Marktbericht Kabel 2014

Grün verdrahtet

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Kabel und Öko? Ja, das geht und wird sogar essenziell, glaubt der Kabelverband International Cablemakers Federation (ICF). Möglichkeiten, Kabel grüner zu gestalten, gibt es zahlreiche: Angefangen bei der Wahl der Materialien für Ummantelungen bis hin zum Recycling von Metallen.

Gemäss den jüngsten Daten der International Cablemakers Federation (ICF) wurden 2012 Kabel im Wert von 179,4 Milliarden US-Dollar verkauft, verlegt und verbaut. Allerdings ging der Markt zurück. Weltweit sank der Verbrauch um 4,8 Prozent. Mit 11 Prozent ging das Kabelgeschäft in Europa zurück, wo Kabel im Wert von 36 Milliarden Dollar verbraucht wurden. Am deutlichsten war der Rückgang im krisengeschüttelten Spanien, wo der Verbrauch um fast 25 Prozent einbrach.

Westeuropa verbrauchte Kabel im Wert von rund 26 Milliarden Dollar

Im westeuropäischen Raum verbrauchten Konsumenten für 25,9 Milliarden Dollar Kabel. Um den Verbrauch zu decken, wurden für 15,2 Milliarden Dollar Kabel nach Westeuropa importiert, während die Hersteller für 13,7 Milliarden Dollar Kabel exportierten. Europas Kabelproduzenten produzierten Kabel im Wert von 24,4 Milliarden Dollar. Trotz des sinkenden Marktes sieht die ICF auch Trends, die auf erneutes Wachstum hinweisen. Eine positive Entwicklung sieht die ICF bei den Rechenzentren. Der Verband prophezeit dem Rechenzentrumsmarkt jährliche Wachstumsraten von 31 Prozent zwischen 2011 und 2016. Gebraucht würden Kabel für die Telekommunikation für lange Distanzen hin zu Rechenzentren, Kabel für das sogenannte Backbone und jede Menge Kabel für die Vernetzung von Servern, Speicher und Infrastruktur innerhalb eines Datacenters.

Da allerdings viele der Systeme in Rechenzentren vorkonfektioniert installiert werden, lägen für den Kabelmarkt in Rechenzentren kaum zuverlässige Daten vor. ICF wagt daher die Voraussage, dass der Markt für Kabel und Kabel-­Assemblierungen rund eine Milliarde US-Dollar beträgt, bei jährlichen Wachstumsraten im zweistelligen Prozentbereich.

Grünes Denken hält Einzug ins Kabelgeschäft

Ein Trend im Rechenzentrumsgeschäft sind grüne Themen wie Energieeffizienz, Nachhaltigkeit und Recycling. Ähnliches bewegt derzeit den Kabelmarkt. Angetrieben wird diese Entwicklung aber nur zum Teil durch grüne Gedanken. Ein Motiv ist etwa der Wunsch nach neuen Isolationsmaterialien, die schwerer entflammbar sind oder im Brandfall keine giftigen Gase freisetzen. Druck kommt auch von der EU durch die Chemikalienverordnung Reach. Diese nimmt die Hersteller, etwa von Kunststoffen, in die Pflicht, die Stoffe ab einer festgelegten Menge auf deren Gesundheitsschädlichkeit zu testen.

Ein Argument für umweltverträglichere und zusätzlich bessere Kabel ist simpel: eine längere Lebensdauer von Kabeln. Die genaue Lebens­dauer eines Kabels zu bestimmen, gilt als schwierig. Ausserdem überdauern Kabel meist die Einsatzzeit der Geräte, die sie mit Energie oder Daten versorgen sollen. Hersteller geben die Lebenszeit von Kabeln mit bis zu 40 Jahren an. Doch für Gebäude oder Bereiche wie die Daten- und Kommunikationsübertragung wären langlebigere Kabel von Vorteil, glaubt die ICF. Denn Kabel auszutauschen, speziell in Gebäuden, kann sehr aufwändig, teuer und recourcenhungrig werden.

Weniger Verpackung

Bisher reduzierten Hersteller die Verpackungen für ihre Kabel nur dann, wenn sie Kosteneinsparungen sahen. Heute könnten Hersteller die eigentliche Kostenersparnis auch als Marketing­ verbuchen. Weniger Verpackung könnte als grüne Bestrebung verkauft werden, was bereits von einigen Herstellern gemacht wird. Grosse Kabel werden auf Trommeln aufgerollt und an die Kunden ausgeliefert. Diese Kabelrollen werden über Jahre mehrmals gebraucht, wenn sie denn den Weg zurück zum Hersteller finden. Häufig lagern sie bei den Endkunden oder werden entsorgt. Ziehen die Hersteller hier die grüne Karte als Trumpf, erzielen sie höhere Rücklaufquoten. Auf diese Weise soll ein grosser, nicht genannter Kabelhersteller 280 000 Trommeln bis zu fünf Mal wiederverwendet haben. Dadurch konnten rein rechnerisch 94 000 Tonnen Holz eingespart werden. Das entspricht laut ICF rund 100 000 Bäumen, beziehungsweise 45 Hektar Wald. Und das jedes Jahr.

