KIS-Ausschreibung des CHUV bestätigt

Update: Bundesgericht weist Beschwerden von Kheops ab

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von Yannick Chavanne und Rodolphe Koller und Übersetzung: Joël Orizet, Yannick Züllig, René Jaun, Dajana Dakic

Das Bundesgericht weist die Beschwerden des Genfer Softwareherstellers Kheops gegen die KIS-Ausschreibung des CHUV und der FHVi ab. Somit können die Waadtländer Spitäler das Vergabeverfahren wieder aufnehmen.

Das Waadtländer Universitätsspital darf seine IT-Beschaffung fortsetzen. (Source: CHUV)
Das Waadtländer Universitätsspital darf seine IT-Beschaffung fortsetzen. (Source: CHUV)

Update vom 10.11.2025: Das Bundesgericht hat entschieden: Die Ausschreibung des Waadtländer Universitätsspitals (CHUV) und der Fédération des hôpitaux vaudois informatique (FHVi) für ein neues Klinikinformationssystem (KIS) kann weitergehen, wie "Le Temps" (Paywall) berichtet. Das Gericht weist die beiden Beschwerden des Genfer Softwarehauses Kheops ab und beendet damit ein über ein Jahr andauerndes juristisches Tauziehen.

Zur Erinnerung: Kheops hatte die Vergabekriterien als unfair kritisiert, da sie aus Sicht des Unternehmens den US-Anbieter Epic Systems bevorzugten. Bereits im Mai 2024 hatte das Kantonsgericht diese Vorwürfe als unzureichend begründet zurückgewiesen. Daraufhin zog das Unternehmen mit einer Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vor das Bundesgericht.

In seinem Urteil vom 17. September 2024 trat das Bundesgericht auf die erste Beschwerde nicht ein, da sie keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufwerfe. Die zweite wies es als unbegründet ab. Kheops muss zudem die gesamten Gerichtskosten in Höhe von 40'000 Franken tragen. Mit diesen Entscheiden ist die aufschiebende Wirkung, die die Vergabe des Auftrags bisher blockierte, aufgehoben.

Gegenüber "Le Temps" erklärte Pierre-François Regamey, Leiter der IT-Direktion des CHUV, das Spital begrüsse diesen juristischen Ausgang. Er kündigte an, dass der Zuschlag so schnell wie möglich erfolgen werde. Die definitive Vergabe bleibe jedoch an die Bewilligung des Budgets durch den Waadtländer Grossen Rat geknüpft.

Pierrick Gonnet, CEO von Kheops, äusserte gegenüber "Le Temps" seine Enttäuschung über das Urteil des Bundesgerichts. Er betonte jedoch, sein Unternehmen sei stolz darauf, diese Debatte an die Öffentlichkeit getragen zu haben. Er hoffe nun, dass die Fragen der digitalen Souveränität und des Datenschutzes bei der endgültigen Entscheidung berücksichtigt würden.
 

Update vom 17. März 2025:

Waadtländer Unispital darf KIS-Ausschreibung fortsetzen

Im Streit rund um die Ausschreibung des Waadtländer Unispitals (CHUV) für sein neues klinisches Informationssystem (KIS) hat das Bundesgericht einen ersten Zwischenentscheid gefällt. Es erlaubt dem CHUV, das zwischenzeitlich unterbrochene Ausschreibungsverfahren wieder aufzunehmen und fortzusetzen. Dies geht aus einer Verordnung auf der Beschaffungsplattform Simap hervor. Damit gebe es eine neue Frist für die Einreichung von Angeboten, die nunmehr bis zum 3. April laufen soll.

Die Tageszeitung "Le Temps" (Paywall) weist jedoch darauf hin, dass die Verordnung zwar die Fortsetzung des Verfahrens erlaube, den Auftraggeber jedoch nicht dazu berechtige, eine Zuschlagsentscheidung zu treffen oder einen Vertrag abzuschliessen, bevor das Bundesgericht sein endgültiges Urteil gefällt habe.

