Vis-à-Vis

'Früher waren wir junge Wilde, heute kaufen die grössten Telkos bei uns'

Uhr | Updated
von Marc Landis

1998 gründen drei Teenager ihren eigenen Internet Service Provider, weil sie schnell ins Internet wollen und merken, dass sie nicht die Einzigen sind, die das wollen. Heute hat Netstream 70 Mitarbeiter und bedient vor allem B2B-Kunden mit Connectivity-, Streaming-, Voice- und Hosting-Dienstleistungen. Nebenbei sind sie einer der grössten OEM-IPTV-Anbieter der Schweiz geworden – eine Art Teller­wäscherkarriere made in Dübendorf.

Alexis Caceda, Mitgründer und CEO von Netstream (Quelle: Netzmedien)
Alexis Caceda, Mitgründer und CEO von Netstream (Quelle: Netzmedien)

Sie haben Ihr Unternehmen 1998 während der Zeit der Dotcom-Euphorie gegründet. Wenn Sie zurückblicken: Wie war das ­damals?

Alexis Caceda: Damals waren die meisten schon zufrieden damit, dass man sich mit einem Modem mit 56 kbps ins Internet einwählen konnte, um E-Mails zu checken, sofern man überhaupt schon eine E-Mail-Adresse hatte. Von Breitband wagte man als Privatnutzer noch nicht einmal zu träumen. Aber wir drei träumten von Breitband und wollten schnell ins Internet (wir = die Gründer von Netstream: Alexis Caceda, Dominik Breitenmoser, Reto Kasser, Anm. d. Red.). Aber es gab eigentlich nur Swisscom, die mit ADSL ein kommerziell verfügbares Breitbandangebot hatte. Wir merkten auch, dass das eine recht teure Angelegenheit ist.

Und da dachten Sie sich: Gründen wir doch einfach unseren eigenen Provider?

Ja, eigentlich war es so. Wir erkannten, dass es zwar technisch anspruchsvoll und finanziell aufwendig war, vor allem bei der initialen Installation. Waren die Leitungen dann aber einmal geschaltet, lief die Geschichte mehr oder weniger ohne weitere Eingriffe, und man konnte für den Dienst monatlich etwas verlangen. Das faszinierte uns als junge Träumer natürlich. Einmal kurz arbeiten und dann fliessen die Einnahmen. Doch wie es sich herausstellte, war dann doch nicht alles ganz so einfach.

Wie gingen Sie denn konkret vor?

Es gab für uns damals zwei Möglichkeiten: Entweder wir machen es so wie etwa Cyberlink mit vielen eigenen POPs, oder wir arbeiten mit dem Swisscom-Netz. Damals kam ja gerade dieses BBCS-Programm (BBCS = Broadband Connectivity Services) auf, das es für ISPs möglich machte, als Wiederverkäufer ADSL auf dem Swisscom-Netz anzubieten. Wir entschieden uns für die Zusammenarbeit mit Swisscom. Und so suchten wir den Kontakt zum Telko. Allerdings nahmen sie uns Teenager damals nicht so richtig ernst, und sie sagten uns, dass wir 100 000 Franken brauchten, um mit ihnen ins Geschäft zu kommen – das Mindestinvestment für eine Zone. Also kratzten wir alles Geld zusammen, das wir hatten, pumpten Familie und Freunde an. Und wir kriegten das Geld zusammen. Damit gingen wir dann wieder zu den Swisscom-Leuten. Nun ignorierten sie uns nicht mehr. So fingen wir an, schweizweit DSL anzubieten. Als Business-Case taugte das aber noch nicht. Wir brauchten ein Differenzierungsmerkmal. Und so begannen wir, fixe IP-Adressen anzubieten.

Was geschah weiter?

