Vis-à-Vis

"Wir haben 23 Prozent mehr Channelpartner als vor einem Jahr"

Uhr | Updated
von Marc Landis

Lenovo hat vor einem Jahr damit angefangen, eine "richtige" ­Länderniederlassung aufzubauen. Country Manager ist Patrick Roettger, der das Unternehmen zum PC-Vollsortimenter aus­bauen soll. Der nächste grosse Schritt wird der Start des Consumer-Business Anfang April sein.

Patrick Roettger, Managing Director, Lenovo Switzerland (Quelle: Netzmedien)
Patrick Roettger, Managing Director, Lenovo Switzerland (Quelle: Netzmedien)

Sie sind seit knapp einem Jahr – wieder – für die Schweizer Lenovo-Niederlassung verantwortlich, nachdem Sie vor neun Jahren die Ausgliederung des IBM-PC-Geschäfts an Lenovo in der Schweiz begleitet, dann die Schweizer Lenovo-Niederlassung mitgegründet  hatten und später ins Lenovo-EMEA-Team gewechselte sind. Warum wollten Sie nach der Regionen-Funktion wieder zurück auf Länderstufe wirken?

Patrick Roettger: Gut beobachtet. Ich war ja damals Leiter der PC-Abteilung von IBM. Dann kam diese spannende Phase: Wir bauen da­raus unser eigenes Unternehmen und nehmen die Leute aus der Abteilung heraus und verselbstständigen uns. Nachdem ich das ein paar Jahre gemacht hatte, entschied sich Lenovo, sich zu segmentieren und sehr viel Entscheidungsgewalt in der EMEA-Zentrale zu vereinen. Der Gedanke gefiel mir und so beschloss ich, in die EMEA-Zentrale zu wechseln. Ich habe also einige Jahre in der EMEA-Zentrale verbracht und verschiedene Stellen in verschiedenen Sparten durchlaufen. Rein rechtlich war ich zwar immer der Geschäftsführer von Lenovo Schweiz, allerdings beschränkte sich die Tätigkeit auf wenige administrative Aufgaben. Dann kam die Phase vor anderthalb Jahren, als sich Lenovo überlegte, ob es nicht sinnvoller wäre, statt eine segmentierte Organisation zu haben, eine Länderorganisation aufzubauen, mit eigenständiger Strategie und eigenständigem Marketing und einem eigenständigen Sortiment.

Aber lohnt sich das für die kleine Schweiz?

Die Schweiz ist gross genug, das Potenzial ist da, der Markt ist speziell genug, um nicht von einer zentralen Stelle gemanagt zu werden. Und es gibt auch bei Lenovo weltweit ein starkes Bestreben, wieder Ländergesellschaften einzuführen. In Holland wurde es schon gemacht und auch in Dänemark. Die Schweiz ist insofern kein Sonderfall. Als man mich dann fragte, ob ich Interesse daran hätte, eine neue lokale Länderorganisation aufzubauen, habe ich zugesagt. Wichtig für meine Entscheidung war, dass ich anders als vorher alle betriebswirtschaftlichen Werkzeuge benutzen und als Länderchef auch selbstständig über die Art und Weise der Betriebsführung entscheiden kann.

Und was bedeutet das nun konkret?

Es bedeutet, dass Lenovo mir die volle P&L-Verantwortung (P&L = Profit and Loss, Anm. d. Red.), die volle Marketingverantwortung und die volle Mitarbeiterverantwortung für die Schweiz übertragen hat. Ich kann zudem innerhalb der definierten Strategie das Angebot bestimmen, und ich verwalte auch das gesamte Budget für das Business Development. Zudem entscheide ich gemeinsam mit meinem Team, für welche Massnahmen und Produktsegmente es eingesetzt wird. Apropos Team: In den vergangenen Monaten haben wir hier neue Mitarbeitende eingestellt und wir werden noch weitere einstellen, damit wir hier als eigenständige Länderorganisation agieren können. Es ist auch nötig, für bestimmte Funktionen, insbesondere natürlich für Sales, Business Development, Produktmanagement, Marketing/PR etc. Andere Funktionen kann man zentral managen. Mein «Finanz-Mensch» etwa muss nicht physisch bei mir hier in der Schweiz sein.

In welchem Zustand haben Sie Lenovo Schweiz übernommen?

Als ich die volle P&L-Verantwortung für das Schweizer Geschäft übernahm, haben die Leute hier zum Teil silo-orientiert gearbeitet, also nach Kundensegmenten wie Grosskunden, Public-Kunden, SMB-Kunden, Channel etc. Der Zustand war je nach Kundensegment sehr unterschiedlich. Das Geschäft im Channel und im SMB-Bereich war zufriedenstellend, allerdings ohne besondere Dynamik. Nicht zufriedenstellend war das Geschäft mit Enterprise-Kunden und jenes im Public-Sektor. Diese beiden Bereiche wurden aber auch nicht besonders lokal geführt.