 

Update vom 18.02.2025:

KIS-Ausschreibung des Waadtländer Unispitals kommt vor Bundesgericht

Das Seilziehen um das neue Klinikinformationssystem (KIS) des Centre hospitalier universitaire vaudois (CHUV) geht in die nächste Runde. Nachdem das Waadtländer Kantonsgericht die Beschwerde der Firma Kheops abgewiesen hatte, kündigt diese nun an, den Fall ans Bundesgericht weiterzuziehen.

Dieses setzte zunächst den Beschaffungsprozess des CHUV per superprovisorischer Verfügung aus. Nun hat das Spital bis Ende Februar Zeit, sich zu äussern. Danach entscheidet das Gericht, ob es die aufschiebende Massnahmen bis zum endgültigen Entscheid aufrechterhält oder nicht.

"Wir machen das nicht zum Vergnügen, wir empfinden eine echte Ungerechtigkeit", sagt Pierrick Gonnet, CEO von Kheops, auf Anfrage. Ein solches Verfahren und insbesondere die damit verbundenen Anwaltskosten seien für ein kleines Unternehmen sehr hart, fügt er hinzu. Er erhalte aber auch viele Nachrichten von Ärzten, Konkurrenten und von anonymen Personen, die ihn ermutigten, weiterzukämpfen.

Während das CHUV die neuerliche Verzögerung beklagt, findet der Kheops-Chef, dass das Auslaufdatum des aktuellen Tools schon lange bekannt war. "Ich bin nicht hier, um das CHUV und dessen Entscheidung zu blockieren", sagt er, "aber man muss sich die Zeit nehmen, um alle Elemente zu untersuchen".

 

Update vom 13.01.2025:

Waadtländer Justiz gibt Unispital freie Hand bei KIS-Ausschreibung

Das Centre hospitalier universitaire vaudois (CHUV ) und die Fédération des hôpitaux vaudois (FHVi) können mit ihrer Ausschreibung für ein Klinikinformationssystems (KIS) fortfahren. In einem Urteil vom 7. Januar wies die Cour de droit administratif et public des Kantonsgerichts Waadt die Beschwerde der Firma Kheops gegen die Ausschreibung ab - eine Beschwerde, die zunächst dazu geführt hatte, dass die Justiz die Ausschreibung aussetzte. Das CHUV plant, die Ausschreibung demnächst erneut auf der Simap-Plattform zu veröffentlichen, mit einer neuen Frist für die Einreichung von Angeboten.

Die Argumente des Gerichts

In seinem Urteil wies das Kantonsgericht die verschiedenen Argumente zurück, die Kheops gegen die umstrittene Ausschreibung vorgebracht hatte. Insbesondere wurde der Ausschreibung vorgeworfen, dass sie ein und dasselbe integrierte System für das CHUV und die FHVi vorschreibe und den Weg für andere, kostengünstigere interoperable Lösungen versperre. Auf der Grundlage der ihm zur Verfügung gestellten Dokumente stellte das Gericht fest, dass "es derzeit keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass die Option, eine einzige Ausschreibung für alle öffentlichen Krankenhäuser durchzuführen, im Vergleich zu anderen möglichen Optionen wirtschaftlich nachteilig wäre". Er fügte hinzu, dass die gewählte Option trotz höherer Anfangskosten bei weitem das beste jährliche Gewinn-Ausgaben-Verhältnis aufweise und dass der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit ohnehin nicht unbedingt gebiete, die billigste Lösung zu wählen. 

Die meisten anderen Argumente gegen die Ausschreibung beziehen sich auf die Bevorzugung der Epic-Lösung. Die beschwerdeführende Firma stützte sich insbesondere auf die Aussagen von Staatsrätin Rebecca Ruiz, die auf die Frage eines Abgeordneten im Februar 2023 erklärte, "dass es sehr wahrscheinlich ist, dass vier der fünf Schweizer Universitätsspitäler über das gleiche Tool verfügen". Nach Ansicht des Gerichts hat die Staatsrätin lange vor dem Verfahren nur eine Hypothese aufgestellt, und wenn sie es für sehr wahrscheinlich hält, dass die Universitätsspitäler die gleiche Lösung verwenden, ist dies nicht überraschend, da diese Lösung als eine der weltweit führenden Lösungen für integrierte elektronische Patientendossiers für grosse Krankenhäuser anerkannt ist.

