Marktanalyse

Business-Software - quo vadis?

Uhr | Updated
von Urs Prantl

Seit Jahrzehnten wächst der Markt für Business-Software in der Schweiz unaufhaltsam. Das gilt für den erzielten Umsatz, die generierte Wertschöpfung, aber auch für die Zahl der Anbieter und ihrer Lösungen. Diese Entwicklung wird mit Sicherheit so ­weitergehen, wenn auch unter komplett veränderten Rahmenbedingungen.

Seit seiner initialen Erschliessung vor rund dreissig Jahren kennt der Markt für Business-Software in der Schweiz grundsätzlich nur den Weg nach oben. Mittlerweile sind aber Sättigungstendenzen erkenn- und teilweise auch offen sichtbar geworden. Hinzu kommen umwälzende technologische Neuerungen und vor allem komplett veränderte Ansprüche seitens der Kunden. Keine Frage, der ganze Markt befindet sich (nicht nur in der Schweiz) in einem grundlegenden Wandel. Nur, wohin geht die Reise?

Der Markt für Business-Software

Zuerst die gute Nachricht. Das Ende der Fahnenstange bei Geschäftssoftware ist noch lange nicht erreicht. Denn, solange es Unternehmen und Organisationen gibt, die sich in ihrem Wettbewerbsumfeld behaupten müssen, wird es auch Business-Software in irgendeiner Form brauchen. Wie diese in zehn oder zwanzig Jahren freilich aussehen wird, darüber kann nur spekuliert werden.

Kommt hinzu, dass mittlerweile auch viele kleinere und Kleinstunternehmen auf den Geschmack gekommen sind und erkennen, dass sich ihr Geschäft ohne vernünftige Software kaum noch sinnvoll steuern lässt. Gerade hier ist das Potenzial erst angekratzt und noch riesig. Aber auch alle anderen Unternehmen sind laufend einem extrem raschen Wandel unterworfen, was immer zu einer Anpassung ihrer Prozesse und damit zu Zusatz- und auch zu Neugeschäft für Softwareanbieter führt.

Der Wettbewerb, und damit verbunden der Kampf um jeden Kunden, wird aber gleichzeitig weiter zunehmen, das ist die Kehrseite der Medaille. Eine Entwicklung, die angesichts des oben beschriebenen Wachstumspotenzials des Marktes eigentlich nicht erstaunen kann. Mit dafür verantwortlich sind die tiefen Einstiegshürden für Newcomer und Start-ups in der Softwarebranche.

Auch wenn die Professionalisierung bei der Softwareentwicklung weiter voranschreitet, eine coole Idee, ein billiger Computer, eine Gratis-Entwicklungsumgebung und jugendlicher Enthusiasmus und Begeisterung genügen bereits dazu. Ein grosser Teil schweizerischer Softwarelösungen – auch noch heute – sind so entstanden. Last but not least erkennen immer mehr ausländische Hersteller, dass in der Schweiz (noch) richtig Geld mit Business-Software verdient werden kann, was den Konkurrenzdruck und damit verbunden den Preisdruck weiter verschärfen wird.

Bereits vor vielen Jahren wurde eine massive Konsolidierung bei den Anbietern von Business-Software in der Schweiz vorhergesagt. In der Praxis ist, auch aus den oben genannten Gründen, aber das Gegenteil eingetreten. Heute besteht in der Schweiz die Auswahl an – je nach Lesart – rund 600 bis 850 ERPs, gut doppelt so viele wie noch vor zehn Jahren. Auch dieser Trend wird sich weiter fortsetzen.

Die Kunden von Business-Software

Kunden sind inzwischen "erwachsen" und "mündig" geworden, diese zentrale Erkenntnis bestätigen die Softwareanbieter unisono. Viele haben bereits eine oder mehrere Softwareeinführungen hinter sich und (glauben zu) wissen, wie der Hase läuft.

