Porträt

Comerge – vom Forschungsprojekt zur Softwareschmiede

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Promovierter Informatiker, Entwickler und Patron – Till Bay kennt die Arbeitswelt aus verschiedenen Blickwinkeln. Entsprechend viele Facetten hat seine Firma Comerge. Sie lebt von einem Team mit einem gemeinsamen Ziel: Software zu bauen, die Freude macht.

Till Bay, Gründer und CEO des Zürcher Softwareherstellers Comerge. (Source: Netzmedien)
Till Bay, Gründer und CEO des Zürcher Softwareherstellers Comerge. (Source: Netzmedien)

Informatikern hängt ein verstaubtes Image an. Die Vorstellung vom sozial unbeholfenen Nerd, der nur am Rechner brilliert, ist jedoch falsch. "Ein guter Entwickler muss gut mit Menschen können", sagt Till Bay, Gründer und CEO des Zürcher Softwareherstellers Comerge. Denn, so sagt er: "Wer technische Lösungen finden will, braucht ein Gespür für gesellschaftliche Probleme und Freude an der Zusammenarbeit – mit Kunden, Kollegen und Studenten."

Bay sitzt an seinem Schreibtisch. Hinter ihm hängen bunte Bilder im Street-Art-Stil. Wer durch die Glaswände guckt, sieht die gesamte Büroetage. 30 Programmierer tüfteln an Projekten. Manche von ihnen hantieren mit Augmented-Reality-Brillen. Sie arbeiten an einer Medtech-Lösung für Chirurgen, wie Bay andeutet. Mehr dürfe er noch nicht verraten.

Der Chef, der keiner sein wollte

Ein Unternehmen zu führen, das war eigentlich nie sein Plan, wie Bay sagt. Seine erste Leidenschaft galt der Informatik. Er war noch ein Kind, als er einen Commodore 64 bekam und seine ersten Programmierschritte machte. Wenig später zeigte sich, dass er mehr im Kopf hat als nur Computer. "Mit 14 wollte ich Discos organisieren, also verband ich meinen C64 mit einer Relaisstation und programmierte Lichtshows", sagt er lächelnd.

Während des Gymnasiums habe er sein eigenes Geld verdient. Für allerlei Organisationen baute er Websites – einfaches Zeugs, wie er sagt. Schwierig sei es erst im Studium geworden. Er schrieb sich an der ETH Lausanne ein, weil er als Ausgleich zur Mathematik eine Fremdsprache lernen wollte. "Das war härter als gedacht: das erste Mal alleine wohnen, die fiesen Prüfungen und dann noch dieses Französisch …" Inzwischen spricht er es fliessend und gern.

Wer forscht, kämpft gegen Krisen

Nach dem Abschluss begann Bay an der ETH Zürich mit seiner Dissertation. Er stellte eine Entwicklerplattform namens Origo auf die Beine. Mit ihr konnten Entwickler gemeinsam an Source Code arbeiten – ähnlich wie heute mit Github. Die Plattform hatte einen doppelten Nutzen, wie Bay sagt: "Unsere Studenten entwickelten zusammen Games und ich untersuchte, wie Kollaboration in der Softwareentwicklung funktioniert."

2007 schloss Bay seine Promotion ab. Wie die meisten Doktoranden habe er mehrere Krisen durchgemacht. "Am Ende dachte ich mir: Jetzt will ich fertig schreiben und raus aus der ETH." Also fing er an, sich zu bewerben. Etliche Unternehmen luden Bay ein und unterbreiteten ihm Jobangebote, die er allesamt ablehnte. "Nichts klang besonders aufregend", sagt er. Doch die Personaler liessen nicht locker. "Könnten Sie vielleicht trotzdem etwas für uns programmieren?", habe es mehrmals geheissen. So trudelten drei, vier Projektanfragen ein. Und da lag es auf der Hand, eine Firma zu gründen.

Nach dem Start an Fahrt gewonnen

Kurz nach der Gründung kam die erste grosse Chance. Mobility lud zum Pitch. "Wir brachten einen Prototyp mit, der mehr konnte als das, was der vorherige Auftragnehmer in drei Jahren zustande gebracht hatte", sagt Bay. Comerge gewann den Auftrag und setzte die Carsharing-Plattform um. Nach dem Rollout sei das Projekt neun Jahre weitergelaufen. Hunderttausende Zeilen Code hätten die "Comerger", wie Bay seine Mitarbeiter nennt, schliesslich geschrieben.

Eine ähnliche Plattform baut das Team für den Veloverleiher Publibike. Es liefen derzeit auch ganz andere, ebenso spannende Projekte, sagt Bay. Seine Mitarbeiter entwickeln etwa Software für Biotech-, Robotik- und Logistik-Unternehmen, eine Messaging-Lösung à la Slack sowie eine Mobile App, mit der sich elektronische Türschlösser öffnen lassen.

Weiterwachsen, solange es Sinn macht

"Wer in der Schweiz massgeschneiderte Software bestellt, tut dies nur, wenn der Return on Investment sonnenklar ist", sagt Bay. Für ihn gehe es allerdings nicht ums Geld. Es sind die Projekte und seine Mitarbeiter, die ihm am Herzen lägen. "Ich will ihnen das Gefühl geben, dass sie hier am richtigen Ort sind, um Karriere zu machen und zu wachsen", sagt er.

Auch die Firma ist auf Wachstumskurs. Im Juli gründete Comerge eine Niederlassung in Kuala Lumpur. Derzeit würden acht Mitarbeiter dort ansässige Kunden bedienen. Warum Malaysia? In der Gymi-Zeit habe er dort ein Austauschjahr gemacht, die Kontakte bis heute gepflegt und so ein Netzwerk aufgebaut.

Das malaysische Büro bietet Platz für 20 Mitarbeiter. Läuft alles nach Plan, könnte Comerge zu einem 50-köpfigen Team heranwachsen. "Alles, was grösser ist, kann ich mir noch nicht vorstellen", sagt Bay. Schliesslich müsse man miteinander kommunizieren können. "Nur so entsteht spannende und sinnvolle Software, die Freude macht."

Till Bay will nicht nur sein Unternehmen Comerge, sondern auch seine Mitarbeiter und Nachwuchs-Informatiker fördern. (Source: Netzmedien)

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