Swiss E-Government Forum

Erfolgsgeschichten aus den E-Gov-Gefilden

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von Joël Orizet und cka

Der Bund setzt auf Agilität, der Kanton Aargau auf Citizen Development und die Stadt Zug auf eine Alternative zum Kugelschreiber. Am zweiten Tag des Swiss E-Government Forum gab es aus allen föderalen Ebenen digitalpolitische Erfolgsgeschichten zu hören.

Erica Dubach (l.) und Marianne Fraefel von der Bundeskanzlei haben am Swiss E-Government Forum über die Umsetzung der Strategie Digitale Bundesverwaltung referiert. (Source: zVg)
Erica Dubach (l.) und Marianne Fraefel von der Bundeskanzlei haben am Swiss E-Government Forum über die Umsetzung der Strategie Digitale Bundesverwaltung referiert. (Source: zVg)

Von den Nutzenden aus denken, alle Stakeholder mit einbeziehen und Mut zum agilen Mindset beweisen - so klappt es auch mit der digitalen Transformation der Verwaltungen. Sinngemäss war dieser Spruch am zweiten Tag des Swiss E-Government Forums mehrmals zu hören. Klingt abgedroschen, ist es auch - und dennoch stossen die Ideen, die sich hinter solchen Aussagen verbergen, längst nicht überall auf fruchtbaren Boden. Transformationen gestalten sich schwierig, gerade in den öffentlichen Verwaltungen, weil sie zumindest dem Vernehmen nach so veränderungswillig sind wie ein Aktenschrank aus Stahl. Ein Redner brachte es folgendermassen auf den Punkt: "Wir sprechen bewusst nicht von Change Management, weil viele Verwaltungen davor zurückschrecken, etwas zu verändern." 

Trotzdem tut sich etwas. Zahlreiche Digitalisierungsprojekte kommen voran, und zwar auf allen föderalen Ebenen der Schweiz. Wie ist das möglich, wo doch die E-ID, die als zentrale Bedingung für ein funktionierendes E-Government gilt, frühestens 2026 bereitstehen soll? Und was macht den Erfolg von E-Gov-Projekten überhaupt aus? 

Es gibt mehrere Erfolgsfaktoren für Digitalisierungsprojekte in Schweizer Verwaltungen, wie Matthias Günter, Vorstandsmitglied des Vereins eCH, zum Auftakt der Veranstaltung anmerkte: Open Source, Open Data, Vernetzung und Standardisierung. Letzteres, das heisst die Standardisierung von technischen Spezifikationen, von Datei- und Austauschformaten, sei denn auch die Voraussetzung für Interoperabilität, also für den eigentlichen "Schlüssel für gelingende Zusammenarbeit", sagte Günter. 

Ein Foto von Matthias Günter auf der Bühne.

Matthias Günter, Vorstandsmitglied des Vereins eCH. (Source: zVg)

Vermessener Fortschritt

Dafür zu sorgen, dass die verschiedenen Systeme von Bund, Kantonen und Gemeinden miteinander kompatibel sind, ist allerdings ein anspruchsvolles Unterfangen. "Wer in einer Verwaltung arbeitet, weiss, dass es noch viele Silos gibt - deren Überwindung ist eine technische und organisatorische Herausforderung", sagte Erica Dubach, Abteilungsleiterin Transformation und Interoperabilität der Bundeskanzlei. 

Dubach sprach über die Strategie Digitale Bundesverwaltung - und vor allem darüber, wie sie diese Strategie umsetzen und somit einen Nutzen erzielen will, der möglichst messbar sein soll. Das sei nicht ganz einfach, räumte sie ein, "denn nicht jeder lässt sich gerne messen". Als Beispiel für solch einen messbaren Nutzen nannte Dubach die Anzahl der von staatlichen Stellen wie dem Bundesamt für Statistik zur Verfügung gestellten Programmierschnittstellen (APIs).

Für die Umsetzung der Strategie für die digitale Transformation in der Bundesverwaltung setzt der Bund auf ein agiles Vorgehen, wie Dubachs Mitrednerin Marianne Fraefel, Leiterin Sektion Strategie und Innovation bei der Bundeskanzlei, sagte. Der Vorteil: Man müsse sich nicht mehr nach Legislaturperioden richten. "Die Erwartungshaltung, etwas in vier Jahren erreichen zu müssen, kann eine Hürde sein", sagte Fraefel. 

Ein Bild von Marianne Fraefel und Erica Dubach von der Bundeskanzlei auf der Bühne.

Marianne Fraefel (l.) und Erica Dubach von der Bundeskanzlei. (Source: zVg) 

Eine längerfristige Auslegung stärke hingegen die Vernetzung. Ausserdem würden die Massnahmen jährlich überprüft und die Strategie liesse sich jederzeit anpassen. "Agilität bedeutet auch, transparent zu sein, das heisst, sich in die Karten schauen zu lassen - und zwar nicht erst dann, wenn etwas fertig ist." 

Citizen Development im Aargau

Ebenfalls noch unfertig, aber schon weit fortgeschritten, ist ein Gemeinschaftsprojekt, mit dem der Kanton Aargau und viele Aargauer Gemeinden ihre digitalen Dienstleistungen bündeln und auf einer Plattform bereitstellen. Das Smart Service Portal funktioniert, zumindest bis zur Herausgabe der E-ID, auch ohne Anmeldung. Die Idee dahinter: Der Zugang solle möglichst niederschwellig sein, sagte Benno Kissling, Programmleiter Fachstelle Smart Services Aargau. 

