Im Gespräch mit Marcel Borgo, HP Schweiz

"Die Cloud-Transformation wird uns noch zehn bis zwanzig Jahre begleiten"

Uhr | Updated
von Marc Landis

Seit 1. Dezember 2012 ist Marcel Borgo Nachfolger von Hauke Stars. Was der neue Managing Director mit HP Schweiz vorhat und wie sein Führungsstil aussieht, erklärt er im Gespräch mit IT-Markt.

Marcel Borgo, Country Manager Personal Systems Group, Hewlett-Packard
Marcel Borgo, Country Manager Personal Systems Group, Hewlett-Packard

Sie sind seit dem 1. Dezember Managing Director von Hewlett-Packard in der Schweiz. Übernehmen Sie ein gut geführtes Unternehmen von Ihrer Vorgängerin Hauke Stars?

Marcel Borgo: Ja. Wenn man die letzten sechs Jahre Revue passieren lässt, sieht man, dass HP sich kontinuierlich weiterentwickelt und verbessert hat. Hauke führte das Unternehmen gut, und ich übernehme hier ein Unternehmen, das in einem guten Zustand ist und im internationalen Vergleich unter den Ländergesellschaften immer eines der besten war. Das beweisen auch die zahlreichen Auszeichnungen, die HP Schweiz in den letzten Jahren immer wieder erhalten hat.

Daran wird dann auch Ihre Leistung gemessen werden. Das ist doch bestimmt ein ziemlicher Druck, der auf Ihnen lastet …

(lacht) Druck ist mein zweiter Vorname, den bin ich gewohnt. Ich habe sechs Jahre lang die Personal Systems Group geführt und nach dem Zusammenschluss derselben mit der Druckersparte die Printer und Personal Systems. Der Wettbewerb ist in diesem Bereich ganz besonders hart. Diese Geschäftseinheit hat aber auch sehr viel zum Erfolg von HP in der Schweiz beigetragen und war damit auch mitverantwortlich für die Auszeichnungen, die die Schweizer Niederlassung von HP gewonnen hat. Wir waren mit der PC-Sparte drei Mal Country of the Year in der Region EMEA.

Was werden Sie anders machen als Hauke Stars?

Sie hat das Unternehmen sechs Jahre lang geführt. In dieser Zeit hat sich die IT stark verändert. Heute haben wir eine andere Ausgangslage als vor sechs Jahren. Meine Aufgabe ist es, die Firma so weiterzuentwickeln, wie es das Umfeld heute erfordert. Ich will aber das Unternehmen auch nicht auf den Kopf stellen und gehe nach dem Motto "Never change a winning team" vor. Es wird keine revolutionären Änderungen geben, sondern ich will HP in der Schweiz evolutionär weiterentwickeln. Neu ist, und zwar nicht nur in der Schweiz, dass ich als Managing Director gleichzeitig auch verantwortlich bin für das Enterprise-Geschäft. Eine Business-Group zu führen liegt mir, das mache ich gerne. Damit schliesst sich für mich auch ein Kreis. Ich hatte ja schon einmal die Verantwortung für dieses Geschäft inne.

Wie bringen Sie diese Doppelbelastung mit der Leitung des Enterprise-Geschäfts und der Leitung der Ländergesellschaft unter einen Hut?

Das wird bestimmt nicht ganz einfach werden. Ich kann aber gut Prioritäten setzen und versuche das Richtige zur richtigen Zeit zu tun.

Wie würden Sie Ihren Führungsstil charakterisieren?

Ich bin gerne nahe an den Leuten. Ich will nicht aus dem Glashaus heraus managen. In meinen ersten acht Wochen im neuen Job habe ich gemerkt, dass ich viel mehr als vorher auch eine Vorbildfunktion habe. Ich werde als "role model" angeschaut. Alles, was ich sage und tue, wird von meinen Mitarbeitern genau beobachtet. Und so führe ich auch durch mein Vorbild. Ich lebe vor, wie ich es haben möchte, welche Werte für mich und welche Werte der Firma wichtig sind. Ich gehe oft mit meinen Mitarbeitern am Morgen früh Kaffee trinken. Die Leute wissen mittlerweile, dass sie mit mir Kaffee trinken müssen, wenn sie unkompliziert und schnell etwas von mir wollen oder mir ein Feedback geben möchten. Zudem spüre ich in so einer informellen Umgebung abseits von Meetings und Telefonkonferenzen auch sofort, wie die Stimmung ist. Und das ist mir wichtig.

