Vis-à-vis Sandra Peier

Warum Europa3000 die Zukunft im Direktgeschäft statt im Partnernetzwerk sieht

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von Coen Kaat

2019 ein neuer Besitzer, 2020 eine neue Geschäftsführerin: Der Aarauer ERP-Anbieter Europa3000 erlebt gerade spannende Zeiten. Wohin es geht, wie sich der Besitzerwechsel darauf auswirkt und warum das Partnernetzwerk wohl nur bedingt Teil dieser Zukunft sein wird, sagt die neue Geschäftsführerin Sandra Peier.

Sandra Peier, Geschäftsführerin von Europa3000. (Source: Netzmedien)
Sandra Peier, Geschäftsführerin von Europa3000. (Source: Netzmedien)

Sie haben vor knapp einem halben Jahr die Geschäftsführung von Europa3000 übernommen. Wie verliefen die ersten Monate auf dem Chefsessel?

Sandra Peier: Zurzeit befinden wir uns in einem strategischen Weiterentwicklungsprozess. Gemeinsam klären wir, wo Europa3000 gerade steht und wohin exakt wir wollen. Dabei prüfen wir, was wir bereits gut machen und was noch ausbaufähig ist. Auf dem Weg dahin darf man sich auch mal uneinig sein. Denn so kommt man am Ende zu einer besseren Strategie, hinter der alle Parteien stehen können. Diese Zusammenarbeit schätze ich sehr, denn so können wir sicherstellen, dass wir alle am gleichen Strang ziehen.

Zuvor wurde Europa3000 von einem Dreiergespann geleitet. Warum entschied man sich nun für eine einzelne Geschäftsführerin?

Dieses Dreiergespann war noch ein Überbleibsel aus der Zeit, als Europa3000 zur Bison-Gruppe gehörte. Als Teil eines Grosskonzernes ist es nicht unüblich, dass die verschiedenen Bereiche aufgeteilt werden und eigene Abteilungsverantwortliche erhalten. Mit dem Wechsel zu einem eigenständigen KMU war es jedoch naheliegend, zurück zu einer klassischen Führungsstruktur zu wechseln.

Weshalb?

Wir wollten so klare Verantwortlichkeiten schaffen. Bei einer breiten Führungsspitze sind diese nämlich oft unklar. Am Ende braucht es daher immer jemanden, der die Gesamtverantwortung innehat. Diese hatte ich bereits seit Februar des vergangenen Jahres gegenüber dem damaligen Mutterkonzern. In der Gesamtgeschäftsleitung sind wir jedoch noch immer zu dritt: Ausser mir sind das ­Andreas Imboden, der die Softwareentwicklung leitet, sowie Dominic Achermann, der Leiter Verkauf.

War es für Sie eine grosse Umstellung, wenn Sie schon zuvor die Gesamtverantwortung innehatten?

Natürlich hat sich meine Arbeit dadurch verändert. Die grösste Änderung sind aber wohl die neuen Eigentümer, die viel näher an unserem Produkt sind. Markus Fuchs und Beat Mathys sind schon seit über 30 Jahren dabei – also schon seit es das Produkt Europa3000 gibt.

Sie arbeiten seit fast 20 Jahren für Europa3000. In der heutigen prekären Arbeitswelt keine Selbstverständlichkeit. Weshalb blieben Sie der Firma so lange treu?

Ich habe mich vom ersten Tag an in dieser Firma extrem wohl gefühlt. Ein wesentlicher Faktor dafür war das Team. Während den vergangenen fast 20 Jahren durfte ich viele neue Tätigkeiten und Verantwortungen übernehmen. Und dabei hatte ich stets das Gefühl, dass ich mich nicht nur weiterentwickeln konnte, sondern dass das auch geschätzt wird.

Sie spürten nie das Bedürfnis, etwas anderes zu machen?

Es gab vielleicht zwei Momente, an denen ich das Gefühl hatte, alles gesehen zu haben. Ich entschied mich aber beide Male zu bleiben - aufgrund von Gesprächen mit Kollegen, den Möglichkeiten, die sich mir hier bieten und weil ich natürlich komplett hinter unserem ERP für KMUs ­stehe.

In welche Richtung wollen Sie Europa3000 nun lenken?

In erster Linie ist für uns die Nähe zu unseren rund 2500 Bestandskunden sowie unseren Partnern am wichtigsten. Wir wollen die Bedürfnisse unserer Kunden bestmöglich kennen, um ihnen ein optimales System anbieten zu können. Aus diesem Grund führen wir jährlich verschiedene Roundtables mit unseren Kunden und Partnern durch. Dieses Jahr bereits zum dritten Mal.