Öko als Margenvorteil

Auch am Kabelmaterial liesse sich sparen, glaubt der Verband. Ein geringes Gewicht würde während des Transports etwa die Umwelt schonen. Ein leichteres Kabel bietet auch den Verbrauchern Vorteile und spart Kosten. Allerdings gesteht sich ICF ein, dass es bisher nur wenige Kunden gibt, die mehr für ein Kabel ausgeben würden, nur weil es die Umwelt schonen könnte.

Ein weiterer Aspekt, der für grünere Kabel spricht, ist der Premium-Gedanke. Ein Hersteller, der mit hochwertigen und grünen Produkten wirbt, könnte sich eher gegen Niedrigpreis-­Anbieter durchsetzen. Da neuartige, umweltverträgliche Kabel teilweise schwieriger herzustellen sind, liessen sich diese auch nicht ohne weiteres nachproduzieren. Das verschafft neben einer höheren Marge auch etwas Abstand zur Konkurrenz.

Technisches Potenzial auf allen Ebenen

ICF sieht auf technischer Ebene drei Bereiche, die verbessert werden könnten: Leiter, Ummantelung und Isolator. Kupferleiter lassen sich kaum mehr verbessern, allerdings gibt es derzeit Bestrebungen in der Industrie, Leiter aus Kupfer-Aluminium-Legierungen als grüne Alternative zu bewerben. Diese gelten als leichter und potenziell umweltfreundlicher. Auf der anderen Seite können diese Legierungen schlechter recycelt werden als reine Kupferleitungen. Abgesehen davon verbraucht die Herstellung von Aluminium sehr viel Energie. «Von einem ökologischen Gesichtspunkt aus sehen wir Kupfer-Alu-Legierungen nicht als realistische Alternative zu Kupfer», betont deshalb ICF.

Eine echte Alternative wären Lichtwellenleiter (Glasfasern). Bei der Herstellung können Kombinationen aus UV-Lampen und LED höhere Ausbeuten liefern und die Gebrauchskosten zwischen 30 und 70 Prozent senken. Ausserdem werden die Fasern dünner: Erste Hersteller produzieren Fasern mit 200 Mikrometern (0,2 Millimeter) Durchmesser, statt der sonst üblichen 250 Mikrometer Durchmesser. Ein Forschungsprodukt ist ein Kabel mit zwölf 242-Mikrometer-Fasern. Dieses misst insgesamt 1,15 Millimeter im Querschnitt. Mit zwölf 200-Mikrometer-Fasern liesse sich der Querschnitt auf 1 Millimeter senken, hofft ICF. Dadurch liessen sich die Leitungen dichter packen, ausserdem dürften sie leichter sein. Davon versprechen sich Kunden vielleicht Verbesserungen wie eine höhere Wirtschaftlichkeit. Allein aus ökologischen Gründen dürften die Kunden aber kaum auf neue Glasfasern wechseln.

Wenn Kabelhersteller von grüneren Kabeln sprechen, meinen sie häufig Ummantelungen, die frei von halogenhaltigen Materialien wie die hormonaktiven Phthalate sind. Neuere Entwicklungen gehen hier weiter und führen zu neuen Polymeren, etwa auf Ethanol (Alkohol) basierende Biokunststoffe. Diese ersetzen zumindest teilweise erdölbasierte Rohstoffe. ICF sieht in der Entwicklung dieser neuen Polymere ein grosses Potenzial für die gesamte Kabelindustrie.

Trend: Kabel-Recycling

Im Jahr 2012 wurden 90 000 Tonnen PVC von Kabeln wiedergewonnen. Das entspricht rund einem Viertel des recycelten PVC im ­EU-Raum plus der Schweiz, Norwegen und der Türkei. Ausserdem sank die Produktion von bleihaltigen Stabilisierern in den letzten fünf Jahren von 100 000 auf 25 000 Tonnen. Hingegen stieg der Einsatz von Stabilisierern auf Kalzium-Basis um ein Drittel auf 90 000 Tonnen.

Zwar gibt es Spezialisten für das Kabelrecycling, doch auch die Hersteller könnten helfen, findet ICF. Etwa indem sie ihre Kabel neu gestalten, sodass Recycler die Materialien für Ummantelung und die Rohstoffe der Leiter einfacher rückgewinnen können. Besonders Verbundstoffe in Ummantelungen und Isolatoren gelten als schwierig für die Aufbereiter. Einige Hersteller gehen inzwischen dazu über, alte Kabel gegen einen Incentive vom Kunden zurückzunehmen. Auf diese Weise können Hersteller neue Kabel aus «alten» Rohstoffen wie etwa dem wichtigen Kupfer produzieren. Das könnte auch die Kosten für den Einkauf von Kupfer als Rohstoff berechenbarer machen. Die ICF glaubt, dass das Geschäft mit Kabelrecycling in den kommenden Jahren stark wachsen wird.

Der Kabelverband sieht in grünen Kabeln grundsätzlich einen bedeutenden Trend für die Industrie. Allerdings dürfte die Erziehung der Kunden hin zu einem ökologischeren Bewusstsein ein langer Prozess sein. Dennoch sei dies der Weg der Zukunft. Für Hersteller, die hier nicht mitziehen, befürchtet der Verband hingegen Wettbewerbsnachteile

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