Im Gespräch mit Achim Freyer

"Für uns gibt es kein Zurück mehr"

Uhr | Updated
von George Sarpong

Achim Freyer leitet seit September 2014 als General Manager das Schweiz-Geschäft von Dell. Der IT-Riese befindet sich im Umbruch: Privatisierung, Firmenübernahmen und die Transformation zu einer channelorientierten Organisation ­haben ihre Spuren hinterlassen – aber auch neue Wege für Dell und seine Partner eröffnet.

Achim Freyer, General Manager von Dell Schweiz. (Quelle: Netzmedien)
Achim Freyer, General Manager von Dell Schweiz. (Quelle: Netzmedien)

Sie arbeiteten bereits von 2000 bis 2008 bei Dell. Im ­September des letzten Jahres kamen Sie dann als General Manager von Dell Schweiz zurück. Wie haben Sie das ­Unternehmen vorgefunden?

Achim Freyer: Bei meiner Rückkehr im September des vergangenen Jahres fand ich Dell Schweiz gewissermassen als Rohdiamanten vor. Als ein Unternehmen mit viel Potenzial. Allerdings braucht es noch den letzten Schliff. Zunächst musste ich verstehen, wie sich die Organisation in der Zeit, in der ich nicht bei Dell arbeitete, entwickelt hatte. In jener Phase vollzog Dell den Wandel vom Hardwarelieferanten zum Lösungsanbieter. Durch die Akquisitionen der vergangenen Jahre kamen neue Brands hinzu, andere waren hingegen verschwunden. Hinter einigen dieser Marken verbargen sich wiederum umfangreiche Portfolios und Lösungs-Know-how. Entsprechend musste ich erst einmal nachvollziehen, wie die Produkte zusammengehören und wo diese inei­nandergreifen.

Damit war zu rechnen. Gab es auch Überraschungen für Sie?

Für mich war es überraschend, zu sehen, dass einige Mitarbeiter diese Entwicklung bereits vollzogen und verinnerlicht haben, dass es aber genauso Mitarbeiter gibt, die sich mit dem veränderten Lösungsportfolio noch etwas schwertun.

Was haben Sie unternommen?

Wir stellten die internen Organisationen um, verteilten Ressourcen neu, stellten die Zusammenarbeit mit den Kunden neu auf und richteten uns stärker in Richtung Partnermodell aus. Wir begannen damit, die Zahl der Direktkunden drastisch zu reduzieren. Wir konzentrieren uns heute auf ein wesentlich kleineres Portfolio an Direktkunden. Es fand ein Aufteilung in Named Accounts und Partner Lead Accounts statt. Das führte auch zu einer entsprechenden Umverteilung der Mitarbeiter.

Generalisten wie HP spalten sich auf. Wofür braucht es ein Unternehmen wie Dell heute überhaupt noch? Ist der Ansatz der Generalisten nicht längst überholt?

Es braucht die Koexistenz von Generalisten und Spezialisten. So wie es den Hausarzt und den Herzchirurgen braucht. Es geht auch um die Frage, ob man alles aus einer Hand beziehen möchte oder einen Best-of-Breed-Ansatz vorzieht. Wir sind heute der einzig verbliebene Komplettanbieter, der wirklich ein integrales Lösungsportfolio aus Hardware, Software und IT-Dienstleistungen anbieten kann. Unsere Wertschöpfungskette erlaubt es den Kunden, ihre Transaktionskosten zu reduzieren. Sie können bei uns etwa Bundle-Preise erhalten. Das erleichtert es anderen Unternehmen, mit uns Geschäfte zu machen. Hinzu kommen unsere Reichweite und die damit verbundene Marktmacht. Diese Trümpfe müssen wir ausspielen.

Wie wollen Sie diese Trümpfe ausspielen? Was ist Ihre Vision für Dell Schweiz?

Vor Jahren waren wir etwa in den Bereichen Desktops und Notebooks in der Schweiz führend. Jetzt müssen wir zu unseren Erfolgen zurückkehren. Das ist machbar, wir haben das Portfolio dazu. Viele Geschäftskunden, die ich in jüngster Zeit besuchte, waren überrascht, dass sie bereits auf irgendeine Weise mit Lösungen von Dell arbeiten, etwa mit Kace, Sonicwall oder Quest. Das hat uns viel Glaubwürdigkeit im Enterprise-Umfeld eingebracht. Früher hatten wir das Image des Boxmovers. Dieser Ruf scheint mir heute passé. Meine Aufgabe ist es nun, die Kunden wachzurütteln, ihnen zu zeigen, welche Möglichkeiten sich ihnen mit Dell-Lösungen bieten. Gleiches gilt für Dell intern. Ich will, dass unsere Mitarbeiter stolz darauf sind, in einer grossartigen Firma mit einem gewaltigen Portfolio zu arbeiten. Genauso wie bei unseren Partnern, was gar nicht so einfach ist. Auch wenn wir bereits seit geraumer Zeit im Partnergeschäft tätig sind, gibt es noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten – da ist noch viel Luft nach oben.

Wie meinen Sie das?

Wir haben ein existierendes Netzwerk von Dell-Partnern, aber auch eines von Sonicwall- und Quest-Fachhändlern. Diese Netzwerke wachsen allmählich zusammen. Wir werden deshalb in Zukunft immer mehr Partner sehen, die grössere Teile des Portfolios anbieten werden. Wir wollen die Hardware- und Lösungsanbieter, etwa System­häuser, dahin bringen, auch gegenüber dem Kunden als Komplett­anbieter aufzutreten. Hierfür bieten wir den Fachhändlern etwa die nötigen Trainings und Zertifizierungen.

Sie ziehen also die Daumenschrauben bei den Partnern an.

