Vis-à-vis

Hanspeter Oeschger über den Zusammenschluss mit Bechtle

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von Coen Kaat

Im Juni 2016 hat die deutsche Bechtle-Gruppe den Schweizer Systemintegrator Steffen Informatik übernommen. Das neue Unternehmen heisst Bechtle Steffen. Die Redaktion sprach mit Hanspeter Oeschger, Mitglied der Geschäftsführung von Bechtle Steffen, über seine Pläne für das neue Unternehmen.

Hanspeter Oeschger, Mitglied der Geschäftsführung, Bechtle Steffen. (Source: Netzmedien)
Hanspeter Oeschger, Mitglied der Geschäftsführung, Bechtle Steffen. (Source: Netzmedien)

Die Übernahme von Steffen Informatik durch die Bechtle-Gruppe liegt nun rund ein Jahr zurück. Wie ist es Ihnen seitdem ergangen?

Hanspeter Oeschger: Es war ein extrem spannendes, aber auch ein herausforderndes Jahr, das mit viel Arbeit verbunden war. Zusammen mit meinen drei Kollegen im Management, Markus Oeschger, Christian Speck und Thomas Zimmerli, konnte ich in den letzten Monaten die Bechtle-Organisation in Deutschland sowie viele neue kompetente und motivierte Mitarbeiter in der Schweiz kennenlernen. Vor einem Jahr sahen wir viele Chancen, die für uns durch diese Übernahme entstehen könnten. Heute stellen wir fest, dass wir uns nicht getäuscht haben und dass unsere Vorstellungen teilweise sogar übertroffen wurden. Rückblickend kann ich daher sagen, dass wir heute wieder genau gleich entscheiden würden.

Welche Chancen sind das?

In erster Linie meine ich damit die Grösse der neuen Organisation. Steffen Informatik beschäftige damals knapp 150 Personen. Die Bechtle-Gruppe hingegen zählt aktuell 7900 Mitarbeiter. Darunter auch viele Spezialisten etwa in den Bereichen VMware oder Storage. Mit der neuen Grösse hatten wir sofort einen besseren Zugang zu den Herstellern und Lieferanten. Zudem beschäftigt die Bechtle-Gruppe viele erfahrene Spezialisten.

Bechtle hat damals Steffen Informatik übernommen. Und doch stehen die Schweizer Bechtle-Systemhäuser nun unter Ihrer Führung. Wie kam es dazu?

Das war von Anfang an seitens Bechtle so geplant. Die Bechtle-Gruppe hatte erkannt, dass ein erfahrenes Managementteam hinter Steffen Informatik stand. Diese Herausforderung, die Schweizer Organisation zu führen, war für uns der wichtigste Grund, zuzustimmen.

Wie haben Sie Bechtles Aufmerksamkeit geweckt?

Bechtle wächst organisch und anorganisch. Das heisst, dass die Gruppe den Markt und die Marktteilnehmer immer genau beobachtet. Ihr fiel auf, dass Steffen Informatik im Bereich Cloud-Services und Betriebsdienstleistungen sehr erfolgreich unterwegs war. Also in einem Bereich, in dem Bechtle in der Schweiz weniger Erfolge vorzuweisen hatte.

Als Sie die Führung übernahmen, hatte Ihr Vorgänger, Andreas Rubinski, das Unternehmen überraschend verlassen. Dabei war er gerade mal drei Monate im Amt als Geschäftsführer der Systemhäuser Basel, Bern und Zürich.

Einen Zusammenhang zwischen den Führungswechseln gab es nicht. Ich leite zwar auch die Niederlassungen Regensdorf und Basel, der Aufbau der Organisation ist heute jedoch völlig anders und lehnt sich stark an die ehemalige Steffen Informatik an. Was damals mit Andreas Rubinski passierte, kann ich nicht sagen.

Wie viel Steffen Informatik steckt noch in Bechtle Steffen?

Die neue Organisationsstruktur entspricht in vielen Bereichen der ehemaligen Steffen Informatik. Diese wurde ja durch ein Managementteam geführt und bestand aus Niederlassungen in Mägenwil, Pratteln, St. Gallen, Bern und Zug. Jeder Niederlassung boten wir die gleichen Lösungen und Dienstleistungen mit den gleichen Prozessen an. Dieses Konzept setzten wir nun für die gesamte Bechtle-Organisation in der Schweiz um. Die einzelnen Bechtle-Standorte sind nun eine Einheit und keine Mitbewerber mehr.