Was haben Sie in den letzten zwölf Monaten erreicht?

Meinen Chefs habe ich von Anfang an gesagt, dass ich ein Jahr brauche, um etwas zu erreichen. Im Enterprise-Geschäft und im Public-­Sektor sind wir wieder on track, auch wenn die Entwicklung hier infolge der längeren Entscheidungszyklen weniger schnell geht als im Channel- beziehungsweise im SMB-Geschäft. Im Channel- wie im SMB-Business konnten wir sehr schnell sehr viel erreichen. Seit April vor einem Jahr sind wir in der Schweiz in diesem Sektor jedes Quartal zweistellig gewachsen und wir haben heute 23 Prozent mehr aktive Channelpartner als vor einem Jahr. Auf der Consumer-Seite stehen wir mit Lenovo noch bei null. Denn das Consumer-Business lief bis jetzt eigentlich nur über Medion. Der Schweizer PC-Markt teilt sich vom Umsatz her in zwei Hälften. Wir sind die Nummer zwei im Commercial-Geschäft. Im Consumer-Markt sind wir noch nirgends. Das Wachstumspotenzial für uns ist in dem Bereich enorm. Deshalb freue ich mich auch so auf April.

Wie verläuft Ihre Retail-Offensive? Sie haben ja im November angekündigt, dass Sie bis April eine entsprechende Strategie ausarbeiten würden. Wie weit sind Sie damit, und wie sieht die Strategie genau aus?

Ab dem 1. April werden wir die volle P&L-Verantwortung für den Consumer-Bereich hier in der Schweiz selbst übernehmen. Wie die Strategie konkret aussieht, werden wir am 4. April kommunizieren. Was ich Ihnen heute sagen kann, ist: Die Leute sind da. Roger Brustio wird das Consumer-Geschäft leiten, wir werden ein eigenes Produktmanagement hier bei uns in Schlieren haben, die für Marketing und PR verantwortliche Person wird in zwei Monaten anfangen, und wir werden eine Schweizer PR-Agentur haben. Lenovo hat, wenn wir die Smartphones ausklammern, etwa 250 Consumer-Produkte im Angebot. Aus diesen werden wir genau die Produkte auswählen, die wir für den Schweizer Markt brauchen. Die Vertriebsstrategie wird Online- und Offlinekanäle berücksichtigen. Und wir werden in unserer Consumer-Strategie auch unsere traditionellen, also die Commercial-Channels berücksichtigen.

Was sind denn Ihre Wachstumsziele im Consumer-Business?

Das kann ich Ihnen nicht konkret beantworten. Meine Erfahrung in der Lenovo-Welt zeigt aber, dass wir, immer wenn wir in einen neuen Markt einsteigen, ziemlich schnell einen zweistelligen Marktanteil erreichen wollen. Heute haben wir über alle Geschäftsbereiche gesehen in der Schweiz einen Marktanteil von 10,1 Prozent gemäss IDC. Lenovo hat weltweit gesehen bereits bewiesen, dass das Unternehmen der grösste PC-Hersteller der Welt werden kann. Meine Kollegen in Deutschland haben bewiesen, dass Lenovo der grösste PC-Hersteller in einem Land werden kann. Nun frage ich Sie: Warum sollten wir das nicht auch in der Schweiz erreichen können?

Aber das Setting ist in der Schweiz schon etwas anders als in anderen Ländern, wenn Sie an die starke Stellung von HP denken oder auch daran, dass die Schweiz das Apple-­Land schlechthin ist …

Der Weg zur Nummer eins ist sicherlich ein langfristiger und auch kein einfacher. Aber technisch gesehen müsste es möglich sein, und warum sollte ich meine Wachstumsziele beschränken?

Welche Wachstumsziele hat Lenovo in der Schweiz im Commercial-Geschäft?

Wir sind jetzt Nummer zwei mit etwa 15 bis 20 Prozent Marktanteil, je nachdem, welche Statistik wir zur Hand nehmen. Mittelfristig ist das Ziel, näher an die Nummer eins heranzukommen und sie irgendwann zu überholen.

Wann wird Lenovo die Nummer eins im Schweizer PC-Markt sein?

Nicht in den kommenden vier Quartalen. Aber langfristig gibt es dieses Ziel.

Was heisst langfristig? So fünf Jahre plus?

Ja, so in die Richtung.

Wie wollen Sie ohne starke Stellung bei Smartphones und Tablets in Ihrem Geschäft innovativ und erfolgreich sein?