Schliesslich gibt es noch das sehr umstrittene Kriterium, dass der Anbieter mindestens zwei Einrichtungen bei der Zertifizierung nach HIMSS EMRAM stage 7 mit Referenzen erfolgreich begleitet haben muss - etwas, das nur Epic garantieren kann, sowie einige Anbieter, die nicht beabsichtigen, an der Ausschreibung teilzunehmen. Während des Verfahrens hatte das CHUV jedoch klargestellt, dass es nur sicherstellen wolle, dass der Anbieter eine Einrichtung auf dem Weg zu dieser Zertifizierung begleiten könne, und nicht, dass er Referenzen zertifiziere, da dies nur Krankenhäuser tun könnten. Eine Klarstellung, die dem ursprünglichen Text widersprach und für die Zwecke des Verfahrens "konstruiert" wurde, so Kheops.

Das Gericht ist der Ansicht, dass dieses Kriterium als Teil der Anforderungen "an den Anbieter" nur als die Fähigkeit interpretiert werden konnte, ein Krankenhaus auf dem Weg zur Zertifizierung zu begleiten … "Es ist daher davon auszugehen, dass die Antwort, die die Behörden im Rahmen der Fragen und Antworten gegeben haben, folglich eine einfache Klarstellung der Ausschreibungsbedingungen bleibt und keine Änderung dieser Bedingungen darstellt, die grundsätzlich verboten wäre".

Für das Unternehmen Kheops ist dies zweifellos eine bittere Pille. Neben der Tatsache, dass das Unternehmen vor Gericht unterlegen ist, muss es 30.000 Franken an Gerichtskosten zahlen und eine Entschädigung von 10.000 Franken an die Behörden entrichten. Dies wird Unternehmen nicht dazu ermutigen, Rechtsmittel einzulegen...

 

Originalmeldung vom 15. November 2024:

Waadtländer Unispital legt kontroverse KIS-Beschaffung auf Eis

Das Centre hospitalier universitaire vaudois (CHUV) muss die Beschaffung eines neuen Klinikinformationssystems (KIS) aufgrund einer Beschwerde der Genfer Softwarefirma Kheops aussetzen. Diese argumentierte, die Mitte September publizierte Ausschreibung sei auf den US-amerikanischen KIS-Anbieter Epic zugeschnitten. Gemäss einer Recherche von "Le Temps" hatten zuvor bereits mehrere lokale Anbieter medizinischer Software moniert, dass Epic bevorzugt werde. Das Waadtländer Kantonsgericht bestätigte nun die aufschiebende Wirkung, die die Beschwerde von Kheops provisorisch bewirkt hatte.

Den Ausschreibungsunterlagen zufolge will das CHUV die Software Soarian von Oracle-Cerner ersetzen. Die Lösung ist auch bei den Waadtländer Regionalspitälern respektive bei den Mitgliedern der Fédération des hôpitaux vaudois (FHVi) im Einsatz. 2027 stellt der Hersteller allerdings den Wartungsservice ein - und spätestens 2029 wird die Software unbrauchbar. Von einer Nachfolgelösung erhofft sich das CHUV ein integriertes und skalierbares System, das mehr Bereiche abdeckt, zum Beispiel die Planung von OP-Kapazitäten, der Patientenbetreuung, des Transportmanagements und der Intensivpflege. Bis März 2028 soll das neue System zum Einsatz kommen. 