War es Ihnen ein Anliegen, dass die Marke Steffen Informatik erhalten bleibt?

Wir haben sehr viel darüber diskutiert, wie das Unternehmen heissen soll. Der Name soll ausdrücken, dass es sich um einen Zusammenschluss handelt. Wichtig war es uns, mit dem Namen und dem neuen Logo Kunden und Mitarbeitern zu zeigen, dass Steffen Informatik ein wichtiger Bestandteil des neuen Unternehmens ist.

Konnten Sie alle Kunden in die neue Organisation mitnehmen?

Ja. Wir dürfen ausnahmslos alle Kunden auch in der neuen Konstellation betreuen. Für sie hat sich nur wenig geändert. Ansprechpartner, Produkt- und Serviceportfolio sind gleich geblieben. Zusätzlich können wir aber in einigen Bereichen auf deutlich mehr Spezialisten zählen.

Was wurde genau besser für die Kunden?

Kunden, die früher durch die Steffen Informatik betreut wurden, freuen sich über die zusätzlichen Spezialisten und das verbreiterte Portfolio sowie weitere Hersteller-Partnerschaften. Die Kunden der Schweizer Bechtle-Systemhäuser profitieren von unserem Know-how bezüglich Support und Betrieb sowie dem Cloud-Services.

Wie reagierten die Mitarbeitenden auf die Übernahme?

Zunächst war verständlicherweise eine gewisse Skepsis vorhanden. Mittlerweile spüren aber unsere Mitarbeitenden, dass unsere Versprechen eingehalten werden und die Veränderungen überblickbar sind. Für die Mitarbeitenden ergeben sich viele neue Chancen. Dazu zählt etwa die Möglichkeit, sich zu spezialisieren. Hierfür bietet die Bechtle-Gruppe zusätzliche Ausbildungen etwa zum sehr zukunftsorientierten IT-Architekten an. Diese Ausbildung ist auch bei unseren Mitarbeitenden in der Schweiz sehr beliebt.

Mussten auch Mitarbeiter gehen?

Nein. Wir haben niemanden aufgrund der Übernahme entlassen. Wir haben derzeit eher das Problem, dass wir neue Mitarbeitende benötigen, diese aber nicht schnell genug rekrutieren können. Wir haben aktuell in vielen Bereichen Positionen zu besetzen: im Verkauf, in der Technik und im Consulting.

Wie stark diktiert Bechtle Deutschland Ihren Weg?

Wir sind eine Schweizer Organisation und können sehr viel selbst und frei entscheiden. Bei bestimmten Themen müssen wir uns zwar mit dem Mutterkonzern zuvor absprechen, können aber in der Regel für unsere Bedürfnisse optimale Entscheide treffen. Als Managementteam schätzen wir heute die Möglichkeit, die Erfahrungen anderer Systemhäuser in Deutschland zu nutzen und für die Schweiz zu adaptieren.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Wir werden in der Schweiz nach deutschem Vorbild eine Demo-Firma aufbauen, um unseren Kunden unsere Vorstellungen moderner IT-Arbeitsplätze aufzuzeigen. Damit werden unsere Ideen und Vorstellungen für unsere Kunden spürbar und erlebbar. Sie werden erfahren, wie Lösungen funktionieren und welcher Businessnutzen daraus resultiert.

In einem Interview mit der Redaktion kritisierte Bechtle-Vorstand Thomas Olemotz vergangenes Jahr das langsame Wachstum in der Schweiz. Wo klemmt es hierzulande?

Die deutschen Systemhäuser sind besser vernetzt und können optimal voneinander profitieren. Deshalb wachsen sie schneller. In der Schweiz stellten wir fest, dass die einzelnen Standorte in der Vergangenheit miteinander konkurriert haben und somit das Potenzial nicht ausgeschöpft wurde. Dank der neuen Systemhausorganisation ist dies nun aber nicht mehr der Fall.

Wie wollen Sie die Schweizer Systemhäuser auf ein schnelleres Wachstum trimmen?

