum. "Das übernehmen wir."

"Wir", das ist das Team von Reich + Nievergelt, ein ehemaliger Kunde Hunzikers. Er bediente ihn schon mit seiner Firma Computer-Doctors. Das blieb auch so, als er seine Einzelfirma im Jahr 2002 mit IT Unit, der Firma seines Geschäftspartners Giacomo Possamai, zusammenlegte.

Reich + Nievergelt kommt aus der Elektrobranche. Telematik, Elektroinstallationen, Solaranlagen, Gebäude­sicherheit. Wann immer Hunziker in Kontakt mit seinem Kunden stand, sah er Potenzial für Synergien. Vor zehn Jahren ging IT Unit dann in Reich + Nievergelt auf. "Für uns war es ein Schritt nach vorn", sagt Hunziker. "Wir waren eine kleine Firma mit vier Mitarbeitern." Es lief nicht schlecht, aber auch nicht wirklich gut, wie Hunziker sagt. Reich + Nievergelt lieferte Hunziker und Possamai den nötigen Schub, die nötige Grösse, die ihnen damals fehlte. Umgekehrt rundete IT Unit das Angebot des einstigen Kunden ab.

Kunden mit den grundlegenden Fragen konfrontieren

Hunziker bedient häufig Unternehmer. Menschen, die etwas aus dem Nichts aufgebaut hätten. "Die haben eine ganz andere Beziehung zu ihrer Firma als irgendein Manager", sagt Hunziker. Wenn so ein Kunde in die Cloud wolle, konfrontiere er ihn mit grundlegenden Fragen zur Cloud. Er erzählt ihnen von seinen Gedanken zur Sicherheit.

"Weisst du, wo deine Daten nachher sind? Weisst du, was du machen musst, wenn etwas nicht läuft? Hast du dann Zugriff? Kannst du dann da reinlaufen und sagen: Gib das Zeug her, ich will nicht mehr?" Wenn man dann von der Microsoft-Cloud rede, von Amazon, von den grossen Anbietern, merke man schnell, dass das nicht gehe, sagt er. Kleine Unternehmen seien den Anbietern ausgeliefert.

"Wir gehen den anderen Weg", sagt Hunziker. Er virtualisiert Server beim Kunden vor Ort oder holt die Daten seiner Kunden zu sich, in sein Rechenzentrum. In der Schweiz, in Zürich. Sein eigenes Rechenzentrum? "Wir sind bei Swisscom eingemietet." Bewusst bei Swisscom und nicht bei Green oder sonst irgendeinem Anbieter, wie Hunziker sagt. "Swisscom ist die einzige Firma, bei der ich es wahrscheinlich erfahren würde, wenn sie ins Ausland verkauft wird."

Hunziker sagt, er kenne einige Unternehmer, die vor 15 Jahren ihre Mail- und Webserver zur Agri, zum Bauernverband, gebracht hätten. "Schweizerischer geht es nicht mehr", sagt er. Doch Agri sei heute Green, und Green gehöre der niederländischen Firma Altice. "Du weisst nicht, wo deine Daten sind."

Kunden können Risiken nicht abschätzen

Unter Hunzikers Kunden sind viele Treuhänder und Vermögensverwalter, wie er sagt. Diese Klientel wolle immer sehr genau wissen, was und wo etwas mit den Daten passiere. Eine Zeit lang sei Blackberry bei diesen Kunden sehr beliebt gewesen. "Du musstest ihnen nur sagen, dass Blackberry einen Relay-Server in den Staaten hat. Zack, erledigt. Sie wollten von Blackberry auf einmal nichts mehr wissen."

Je nach Situation könne er als IT-Profi abschätzen, ob tatsächlich ein Risiko bestehe, ob ein Anbieter in Ordnung sei. Doch der Kunde könne das nicht. Deshalb lautet seine Devise: "Daten in der Schweiz, Daten bei uns, bei den Menschen, die du schon kennst, denen du vertraust."

Die Cloud ist nicht billig

Für Hunziker gibt es ein weiteres Argument gegen die Cloud. Die Kosten. "Es stimmt einfach nicht, dass die Cloud billig ist." Die Angebote von Swisscom, Green und all den anderen Anbietern seien schön und gut. Mit 20 Franken pro Monat pro Server komme man aber nicht weit. "Wenn du wirklich Server in der Cloud betreibst, nicht nur irgendwelche Services, dann ist das sehr teuer", sagt er. Wenn man seine gewünschte Konfiguration zusammengeklickt habe, sei man schnell bei 200 Franken im Monat. Dann brauche man vielleicht noch einen zweiten Server. "Voilà 400 Franken pro Monat", sagt Hunziker. Wenn man alle Kosten gegenrechne, komme man in etwa auf das gleiche Ergebnis wie bei einer On-Premise-Installation.

Bei Reich + Nievergelt koste ein Server auch 200 Franken im Monat. Das bestreite er nicht, sagt er. Aber er locke nicht mit tiefen Preisen, die er am Ende nicht einhalten könne.

Angebote wie das von Swiss Cloud Computing finde er hingegen gut. Er habe mit dem Anbieter sogar zusammenarbeiten wollen. Die hochintegrierte Oberfläche, mit der Swiss Cloud Computing werbe, sei für ihn aber ein Problem. Eigene Software könne er nicht einfach selbst installieren. Für Hunziker ein Tabu.

Er habe etliche Kunden mit Spezialanwendungen, eigener Software oder Steuerprogrammen, die sonst kaum jemand nutze. Die Alternative, die normalen virtualisierten Server, sei unter dem Strich genauso teuer wie bei den anderen Anbietern.

Hunziker ist die Cloud zu restriktiv. Wenn etwas nicht laufe, müsse er beim Anbieter anklopfen. Schnell selbst etwas neu installieren, liege nicht drin. Das erinnere ihn an seine Anfangszeit in der IT. "Ich habe noch den AS/400 erlebt und einen IT-Leiter, der über die IT herrschte wie ein König", sagt Hunziker. Man habe den IT-Leiter bitten, fast anflehen müssen, wenn man etwas brauchte.

Die Cloud lässt Kunden bei Problemen allein

Dann kam Bill Gates mit seiner berühmten Aussage "Information at your fingertips" oder im übertragenen Sinne "Power to the user, weg mit den Mainframes", sagt Hunziker. "Und jetzt?", fragt er.

Wenn er seine Kunden heute anschaue, stünden die wieder am Anfang. Wenn etwas nicht funktioniere, bleibe ihnen nichts, als ihn anzurufen. "Ein verrückter Kreis, den wir gedreht haben", sagt er. "Mit einer Cloud-Lösung bist du komplett hilflos." Der Kunde rufe ihn an, er rufe den Cloud-Anbieter an und der schicke dem Kunden dann eine Rechnung. "Was bleibt mir?"

Hunziker und sein Team beschränken sich deshalb auf die selbst gehosteten Leistungen im Swisscom-Rechenzentrum. Virtuelle Server, Hosted Exchange von Cleanmail, E-Mail-Archivierung von Artec, E-Mail-Verschlüsselung von Seppmail, Cloud-Back-up von Veeam, Synology und Max Back-up.

Bei diesen Lösungen weiss Hunziker, dass sie funktionieren, und er weiss, wo seine Hardware steht. Das ist ihm wichtig. "Die Idee der Cloud finde ich super. Aber ich glaube nicht, dass das alles schon so richtig fertig und durchdacht ist." Deshalb hinterfrage er, deshalb bleibe er skeptisch, sagt Hunziker und leert seinen Espresso.

Webcode
ITM101637