Und wie war die Stimmung, als bekannt wurde, dass Stars geht und Borgo übernimmt? Wie ist die Stimmung jetzt?

Hauke Stars hat hier einen sehr guten Job gemacht und die Länderniederlassung auch sicher durch unruhige Zeiten gelenkt. Die Mitarbeiter haben es auch geschätzt, dass sie so lange geblieben ist und nicht schon nach zwei Jahren wieder verschwand. Diese Kontinuität hat dem Unternehmen gut getan. Dass sie nach sechs Jahren den nächsten Karriereschritt machen wollte, leuchtet ein. Und sie ist auch im richtigen Alter dafür. Unsere Mitarbeiter waren aber froh, dass ein bekannter Name als Nachfolger von Hauke angekündigt wurde und nicht irgendein Unbekannter. Das wurde mir in unzähligen Gratulations-E-Mails und Anrufen vielfach bestätigt. Ich bin ja seit 1989 bei HP. Die Leute kennen mich, wissen, was sie von mir erwarten können und was nicht. Auch von Kunden- und Partnerseite war das Echo überwältigend positiv.

HP baut in der Schweiz über 200 Stellen ab. Wie weit ist diese Restrukturierung vorangeschritten? Aus welchen Bereichen müssen Mitarbeiter gehen oder werden nicht ersetzt, wenn sie von allein gehen?

Ich muss vorausschicken, dass Stellenabbau für mich das Schlimmste überhaupt ist. Es ist auch immer ein Verlust fürs Unternehmen. Leider ist es Teil meines Jobs. Und es ist unumgänglich. Die ganze Branche steht unter einem Margendruck, da gilt es auch für uns, die Kosten anzupassen. Denn HP will und muss Geld verdienen, um vermehrt in Innovation investieren zu können. Durch die Zusammenlegung der Drucker- und der PC-Sparte gibt es auch Doppelspurigkeiten, die bereinigt werden müssen. Den Stellenabbau werden wir aber so sozialverträglich und so fair wie möglich gestalten. Viele Stellen können wir über die natürliche Fluktuation abbauen. Es wird auch Frühpensionierungen geben und leider auch Entlassungen. Der Stellenabbau wird bis Oktober 2014 abgeschlossen sein.

HP-CEO Meg Whitman hat letzten Herbst verkündet, 2013 werde es um "Reparaturen und Wiederaufbau" gehen. Was muss man sich aus Schweizer Sicht darunter vorstellen?

Wir haben teilweise schon darüber gesprochen: Die Restrukturierung mit dem Stellenabbau, die Zusammenlegung von PC und Printersparte. Mit Reparatur und Wiederaufbau ist aber auch gemeint, dass HP etwa das Vertrauen seiner Mitarbeiter ins Unternehmen erhöhen will. Auch das Vertrauen bei den Kunden und bei den Channelpartnern musste und muss gestärkt werden. Umfragen bei Kunden, Channelpartnern und Mitarbeitern hier in der Schweiz zeigen aber, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Die Umfrageergebnisse haben sich deutlich verbessert. HP wird auch wieder mehr in Innovation, das heisst in Forschung und Entwicklung, und in die Förderung unserer Mitarbeiter investieren.

Wie läuft das Schweizer Geschäft von HP? Wie lief das Jahr 2012?