Was an Epic stört

Mehrere Anbieter wie etwa Cistec, Kheops und Tecost kritisierten, dass bestimmte Kriterien in der Ausschreibung lokale Anbieter de facto ausschliessen. Die Ausschreibung setzt etwa voraus, dass das neue System bereits in Spitälern ähnlicher Grösse in der Schweiz oder in Europa in Betrieb ist, den gesamten Funktionsumfang abdeckt (Produktentwicklungen und -integrationen sind ausgeschlossen) und dass das System nach Emram Stage 7 zertifiziert ist. Derzeit gibt es weltweit jedoch nur zwei Unternehmen, die Spitäler auf dem Weg zur Zertifizierung nach Emram 7 begleitet haben: Epic und Cerner, wobei letzteres seit mehreren Jahren nicht mehr am europäischen Markt interessiert ist, wie ein Experte gegenüber "Le Temps" erklärt. 

Ausserdem stören sich mehrere Anbieter daran, dass die FHVi, also der Verband der Waadtländer Regionalspitäler, in die Ausschreibung einbezogen wurde. "Es ist ziemlich klar, dass die für das CHUV vorgesehene Lösung nicht für kleinere Krankenhäuser geeignet ist. Die Bedürfnisse eines Universitätsspitals (akademische Forschung neben dem klinischen Auftrag und der Ausbildung) sind nicht dieselben wie die eines Regionalspitals", schrieb die Kommission für öffentliche Gesundheit des Waadtländer Grossrats in einem im Februar 2023 veröffentlichten Bericht.

Epic setzt sich in der Schweiz durch

Der Bericht erwähnt Epic an mehreren Stellen ausdrücklich. Es sei "sehr wahrscheinlich, dass vier der fünf Schweizer Universitätsspitäler über das gleiche Tool verfügen". Tatsächlich gewinnt der US-amerikanische KIS-Lieferant hierzulande an Boden. Das Berner Inselspital setzt die Lösung seit 2023 ein. Das Universitätsspital Basel publizierte Ende 2023 eine Ausschreibung für ein neues KIS, wobei vor allem zwei Anbieter in Frage kommen: Cistec und Epic. 

In Zürich hat das Universitätsspital (USZ) im Februar eine Ausschreibung für sein zukünftiges klinisches System veröffentlicht, die Epic angeblich ebenfalls bevorzugt. Die Formulierung der Ausschreibung deute darauf hin, dass das USZ unbedingt Epic einführen möchte, schreibt "Inside IT". 

Zürcher Kantonsräte stossen Debatte an 

Nun schaltet sich die Politik ein. Zürcher Kantonsräte aus fast allen Parteien verlangen in einer dringlichen Anfrage (PDF) Antworten zur Beschaffung - und deuten darin an, dass sie wohl einen anderen Anbieter vorziehen würden, wie "Inside IT" berichtet. 

In ihrer Anfrage machen die Parlamentarier Datenschutzbedenken geltend und fragen: "Wem gehören die erhobenen Daten?" Bei Epic würden sie zum Konzern in die USA gelangen, bei Cistec hingegen in der Schweiz bzw. beim Spital verbleiben. "Wie beurteilen der Regierungsrat, die Datenschutzbeauftragte sowie die Patientenorganisationen diesen gravierenden Umstand?"

Auch die Kostenfrage gibt zu reden. Epic sei "massiv teurer im Vergleich zu Cistec", folglich stelle sich die Frage, ob die Zürcher Gesundheitsdirektion einen Mehrwert im System des US-Anbieters im Vergleich zur Schweizer Cistec-Lösung erkenne.

Wie "Inside Paradeplatz" unter Berufung auf eine nicht namentlich genannte Quelle Anfang November berichtete, dürfte das Epic-System für das USZ rund 150 Millionen Franken kosten - die Lösung von Cistec gäbe es hingegen für rund 50 Millionen Franken. Die Entscheidung sei allerdings bereits gefallen - zugunsten von Epic, schreibt das Onlinemedium. 
 

Nicht alle Schweizer Unispitäler setzen auf Epic. Die Hôpitaux universitaires de Genève (HUG) und das Hôpital du Valais (HVS) entwickeln zusammen ein eigenes KIS namens DPI+ - die Eigenentwicklung soll die Unabhängigkeit der Spitäler von privaten Anbietern stärken. Lesen Sie hier mehr dazu

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