Wir fingen dann an, Router zu konfigurieren und zu verschicken und konnten mit unserem Angebot schnell viele gute KMU-Kunden gewinnen. Neben der Connectivity handelten wir auch noch ein bisschen mit PCs, machten etwas Webdesign. Schon früh befassten wir uns mit TV-Streaming und sind heute ein bedeutender Lösungsanbieter von IPTV für andere Provider. Sunrise setzte für die Lancierung seines Fernsehangebots übrigens ganz auf Netstream. Unsere Web-TV-Lösung Nello, oder früher ADSL-TV, war schon lange vor Zattoo, Wilmaa etc. online. Auch Teleboy oder Blick-TV benutzen unsere Weblösung. Wir selbst haben mit Nello heute etwa 15 000 Direktkunden. Heute machen wir neben Connectivity, Streaming, Hosting und etwas Security auch VoIP. Das Portal dazu heisst Netvoip.ch.

Wie hat sich der Markt in den letzten 15 Jahren verändert?

Sie kennen die Geschichte: Die Bandbreiten explodierten, die Preise sanken, Provider verschwanden. Vor allem im Consumer-Business war es teilweise hart. Da wir uns aber schon von Anfang an auf B2B-Kunden fokussierten, konnten wir diese wegen unseres guten Services und der stetigen Weiterentwicklung unserer Dienste halten und auch weiter ausbauen. Aber wir waren und sind ja nicht nur von Endkunden abhängig, die bei uns Connectivity einkaufen. Wir bauen auch Lösungen, sogenannte Whitelabel-Produkte, für andere Provider, die diese dann ihren eigenen Kunden anbieten. Zu unseren Kunden zählen unter vielen anderen Providern alle vier grossen Telekom-Anbieter.

Wie hat sich Ihr Geschäft in den vergangenen 15 Jahren verändert?

Wir haben uns permanent weiterentwickelt. Fragten uns selbst und unsere Kunden immer wieder, was wir entwickeln sollten, schauten uns auf dem Markt um, um zu erkennen, was es noch nicht gab, aber alle haben wollten … Wir haben unsere Dienstleistungen in den letzten 15 Jahren auch extrem professionalisiert. Wenn Sie sich vorstellen: Früher waren wir junge Wilde, die einfach schnell im Internet surfen wollten, heute kaufen einige der grössten Telekom-Provider bei uns ganze TV-Streaming-Lösungen für ihr Triple- oder Quadruple-Play-Angebot ein. Natürlich ist auch unser Mitarbeiterbestand in den letzten Jahren stark gewachsen. Von 3 auf 70. Das fällt mir immer wieder an Betriebsfeiern auf, wenn wir mit unseren Leuten schnell mal einen mittleren Bankettsaal füllen.

Welche Daseinsberechtigung haben ISPs ohne eigenes Netz heutzutage noch?

Wir überlegten uns am Anfang auch, ob wir unser eigenes Netz bauen sollten. Wir kamen aber zu dem Schluss, dass wir das mit unseren Mitteln nie so gut und zu so flächendeckend machen könnten wie etwa eine Swisscom. Wir können aber durch unsere kompakte, schlagkräftige Organisation mit schlanken Prozessen und unserer Nähe zu den Kunden im Service besser sein als die Grossen.

Zu Beginn der Fussballsaison kam Netstream in die Schlagzeilen, als bekannt wurde, dass Sie mit dem Unternehmen als Trikotsponsor des FCZ auftraten. Wie kam es dazu?

Wir haben in den letzten 15 Jahren keine Werbung und kaum Endkunden-Marketing gemacht und wollten das jetzt ändern. Wir wollten die Marke Netstream als B2B-Provider in der Breite bekannt machen, damit wir endlich im Kontakt mit potenziellen Kunden nicht mehr erklären müssten, wer wir sind und was wir tun. Dass es dann gerade das Trikot-Sponsoring des FCZ geworden ist, war eher Zufall. An einem Grümpelturnier, das wir unterstützten, merkten wir, wie gut das Netstream-Logo auf den T-Shirts der Spieler aussah. Wir fingen an, zu spinnen und fragten uns, was es wohl kosten würde, mit dem Netstream-Logo vorne auf den Spielertrikots eines Superleague-Klubs präsent zu sein … Und wie es der Zufall wollte, ist unsere Werbeagentur dieselbe wie die des FCZ. Und zufälligerweise war der Sponsoringplatz noch frei. Also haben wir es getan. Obwohl es viel teurer war, als wir dachten. Aber eben. Wir verfügten ja über ein virtuelles, nicht ausgegebenes Marketingbudget, das sich in den 15 Jahren angesammelt hatte. Im Nachhinein, muss ich sagen, war das genau das Richtige für unser Unternehmen. Plötzlich kennt man Netstream.