Die Frage könnte auch lauten: Warum gibt es Smartphones von Lenovo nicht schon lange auch in der Schweiz? Denn sonst gibt es sie ja. Die Antwort ist: Lenovo lässt sich immer Zeit und will die Sachen richtig machen. Wenn man in einen Markt, wie etwa denjenigen der Smartphones, einsteigen will und der Markenname ist unbekannt, dann kann man nur über den Preis schnell wachsen. Das wollen wir aber nicht. In der Schweiz wollen wir übrigens auch nicht kurzfristig in den Smartphone-Markt einsteigen. Auch nicht unter dem Namen Motorola. Bei Tablets sind wir im Übrigen durchaus innovativ. Und erfolgreich werden wir auch sein. Unser erster Job ist es nun, den Markennamen Lenovo auf der Strasse, bei den Consumern, bekannt zu machen und als qualitativ hochwertig zu positionieren. Dann wird es mit den hochwertigen Consumer-Produkten auch in der Schweiz klappen.

Lenovo plant die Akquisition der Intel-Server-Sparte von IBM, was sind die Überlegungen dahinter?

In der Vergangenheit habe ich von Händlern oft gehört, dass sie Lieferanten als Partner bevorzugen, bei denen sie alle Hardwarekomponenten aus einer Hand bekommen. Lenovo will immer mehr zu einem solchen Partner werden, insbesondere auch durch die geplante Akquisition der Intel-Server-Sparte von IBM. Ein weiteres Argument für die Akquisition, sofern sie dann von den entsprechenden Behörden auch genehmigt wird, ist, dass wir damit auf einen Schlag sehr viele gute neue Mitarbeiter mit ausgeprägten Skills im Servergeschäft erhalten. Eine weitere Überlegung ist aus betriebswirtschaftlicher Sicht natürlich, dass wir damit auch unseren Umsatz steigern und gleichzeitig eine hochprofitable Sparte bei uns integrieren können.

Lenovo plant die Akquisition von Motorola Mobility. Was sind die Überlegungen dahinter?

Einerseits geht es um den Brand im Mobilfunkgeschäft. Motorola ist gerade in den USA und in Lateinamerika immer noch eine sehr starke Mobile-Marke. Motorola wird uns helfen, die Verbreitung von Lenovo-Mobiltelefonen zu beschleunigen. Wir können uns in verschiedenen Ländern auch eine Zwei-Marken-Strategie bei den Mobiltelefonen vorstellen. Allerdings ist das für die Schweiz zurzeit nicht relevant, da wir hierzulande bis auf Weiteres ja keine Mobiltelefone einführen werden.

Welche Veränderungen gibt es in der Distributionspolitik?

Es wird sich nichts Grundsätzliches ändern. Wir machen rund 90 Prozent unseres Umsatzes über den Channel, und das wird auch weiterhin so bleiben. Verbessert haben wir aber unsere Channel-Coverage. Wir konzentrieren uns heute viel mehr darauf, alle Grössen von Resellern, auch kleinere, gut zu betreuen. Wie schon gesagt, konnten wir die Anzahl der aktiven Händler in den vergangenen zwölf Monaten deutlich steigern. Direktumsatz machen wir nur in zwei Bereichen. Es gibt eine kleine Auswahl an Produkten, die wir in unserem eigenen Onlineshop auf Lenovo.ch verkaufen. Das hat damit zu tun, dass es eine gewisse Zielgruppe gibt, die direkt online beim Hersteller kaufen will. Die zweite Zielgruppe, die wir direkt bedienen, sind einige wenige, sehr grosse globale Accounts, zum Beispiel ein sehr grosses Pharma­unternehmen aus Basel.

Ihre Message an den Schweizer IT-Channel?

Ich glaube, dass wir in den letzten fünf Jahren bewiesen haben, dass wir im Markt der stabilste Partner für den Channel sind. Wir haben immer getan, was wir gesagt haben, und wir werden weiterhin der am wenigsten mit dem Channel konkurrierende Hersteller sein. Wir haben nichts im Angebot, womit wir mit unseren Channelpartnern konkurrieren würden, keine Services, keine Software, kein Consulting.

Persönlich

Patrick Roettger ist in der Romandie aufgewachsen. Nach einigen Jahren als selbstständiger Softwareentwickler hat er seine berufliche "IT-Hardware"-Laufbahn bei IBM als Enterprise Sales aufgenommen. In den letzten 15 Jahren verantwortete er verschiedene lokale, ­europäische und globale Funktionen im Verkauf, im Finanzbereich und im Manage­ment im In- und Ausland. Er ist heute Geschäftsführer von Lenovo Schweiz, hat einen MBA und lebt mit seiner Familie in Wohlen (AG).

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