Welche persönlichen Ziele möchten Sie als Geschäftsführerin von Europa3000 erreichen?

Ich will den weiteren Erfolg des Unternehmens sicherstellen. Der Schlüssel dazu sind meiner Meinung nach zufriedene Mitarbeiter, zufriedene Kunden und zufriedene ­Partner.

Wie wichtig sind die Partner für Ihr Geschäft?

Unser Partnernetzwerk spielt nach wie vor eine zentrale Rolle. Vor allem, wenn es um die Vertikalisierung und das Know-how in den verschiedenen Bereichen und Branchen geht. Wir haben über die Jahre ein sehr breites Kundensegment aufgebaut, aber wir haben uns natürlich nicht auf alle diese Themen spezialisiert. Deshalb brauchen wir das Know-how unserer Partner. Zudem kennen unsere Partner durch die Nähe zum Kunden deren Bedürfnisse. Diese gilt es in unserer ERP-Lösung abzubilden. Hier ist eine enge Zusammenarbeit zwischen dem Kunden, Partner und uns als Hersteller das A und O. Daher setzen wir kurz- und mittelfristig unverändert auf unser Partnernetzwerk.

Nur kurz- und mittelfristig? Und was ist danach?

Langfristig wird sich unser Partnernetzwerk reduzieren. Es ist heutzutage nicht mehr so einfach, neue Partner zu finden, um unser Produkt zu vertreiben. In den vergangenen fünf Jahren kamen keine hinzu. Auch wenn wir neue Händlerinteressenten jederzeit gerne willkommen heissen, haben wir es mittlerweile aufgegeben, aktiv nach neuen Partnern zu suchen.

Das heisst, Sie werden nun das Direktgeschäft ausbauen?

Um die künftige Betreuung unserer Kunden sicherzustellen, läuft es langfristig darauf hinaus. Wir gehen davon aus, dass wir nicht darum herumkommen werden, das Direktgeschäft in den nächsten fünf bis zehn Jahren weiter auszubauen.

Wie viele Kunden betreuen Sie zurzeit direkt?

Aktuell sind das nur rund 80 Kunden – also etwa 3 Prozent unserer Kundschaft. Die restlichen Kunden werden von unseren 24 langjährigen Partnern betreut. Als ich 2010 das Partnermanagement übernahm, hatten wir übrigens noch 60 Partner.

Weshalb schwindet die Partnerlandschaft?

Oft fehlt es den Partnern an einer Nachfolgeregelung. Wenn sie nicht mehr mögen, hört auch ihr Unternehmen auf. Und wir haben einen Partner weniger.

Liegt es auch am ERP-Thema selbst, dass Sie keine neuen Partner finden?

Wer eine ERP-Software seriös anbieten will – also nicht einfach nur eine Plug-and-Play-Lösung, muss zunächst Geld und viel Zeit investieren. Heute müssten wir einem potenziellen neuen Partner bereits bei Vertragsabschluss eine Handvoll Kunden und einen gewissen Umsatz versichern können, damit dieser den Aufwand legitimieren kann.

Inwiefern werden Sie sich beim Ausbau des Direktgeschäfts in die einzelnen Verticals vertiefen?

Auch damit beschäftigen wir uns strategisch intensiv: Wie weit wollen wir überhaupt gehen? Früher wollten wir alles für alle anbieten. Diesen Weg werden wir in dieser Form nicht mehr weiterverfolgen. Stattdessen konzentrieren wir uns künftig auf bestimmte Themenbereiche, die wir zurzeit herausarbeiten.

Genau das wollte ich gerade nachfragen: In welche Richtung wird es gehen?

Was ich schon sagen kann ist, dass es drei oder vier Themenbereiche sein werden. Das sind breite Geschäftsfelder, in denen wir bereits Know-how haben, das wir ausbauen wollen, und für die es auch ein grosses Potenzial gibt auf dem Schweizer Markt. Was sicher ein Thema sein wird, ist Mobile-ERP. Das war bereits zu Bison-Zeiten ein Thema und entsprechend haben wir auch schon darin investiert.

Sie erwähnten, dass Europa3000 in neuen Händen ist. Was hat sich durch den Besitzerwechsel geändert?