Das Besondere an diesem Projekt ist, dass beide föderalen Ebenen, also der Kanton wie auch die Gemeinden, ihre Services mithilfe einer Low-Code-Plattform selbstständig entwickeln respektive gestalten können. Und wer macht das? Bei den Gemeinden sind es Mitarbeitende aus den Verwaltungen, die sich als sogenannte Public Innovators aktiv in das Projekt einbringen wollen. Ziel sei es, Betroffene zu Beteiligten zu machen, sagte Fabio Kleiner, Projektmitarbeiter der Fachstelle Smart Services Aargau. Bis dato hätten sich gegen 100 Personen gemeldet, um die Service-Digitalisierung aus kommunaler Sicht mitzuprägen. Rund 70 Service-Ideen seien auf diese Weise bereits entstanden, sagte Kleiner. 

Ein Bild von Fabio Kleiner und Benno Kissling auf der Bühne.

Fabio Kleiner (l.) und Benno Kissling von der Fachstelle Smart Services Aargau. (Source: zVg)

"Sowjetische Verhältnisse" in Genf

Einen etwas anderen Weg schlägt der Kanton Genf ein. Aus Genfer Perspektive soll der Staat in Zusammenhang mit der digitalen Transformation zentrale Schlüsselrollen übernehmen und nicht nur Technologien berücksichtigen, sondern auch den erforderlichen kulturellen Wandel sowie Geschäftsmodelle, wie Alexander Barclay, der Digitalbeauftragte des Kantons Genf, sagte. Die wichtigsten Aufgaben der staatlichen Institutionen bestehen demnach darin, die Bereitstellung von E-Government-Diensten zu erleichtern, Bildung und Ausbildungen an die Herausforderungen der Digitalisierung anzupassen, für ausreichenden Schutz auch in puncto Cybersicherheit zu sorgen, die digitale Transformation von KMUs zu fördern und wo nötig auch zu regulieren.  

"Die digitale Transformation ist eine politische Transformation", sagte Barclay. Deutlich geworden sei dies während der Coronakrise in den Debatten um Contact Tracing und Covid-Zertifikaten, während der Kampagne vor der Abstimmung über das E-ID-Gesetz und im vergangenen Frühling in Genf, genauer gesagt am 18. Juni 2023, als sich die Genfer Bevölkerung für ein Grundrecht zum Schutz der digitalen Unversehrtheit aussprach. Und zwar mit einem Ja-Anteil von über 94 Prozent, was schon fast an "sowjetische Verhältnisse" erinnere, sagte Barclay scherzhaft. 

Ein Bild von Alexander Barclay, dem Digitalbeauftragten des Kantons Genf, auf der Bühne.

Alexander Barclay, Digitalbeauftragter des Kantons Genf. (Source: zVg)

Wie kann man eine Stimmbevölkerung dermassen von einer digitalpolitischen Vorlage überzeugen? Schwer zu sagen. In diesem Fall, und das dürfte wohl der springende Punkt sein, sei das Anliegen von der Westschweizer Zivilgesellschaft an die Politik herangetragen und anschliessend von den Parteien aufgenommen worden. Eine wichtige Rolle hätten auch öffentliche Diskussionen an Hochschulen gespielt, insbesondere eine Konferenz an der Universität Neuenburg. 

Unter Zugzwang zur E-Signatur

Doch nicht immer zählt nur die Kraft des Arguments, wenn es um digitalpolitische Gestaltung geht. Oftmals braucht es Anreize - und manchmal auch etwas Druck. Das stellte auch die Stadt Zug fest, nachdem sie die elektronische Signatur eingeführt hatte und ernüchternd feststellte: Eine nicht namentlich genannte Gemeinde der Stadt hat ein Jahr nach der Einführung gerade mal eine E-Signatur verarbeitet. Die Stadt zog daraus den Schluss: Die Einführung muss anwendungsbezogen sein, wie Nicolas Lemaitre, Projektleiter Smart City bei der Stadt Zug, sagte. 

Man pickte also konkrete Anwendungsfälle heraus und integrierte die E-Signatur-Lösung in die entsprechenden Anwendungen, beispielsweise in die elektronische Geschäftsverwaltung (Gever) der Gemeinden, in die Software der Personalabteilungen und der Betreibungsämter. Wichtig sei vor allem gewesen, den Onboarding-Prozess zu begleiten, die Entscheidungsträger in den Verwaltungen ins Boot zu holen und die Vorteile der E-Signatur aufzuzeigen, sagte Lemaitre. Letzteres sei nicht immer einfach. "Unser Benchmark ist die Unterschrift mittels Kugelschreiber: gratis, einfach und schnell." Die E-Signatur sei zwar nicht gratis, doch in der Summe durchaus schneller. 

Ein Bild von Nicolas Lemaitre auf der Bühne.

 Nicolas Lemaitre, Projektleiter Smart City bei der Stadt Zug. (Source: zVg)

Auf die Frage aus dem Publikum, wie die Stadt Zug auch technologieaverse Mitarbeitende zur Nutzung der E-Signatur bewege, sagte Lemaitre humorvoll, aber dennoch treffend: mit Zwang. Die Mitarbeitenden hätten kaum eine Wahl - und wenn doch, sei der Umweg über eine Unterschrift auf Papier nur über bürokratische Hürden möglich. Wer von Hand unterschreiben will, muss dafür zunächst einen Stadtratsantrag stellen. 


Beispiele für erfolgreiche Schweizer Digitalisierungsprojekte gab es übrigens auch am ersten Tag des E-Government Forums - so sprach beispielsweise Peppino Giarritta, Beauftragter von Bund und Kantonen für die Digitale Verwaltung Schweiz, über das vereinheitlichte Login-Portal "AGOV". Lesen Sie hier mehr dazu

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