2012 war ein schwieriges Jahr. Wir haben uns mit dem Markt entwickelt und der verlief vor allem im zweiten Halbjahr im Hardwaregeschäft schleppend. Es war wie verhext. Nach dem üblichen saisonalen Einbruch im Sommer sprang das Geschäft einfach nicht mehr richtig an. Im November und Dezember kam das Geschäft dann aber glücklicherweise aus den Sommerferien zurück. 2012 stand auch unter dem Einfluss von Konsum- und Investitionszurückhaltung. Das führte bei den Geschäftskunden zu signifikanten Lifecycle-Erweiterungen. Aber wie sagt man so schön: aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Was wir 2012 nicht verkauft haben, werden wir 2013 zusätzlich verkaufen.

Wie reagieren die Schweizer Kundschaft und der Channel auf Dinge wie das Autonomy-Debakel (8,8 Milliarden US-Dollar Abschreibungen)?

Das war vor allem ein Medienthema. Schliesslich handelt es sich ja "nur" um eine buchhalterische Wertberichtigung auf einen bestimmten Asset. Das operative Geschäft ist dadurch nicht tangiert und die Sache hat auch keinen Einfluss auf das Schweizer Geschäft. Unsere Kunden und Channelpartner interessiert viel mehr: Wie kann ich das sehr leistungsfähige Produkt von Autonomy erfolgreich einsetzen? Wir haben in der Schweiz einige sehr erfolgreiche Projekte am Laufen.

Was würden Sie angesichts des Schlingerkurses im vergangenen Jahr als grösste Stärke von HP bezeichnen?

Im vergangenen Jahr gab es keinen Schlingerkurs. Unser CEO Meg Whitman hat sich zu mehreren Gelegenheiten glasklar zu Vision und Strategie von HP geäussert. Diese Strategie wurde und wird nun umgesetzt. Zu dieser Strategie gehört das Bekenntnis zu einem starken Hardwaregeschäft mit PCs, Printern, Servern, Storage und Netzwerkkomponenten, es gehört unsere fokussierte Cloud-Strategie dazu und unser Commitment zum Channel. HP will eine Technologiefirma bleiben und wird vermehrt auf Innovation aus eigener Entwicklung setzen. Wir hatten allerdings unbestritten letztes Jahr einige schlechte Medienberichte, die unserem Image schadeten.

HP Deutschland will die "Beziehungen zum Channel kitten". Wie steht es um das Verhältnis zwischen HP und dem Channel in der Schweiz?

In der Schweiz sind die Beziehungen zwischen HP und dem Channel absolut intakt. Wir hatten vor kurzem ein Treffen auf der Lenk mit unseren 50 wichtigsten Channelpartnern und präsentierten unsere Pläne für 2013. Das Feedback war sehr positiv. Uns wurde auch attestiert, dass wir eine Channelfirma sind, heute und in Zukunft.

Sie haben beim Amtsantritt erklärt, dass Sie insbesondere die Position von HP bei Cloud-Services fördern wollen. Was muss man sich darunter genau vorstellen?

Eine Cloud besteht ja aus Server, Storage, Netzwerk und sehr viel Software. Es braucht eine Integration für den Betrieb und jemanden, der die Services dann abrechnet. Es gibt wenige Unternehmen, die alle diese Dinge aus einer Hand anbieten können. HP kann es. Was wir aber nicht können, ist, den ganzen Cloud-Markt allein abdecken. Dafür brauchen wir die Hilfe unserer Businesspartner. Dafür bieten wir auch entsprechende Cloud-Zertifizierungen an: Die Cloud Builder Spezialisierung, die Utility & Cloud Sales Spezialisierung.

Wie sieht HP die Funktion der Partner im Zeitalter der Cloud? Sind sie nicht eine vom Aussterben bedrohte Spezies?

Nein, ganz und gar nicht. Mit unseren Zertifizierungen werden unsere Channelpartner fit für die Cloud, wenn sie es noch nicht sind. Wir meinen auch, dass es für Channelpartner im Cloud-Zeitalter neue Geschäftsmodelle geben wird. Trotz des Cloud-Trends wird es parallel dazu noch auf Jahre hinaus das traditionelle IT-Business mit Verkauf, Integration, Betrieb und Support von Hardware und Software geben. Wir nehmen aber diejenigen Partner an die Hand und helfen denen bei der Transformation, die ihr Geld mit der Cloud verdienen wollen und auch bereit sind, sich entsprechend weiterzubilden. Es hat für die traditionellen Channelpartner und für die Cloudpartner genug Futter auf dem Markt.