Bei Bison waren wir strategisch am falschen Ort. Wenn man Teil eines Grosskonzerns ist, sind die Entscheidungswege sehr lang. Ausserdem gibt es auch immer Prozesse, die es einzuhalten gilt. Wir sahen uns aber immer klar als KMU – auch innerhalb von Fenaco und Bison. Deshalb empfanden wir diese Art zu operieren als hinderlich für unsere Arbeit. Als eigenständiges KMU können wir dank kurzer Entscheidungswege und flacher Hierarchien wieder schneller und agiler werden.

Haben Sie die Bande mit Bison komplett gekappt? An der Tür steht nämlich noch "A Bison Company".

Ich weiss (lacht). Die wichtigen Sachen haben wir bereits geändert, ein paar Kleinigkeiten kommen aber immer wieder zum Vorschein. Diese wurden zunächst wohl auch vergessen. Wir haben aber bereits neue Aufkleber für die Glastüren bestellt und werden diese zeitnah montieren.

Kann man im ERP-Markt mit Swissness punkten? Oder ziehen die Kunden die omnipräsenten Standardlösungen internationaler Anbieter vor?

Das hängt durchaus auch vom Kundensegment ab. In dem Bereich, in dem wir aktiv sind, ist Swissness nach wir vor ein wichtiges Thema.

Welcher Bereich ist das?

Unser Fokus liegt klar bei Kunden bis rund 50 Mitarbeitern. Wir wollen, dass unsere Kunden mit unserer Software mitwachsen können. Mit dieser Absicht ist sie auch entwickelt worden – als eine typische KMU-Software.

Welchen Impact hatte das Coronavirus auf das Geschäft?

Monetär hatte Covid-19 glücklicherweise bisher keine negativen Auswirkungen auf uns. Ein Grund dafür ist wohl auch die Einführung der mit QR-Codes versehenen Rechnungen. Für uns bedeutete das, dass wir wieder eine verrechenbare Dienstleistung für unsere Kunden erbringen können.

Wie gingen die Mitarbeiter mit der Pandemiesituation um?

Da gab es durchaus die eine oder andere Herausforderung. Vor der Pandemie waren wir sehr zurückhaltend, wenn es um Homeoffice ging. Wir sind eine eher kleine Firma und schätzen daher den persönlichen Kontakt.

Und heute?

Nun haben wir erkannt, dass Homeoffice den Arbeitgeber attraktiver machen kann. Unsere Mitarbeiter stellten fest, wie schön es eigentlich ist, wenn man mehr von daheim aus arbeiten kann. Aus diesem Grund können unsere Mitarbeiter heute selber entscheiden. Ihnen stehen dafür zwei feste Tage zur Verfügung. An diesen können sie entweder von zuhause oder vom Büro aus arbeiten.

Nutzen die Mitarbeiter dieses Angebot auch?

Es gibt gewisse Mitarbeiter – besonders in der Entwicklungsabteilung – die gerne darauf zurückgreifen. Ihnen ist die Ruhe und die Möglichkeit zur besseren Konzentration wichtig. Sie sind ja schon im Büro räumlich abgetrennt. Unser Backoffice und der Verkauf sind nach wie vor mehr im Büro. Das ist aber auch eine sehr individuelle Frage. So gibt es auch Mitarbeiter, die sich zuhause nicht organisieren können und darum lieber im Büro bleiben.

Wie lautet Ihre persönliche Botschaft an den Channel?

Gemeinsam könnten wir alle erfolgreicher sein und noch sehr viel mehr erreichen. In der aktuellen Pandemiesituation versucht eigentlich jeder, zu überleben. Ich vermisse daher noch einen gewinnbringenden Austausch mit anderen Anbietern. Diesen stärker zu fördern, würde ich sehr begrüssen.

Persönlich: Sandra Peier hat ihre Karriere in der IT-Branche im Jahr 2001 als Administrationsmitarbeiterin bei Europa3000 begonnen. Ab 2010 war sie zudem für das Partnermanagement innerhalb der Schweiz zuständig. Später übernahm sie die Assistenz der Geschäftsleitung, bevor sie 2016 in die Geschäftsleitung kam und die Verantwortung zunächst für den Bereich Administration und später zusätzlich für den Bereich Support/Projekte übernahm. Sie ist 43 Jahre alt, ledig und hat eine Tochter (25) und einen Sohn (12). Peier geht in ihrer Freizeit gerne ihrer Leidenschaft, dem Kochen, nach. (Source: Europa3000)

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