Nein, wir bieten ihnen neue Chancen. Wir wollen den Ausbildungsstand unserer Partner erhöhen und sie in die Lage versetzen, verstärkt Dell-Lösungen und Services anzubieten. Dadurch ergeben sich auch für unsere Partner ganz neue Geschäftsmöglichkeiten und Margen-Opportunities. Unsere Partner müssen ihrerseits vom Boxmoving-­Geschäft wegkommen. Wir werden hierfür die Zertifizierungen weiter ausbauen, um unseren Partnern im Fachhandel weitere Kompetenzen und Werkzeuge an die Hand zu geben. Wir bestehen allerdings auch auf die entsprechenden Zertifizierungen. Diese werden auch von den Kunden verlangt.

Wie wollen Sie den Fachhandel von Ihren Ideen überzeugen, wo doch Dell für seine jahrelange Hassliebe zum Channel bekannt ist?

Das Partnergeschäft ist ein People-Business. Wir besuchen deshalb Fachhändler vor Ort. Wir haben uns zum Ziel gesetzt, mit ihnen auch grosse Kunden in der Schweiz anzugehen. Das ist sinnvoll, denn Partner sind etwa beim Support im Vorteil, da sie lokal verankert sind und die Kunden wiederum persönlich kennen. Darüber hinaus bieten wir attraktive Rabattprogramme an. Die Zukunftsaussichten mit uns als Komplettanbieter an der Seite sind gut. Unsere Financial Services erlauben es Partnern, insbesondere kleineren Resellern, mit uns zu wachsen. Wir konkurrieren auch nicht mit unseren Partnern, wenn es um Services für Kunden geht, sondern agieren komplementär. Ausserdem generieren wir aktiv Leads an unsere Partner. Wir verfolgen anschliessend die weitere Entwicklung des Geschäftsverlaufs bis zum Abschluss und besprechen die Projekte in den jeweiligen Stadien mit Fachhändlern. Wir sehen uns als Technology-Broker und Enabler und unsere Partner als Trusted Advisor.

Welches sind die attraktivsten Geschäftsbereiche für Ihre Partner?

Das kann man so nicht sagen, denn die Breite des Lösungsportfolios macht uns ja gerade so interessant. Grundsätzlich sind aber die Enterprise-Angebote besonders spannend, da hier die Margen liegen. Dazu zählen etwa unsere Lösungen im Server- und Storage-Umfeld sowie im Bereich Software-Defined Networking.

Wie wollen Sie mit Dell am SDN-Markt erfolgreich sein?

Es gibt zwei Wege, Netzwerklösungen anzubieten. Entweder über proprietäre oder über standardisierte Lösungen. Den ersten Weg kann ich gehen, wenn ich weiss, dass ich damit überleben kann. Die Margen im Netzwerkgeschäft sind noch sehr hoch. Bei Dell gehen wir genau in die andere Richtung. Wir sind gross geworden, weil wir offene Lösungen anbieten. Wir werden auch in dem noch jungen Bereich SDN auf offene Systeme setzen und damit einen gewaltigen Druck auf die bestehenden Player am Markt ausüben. Damit werden wir proprietäre Technologien auf mittlere Sicht zurückdrängen, und die Kunden wiederum werden von günstigeren Preisen profitieren.

Sie sind ein Spielverderber.

Wenn das Spiel darin besteht, Kunden geschlossene Systeme zu überhöhten Preisen anzubieten und ihnen die Wahlmöglichkeiten zu nehmen, dann sind wir gern ein Spielverderber. Wir bringen Bewegung in den Markt und sorgen für Offenheit. Kein Kunde will in proprietären Systemen gefangen sein. 1984 hat Michael Dell angefangen, PCs zu bauen, um mit IBM zu konkurrieren. Er hatte Erfolg und konnte seine Systeme zu weit günstigeren Preisen anbieten als die Mitbewerber. Und genau das hat ihn ja so erfolgreich gemacht, denn er hat den Markt auch für die Menschen geöffnet, die sich PCs bis dahin nicht leisten konnten. Dieses Erfolgsmodell wiederholte Dell in anderen Bereichen wie etwa bei Servern und Storage. Jetzt werden wir in den SDN-Bereich einsteigen und den Weg dafür bereiten, einen der letzten grossen Profitpools in der IT im Interesse der Kunden zu reduzieren. Durch die Einführung von Standards und die Verdrängung proprietärer Technologie können wir unseren Kunden einen echten Vorteil bieten. Wir haben damit auch Erfolg. So haben wir kürzlich den Zuschlag für ein SDN-Projekt einer grossen Schweizer Hochschule erhalten.

Was werden 2015 die Ziele für Dell Schweiz sein?

Ein Ziel wird sein, dem Channel unser Commitment zu verdeutlichen. Wir wollen den Partnern zeigen, dass wir es mit dem Partnergeschäft wirklich ernst meinen und sie mit uns einen soliden Partner im Rücken haben. Dafür werden wir dieses Jahr weiter an der Qualität unserer Channelbetreuung arbeiten, um starke Partner aufzubauen. Das ist wichtig, allein schon wegen der Eigenheiten des Schweizer Marktes. Für Schweizer Kunden steht etwa Qualität im Vordergrund. Unsere Spezialisten werden die Partner im Fachhandel entsprechend betreuen und unterstützen. Wir wollen lieber weniger Partner, aber dafür jene, die kompetent und mit Sinn für hochwertige Arbeit wachsen wollen.

Wie lautet Ihre persönliche Botschaft an den Channel?

Glaubt an uns! Freut euch, dass es noch einen Komplettanbieter gibt! Wir haben unsere Strukturen geändert und das Geschäftsmodell für den Channel weit geöffnet. Für uns wird es kein Zurück mehr geben.

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78zCPTiy