Als Konsequenz daraus müssen sich Softwareanbieter diesem Trend anpassen und den Blick weg von ihren eigenen Produkten, hin zu den individuell zu lösenden Problemen bei ihren Kunden richten. Denn diese stehen ihrerseits unter einem meist noch viel höheren Wettbewerbsdruck und haben im Prinzip nur ein Ziel: Selbst erfolgreich(er) zu werden. In diesem Sinne betrachten sie ihre Business-Software als eine Investition, die sich über massive Effizienzsteigerung und idealerweise über eine Hilfe zur Differenzierung in ihrem eigenen Markt refinanzieren muss – und zwar sehr schnell.

Damit das nachhaltig funktionieren kann, werden Kunden künftig noch viel intensiver nach Anbietern suchen, die echte Beratung mit offenem Ausgang und Spezialisten-Know-how liefern können und nicht – wie immer noch üblich – Selbstverständlichkeiten als ihre Kernkompetenzen und USPs zu verkaufen versuchen. Typischerweise werden sich Kunden einen Softwarepartner suchen, der ihr Business prozess- und softwaretechnisch deutlich besser beherrscht als sie selbst. Die dazu nötige Expertise haben sich die Anbieter im Vorfeld in dutzenden Projekten bei vergleichbaren Kunden intensiv erarbeitet.

Die Business-Software selbst

Aber auch die Business-Software selbst wird sich grundlegend verändern (müssen). Als Ergebnis des fortschreitenden Reifeprozesses vor allem auch bei ERP-Systemen, gleichen sich diese funktionell und im Ergebnis immer mehr an. Es gibt heute kaum noch eine Business-Software, die nicht 80 bis 90 Prozent der Anforderungen eines durchschnittlichen Unternehmens – egal welcher Branche – abdecken kann. Das entspricht aber gerade nicht den Bedürfnissen künftiger Käufer. Sie suchen nicht mehr die Software für alles und jeden, sondern eine für sie perfekt passende Lösung mit tiefgehender Expertise dazu.

Weiter wird die Business-Software der Zukunft als Schaltzentrale für die "Industrie 4.0" und die Vernetzung aller Produktionsmittel und -ressourcen im Unternehmen dienen und über weite Strecken vollautomatisch ohne Benutzerinteraktion funktionieren. Und, damit das auch organisatorisch und technisch reibungslos funktioniert, läuft sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit (nur noch) in der Cloud.

Die Anbieter von Business-Software

Was sind in der Folge die Konsequenzen für hiesige Softwareunternehmen? Für jene, die vor einem Generationenwechsel ihrer Eigentümer und oft auch gleichzeitig ihrer Software stehen und keine Nachfolge in Aussicht haben, wird sich diese Frage kaum mehr stellen.

Die übrigen Anbieter von Business-Software werden aber lernen müssen, ihre langfristige Strategie konsequenter an zentralen Grundproblemen ihrer Kunden auszurichten und sich dabei von ihrer Technologieperspektive zu lösen. Sie müssen aufhören "Software zur Prozessoptimierung" zu programmieren und zu verkaufen und stattdessen ihren Kunden helfen, für sie wichtige Businessprobleme umfassend (auch mithilfe von Software) zu lösen. So kann ich mir durchaus vorstellen, dass das ERP der (weiteren) Zukunft ähnlich revolutionär daherkommen wird wie etwa der Google Driverless Car im Vergleich zu einer herkömmlichen "Benzinkutsche".

Untrennbar damit verbunden sind auf lange Sicht revolutionäre Veränderungen der Geschäftsmodelle wie wir sie etwa in der Musikindustrie oder in der Reisebranche beobachten können. Darauf gilt es sich rechtzeitig einzustellen oder sie im Idealfall als Trendsetter sogar massgeblich mitzusteuern.

Der Autor
Urs Prantl ist Spezialist für nach­haltige Zukunftsgestaltung im ­IT- und Softwaregeschäft bei der KMU Mentor GmbH

 

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