Indem wir die Zusammenarbeit untereinander optimieren und fördern. Derzeit implementieren wir schweizweite Spezialistenteams. Dabei ist es nicht wichtig, wo die einzelnen Mitarbeiter stationiert sind. Wir nutzen unsere Ressourcen an jedem Standort. Die Kunden können davon ausgehen, dass sie dieselbe Leistung und Qualität erhalten, egal von welchem Standort sie betreut werden. Andererseits haben wir mit dem Zusammenschluss in der Schweiz auch das Portfolio erweitert: Mit Steffen Informatik kam ein grosses Cloud-Angebot sowie eine zentrale Support- und Betriebsorganisation hinzu. Diese konnten wir schon innerhalb weniger Monate nach der Übernahme bei den ersten bestehenden Bechtle-Kunden erfolgreich implementieren. Dank der neuen Organisation und des grösseren Portfolios werden wir nun unser Wachstum beschleunigen können. Das hat uns das erste Halbjahr bereits gezeigt, und wir gehen auch in der zweiten Jahreshälfte von einem weiteren Wachstum aus.

Versucht Bechtle nicht schon seit 2014, mit der Kampagne Bechtle 2020 die Schweizer Systemhäuser stärker zu verzahnen?

Das Projekt Bechtle 2020 hatte zum Ziel, das Potenzial der gesamten Bechtle Organisation in der Schweiz optimal zu nutzen. Es ging darum, die Zusammenarbeit zwischen separat agierenden Einheiten zu fördern. Daraus entstanden viele gute Massnahmen, die umgesetzt wurden und von denen wir heute profitieren können. Mit Bechtle Steffen gehen wir noch einen Schritt weiter. Wir machen aus den einzelnen Systemhäusern ein einziges Unternehmen mit einer Niederlassungsstruktur und einer Geschäftsleitung. Mit der Übernahme wurde das Projekt Bechtle 2020 abgeschlossen.

Wie sehen Ihre nächsten Schritte aus?

Jetzt wollen wir das Fundament, das Bechtle Steffen Schweiz AG benötigt, in Ruhe fertig stellen. Unser oberstes Ziel ist es, eine tragfähige Organisation für die Schweizer Systemhausorganisation zu etablieren.

Sie standen 27 Jahre an der Spitze von Steffen Informatik und jetzt Bechtle Steffen. Wie hat sich der Markt aus Ihrer Sicht verändert?

Damals konnte man noch als Quereinsteiger in die Branche einsteigen. Sofern man ein Bisschen von der Informatik verstand, wusste man häufig mehr als der Kunde. Heute bringt der Kunde sehr viel Know-how mit und hat klare Vorstellungen davon, was er will. Damit sind auch die Anforderungen der Kunden deutlich gestiegen. Heute erwarten sie eine umfassende Beratung durch spezialisierte IT-Architekten. Zudem ist das Feld, das ein Systemintegrator abdecken muss, deutlich breiter geworden. Für jeden Bereich braucht es entsprechende Spezialisten im Unternehmen. Das erfordert wiederum eine gewisse Grösse. Kleine Organisationen sind aufgrund der Komplexität gar nicht mehr in der Lage, alle diese Bereiche kompetent abzudecken. Auch die Hersteller leisten dazu ihren Beitrag, indem sie etwa eine gewisse Anzahl Spezialisten verlangen, bevor ein Systemintegrator ein bestimmtes Thema abdecken darf.

Wie lautet Ihre persönliche Botschaft an den Channel?

Eine Botschaft an den Channel masse ich mir nicht an. Jeder CEO muss selbst entscheiden, mit welchen Lösungen und Ansätzen er in Zukunft erfolgreich sein will. Ich bin aber davon überzeugt, dass wir mit unserem Produkt und Serviceangebot sowie mit unseren erfahrenen und motivierten Mitarbeitenden ein guter Ansprechpartner für unsere Kunden sind und bleiben. Dass wir ihnen auf Augenhöhe begegnen und ihre IT weiterbringen können. Das ist für mich massgebend für unseren Erfolg.

Persönlich: Hanspeter Oeschger hat nach seinem Maschinenbaustudium mehrere Jahre an der Entwicklung von Luftdrucksensoren gearbeitet. 1989 gründete er als 30-Jähriger die Steffen Informatik. Heute verantwortet er in der Geschäftsführung von Bechtle Steffen den Fachbereich Consulting. Er ist 58 Jahre alt, verheiratet, hat vier erwachsene Kinder und drei Enkel. In seiner Freizeit wandert er sehr gerne mit seiner Frau in den Bergen, fliegt RC-Modellflugzeuge oder spielt Schwyzerörgeli.

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