In welchen Geschäftsfeldern würden Sie sich mehr Unterstützung von Ihren Partnern wünschen?

Die Partner machen nach wie vor einen sehr guten Job. Je nach Business realisieren wir zwischen 60 bis 80 Prozent unserer Erträge über den Channel. Ich würde mir manchmal wünschen, dass sie etwas mutiger wären und schneller auf Innovationen regierten. Wenn ich ihnen einen Rat geben müsste, würde ich ihnen sagen, dass sie sich Spezialkompetenzen aneignen und sich permanent weiterbilden sollten. Nur so wird es möglich sein, sich in der Wertschöpfungskette nach oben zu entwickeln. Das rein transaktionelle Geschäft wird auch in Zukunft vor allem von einigen wenigen "Grossen" beherrscht werden. Kleinere Fachhändler könnten sich spezielles Branchen-Know-how aneignen und sich in vertikale Märkte entwickeln.

Welche Bedeutung hat das Softwaregeschäft für HP? Hat es auch nach Léo Apothekers Abgang noch den gleichen Stellenwert?

Ja, auf alle Fälle, HP ist immer noch der sechstgrösste Anbieter von Software weltweit. Wenn wir Software entwickeln, machen wir das aber nicht um der Software willen, sondern immer zweckgebunden und im Zusammenhang mit der Hardware, die wir verkaufen und möglichst gewinnbringend für die Kunden einsetzen wollen. Wir benötigen Software etwa, um eine Infrastruktur zu managen, eine Umgebung sicher zu machen, Speicher zu allozieren, Dienste bereitzustellen und zu verwalten etc. Es geht darum, das Maximum aus unserer Technologie herauszuholen. Am Ende des Tages geht es bei unseren Kunden immer um Konsolidierung, Virtualisierung und Automatisierung von IT und von Geschäftsprozessen. Dafür braucht es HP-Software. Auch in den Bereichen Business Intelligence, Big Data brauchen unsere Kunden Software, um Datenströme schnell und effizient zu analysieren und daraus Business-Entscheidungen abzuleiten. Wir bauen Software, wenn es diese braucht, um unsere Technologie optimal zu betreiben und einzusetzen. HP-Software legt eine einfach zu bedienende Benutzeroberfläche über komplexe Technologie.

Welches sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten IT-Trends der nächsten zwölf Monate?

Die Trends sind nicht neu: Es sind dies Cloud, Security, Information Optimization und Mobility. Diese Trends werden uns noch lange beschäftigen. Vor allem die Cloud-Transformation wird uns noch für die kommenden 10 bis 20 Jahre begleiten. Denken Sie nur an all die alten Legacy-Systeme, die bei Grossunternehmen noch in Betrieb sind. Diese müssen früher oder später alle zumindest teilweise in die Cloud migrieren.

Welche Prognosen geben Sie für das "IT-Jahr 2013" ab?

Wie gesagt: aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Investitionen, die 2012 fällig gewesen wären, müssen früher oder später nachgeholt werden. Wenn nicht 2013, dann spätestens 2014. Deshalb bin ich für 2013 vorsichtig optimistisch.

Persönlich

 

Marcel Borgo ist seit 1989 für HP beziehungsweise für die von HP übernommenen Unternehmen Digital Equipment Corpora­tion und Compaq tätig. In dieser Zeit konnte er in verschiedensten Management-Funktionen Erfahrung sammeln, unter anderem als Sales Manager für den Bereich Unternehmensprodukte, Key Account Manager für die Finanzindustrie und Sales Manager für Global Services Switzerland. In den letzten sechs Jahren leitete Marcel Borgo erfolgreich das PC-Geschäft von HP Schweiz und konnte HP Schweiz zum klaren Marktführer in diesem Markt entwickeln. Am 1. Dezember 2012 wurde er zum Managing Director von HP Schweiz berufen. Quelle: HP Schweiz

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