Gaia-X

Wie sich Europa digital von Grosskonzernen lossagen will

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von René Jaun und kfi

Unter dem Namen Gaia-X wollen verschiedene europäische Staaten und Unternehmen eine digitale Infrastruktur aufbauen. Sie wurde ursprünglich als Antwort auf die digitale Übermacht US-amerikanischer Grosskonzerne präsentiert. Doch ebendiese Konzerne dürfen inzwischen selbst mitmachen.

(Source: YurolaitsAlbert / iStock.com)
(Source: YurolaitsAlbert / iStock.com)

Europa soll mehr digitale Souveränität aufbauen. Dies ist zumindest das Ziel der Initiative Gaia-X, die 2019 offiziell ins Leben gerufen wurde. Ziel sei es, eine sichere und vertrauenswürdige Dateninfrastruktur für Europa zu schaffen, wie die Gründer in einer Mitteilung schreiben.

Kampfansage an die Tech-Giganten, ...

Peter Altmaier, deutscher Bundesminister, bezeichnet Gaia-X in der Mitteilung als "Grundlage für ein digitales Ökosystem, in dem Daten verfügbar gemacht, gesammelt und gemeinsam genutzt werden können". Die Cloud solle "auf europäischen Werten und auf den Stärken unseres vielfältigen wirtschaftlichen Umfelds" basieren.

Ausserhalb der Pressemitteilung wird indes deutlich, dass es sich bei Gaia-X auch um eine Kampfansage handelt. "Die heimischen Unternehmen sollen nicht länger mangels Alternativen gezwungen sein, sensible Informationen bei den amerikanischen Cloud-Anbietern zu speichern", schreibt etwa das "Handelsblatt" unter Berufung auf Altmeier sowie die europäische Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.

Tatsächlich dominieren US Konzerne wie Amazon, Microsoft und Google den weltweiten Cloud-Markt, wie etwa eine Auswertung des Analysten Gartner zeigt. Nennenswerte Anteile haben demnach allenfalls noch die chinesischen Anbieter Alibaba und Tencent.

Anbieter aus den USA müssen sich vor allem wegen Datenschutzbedenken häufig Kritik gefallen lassen. Einerseits sind sie verpflichtet, den Behörden gespeicherte Daten für Strafverfolgungszwecke auszuhändigen. Andererseits entsprechen die Datenschutzgesetze der USA generell nicht europäischem Niveau. Aus diesem Grund erklärte der europäische Gerichtshof unlängst das Privacy Shield Abkommen, welches den Datentransfer zwischen der EU und den USA regelte, für ungültig.

... aber nicht ohne sie.

Initiiert wurde Gaia-X ursprünglich von Frankreich und Deutschland. Laut der Website sind inzwischen sieben europäische Staaten involviert. "Wir möchten weitere europäische Partner einladen, sich dem Projekt anzuschließen und zu seiner Entwicklung beizutragen", heisst es auf der Homepage. Zudem stehe man in Austausch mit der europäischen Kommission.

Doch auf der Liste der Unternehmen, die bei Gaia-X mitmischen, finden sich nicht nur europäische Namen. Überraschenderweise tauchen dort auch die oft kritisierten Firmen Microsoft, Amazon und Google auf, wie "Heise" unter Berufung auf die erste Projektkonferenz feststellt. Demnach gehören sie zu den gut 160 Gründungsmitgliedern der Gaia-X Foundation AISBL, einer belgischen Stiftung, die das Projekt fortan koordiniert. Auf der Konferenz sollen die Tech-Giganten "mehr Redezeit als viele Vertreter von europäischen Providern" erhalten haben, moniert Heise weiter.

Gegenüber dem Onlineportal verteidigt sich die Gaia-X-Stiftung. Demnach dürften nur Mitglieder mit Hauptsitz in Europa Kandidaten für den Vorstand vorschlagen. Und nur der Vorstand dürfe wiederum Mitglieder der Gremien ernennen, die über technische Standards sowie die Regeln für den geplanten Online-Katalog von Gaia-X-Diensten entscheiden.

Eine ausschliesslich europäische Daten-Infrastruktur aufzubauen, wäre ohnehin kaum möglich, merkt das "Handelsblatt" an. Denn spätestens im Hardwarebereich sei man in Europa abhängig von ausländischen Lieferanten – und auch der Servermarkt werde von den USA und China dominiert.

Die Schweiz ist (noch) nicht dabei

Wie Gaia-X dereinst konkret funktionieren könnte, lässt sich bereits auf einer Demo-Plattform ausprobieren. Auf der Website kann sich der Nutzer eine Liste verschiedener Dienste anzeigen, jeweils gefiltert nach gewünschtem Protokoll oder rechtlichen Bedingungen. Die Idee ist, dass der Nutzer sich ein individuelles Cloudangebot zusammenstellen könne, so "Heise".

Praktisch ist die Cloud noch im Aufbau. Gemäss einer Broschüre des deutschen Ministeriums für Wirtschaft (PDF) sollten "bis Anfang 2021 erste prototypische Implementierungen" erarbeitet werden.

Die Schweiz mischt bislang nicht offiziell bei Gaia-X mit. Anlässlich der im Dezember 2020 veröffentlichten Cloud-Strategie liess der Bundesrat jedoch verlauten, man wolle die internationale Beteiligung der Schweiz an europäischen Initiativen wie Gaia-X prüfen lassen.

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