Sie haben sich hier in Dübendorf Ihr eigenes Rechenzentrum gebaut. Warum?

Stellen Sie sich vor, unsere Streaming-Server laufen 24 Stunden pro Tag auf sehr hohem Niveau. Coding, Decoding, Streaming, 7 Days Comeback TV etc. Das erfordert ex­trem leistungsfähige Hardware und leistungsfähige Kühleinrichtungen. Wir brauchten mehr Strom. Und diesen konnte oder wollte uns unser RZ-Anbieter nicht liefern. Und auch andere konnten uns das nicht bieten, also bauten wir ein eigenes High-Density-RZ. Wir haben jetzt total 500 Quadratmeter zur Verfügung, davon sind nun 250 bebaut. Nach anderthalb Jahren hatte sich die Investition von rund zweieinhalb Millionen Franken übrigens bereits amortisiert. Und auch unser PUE-Wert ist gegenüber vorher deutlich gesunken.

Wie können Partner mit Ihnen zusammenarbeiten?

Es gibt eigentlich zwei Arten von Partnern: solche, die unsere Produkte als Whitelabel-Lösungen zum Weiterverkauf haben möchten und mit ihren eigenen Logos versehen, wie etwa Sunrise, Teleboy oder Blick das tun. Dann gibt es Partner, die typischerweise als Vermittler auftreten und Leads für uns generieren, für die sie dann eine Provision erhalten. Etwa wenn sie uns einen B2B-Connectivity-Kunden bringen. Dieses Vermittlergeschäft wollen wir übrigens auch stärken. Dafür haben wir seit diesem Jahr mit Marc Pötzel erstmals einen Channelverantwortlichen eingestellt. Vermittler beziehungsweise «Lead-Generatoren» haben auch ganz andere Bedürfnisse, als wir normalerweise im B2B-Geschäft oder im Bereich Solutions haben. Sie erwarten eine effiziente Onlineplattform für die Vermittlung und die Verwaltung ihrer Accounts. Wir hatten bisher keine solche Plattform, doch nun haben wir eine gebaut. Sie wird im Frühjahr 2014 online sein.

Wie wollen Sie in Zukunft wachsen?

Voice steht bei uns nächstes Jahr ganz klar im Vordergrund. Vor allem in den Bereichen Virtual PBX und im SIP-Trunk-Geschäft sehen wir Potenzial. Wir bieten mit Lync Connect auch ein Voice-Produkt für Unternehmen an, die bereits Microsoft Lync einsetzen und die einfach und günstig über Lync telefonieren können möchten. Lync Connect ist übrigens auch ein Produkt, das wir über Channelpartner anbieten möchten. Wir denken dabei natürlich vor allem an die etwa 200 Microsoft-Partner, die auf Collaboration-Systeme spezialisiert sind. Wir sind momentan übrigens auch der einzige zertifizierte Lync-Provider mit SSL-Unterstützung. Ein neuer Bereich, in den wir 2014 einsteigen werden, ist Infrastructure-as-a-Service. Mit ausgewählten Kunden arbeiten wir schon im Beta-Betrieb und sind dabei, unser konkretes Angebot zu definieren. Von Public- über Hybrid- bis Private-Cloud-Angeboten können wir uns alles vorstellen. Ganz allgemein sehen wir einen starken Trend zu Managed Services wie Managed Access, Managed Wireless etc.

Ihre Message an den Channel?

Der Channel soll sich weiterhin auf seine Kunden und ihre Bedürfnisse konzentrieren. Er soll sich genau überlegen, wie und mit welchen Modellen er mit uns zusammenarbeiten möchte. Welche unserer Produkte will er nur vermitteln, welche unter eigenem Namen weiterverkaufen, wo nur beraten. Für fast alle Anforderungen rund um Connectivity, Streaming, Voice und Hosting bieten wir unseren Partnern passende Lösungen und Services an, mit denen sich Geld verdienen lässt.

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WE8vDqB3