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Roboter montieren Bewehrungseisen

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von Andres Herzog, Departement Architektur, ETHz / cka

Die Technik des ETH-Spin-offs MESH ermöglicht neue Formen und wurde unter anderem beim Tor Alva in Mulegns eingesetzt. Und sie macht das Bauen effizienter, zum Beispiel bei der Vorfertigung für den zweiten Gotthardstrassentunnel.

Das Spin-off MESH ist in einer Industriehalle in Birr ansässig. (Source: Girts Apskalns)
Das Spin-off MESH ist in einer Industriehalle in Birr ansässig. (Source: Girts Apskalns)

Ammar Mirjan führt durch eine weitläufige Industriehalle in Birr im Kanton Aargau, in der Brown, Boveri & Cie. einst Turbinen hergestellt hat. Die gewaltigen Kräne unter dem markanten Sheddach gehören nicht zur typischen Atmosphäre eines Startups. Doch das ETH Spin-off MESH, das Mirjan zusammen mit Mattis Koh vor drei Jahren gegründet hat, braucht Platz für die Technolgieentwicklung. Die Firma mit rund 10 Mitarbeitenden hat 800 Quadratmeter gemietet in den Hallen, um mit Robotern die Arbeit mit Armierungseisen in der Bauwirtschaft zu automatisieren.

Mirjan hat einst eine Lehre als Automatiker bei ABB absolviert, bevor er Architektur studiert und an der ETH Zürich bei Gramazio Kohler Research ein Doktorat abgeschlossen hat. Die Technik von MESH geht zurück auf mehrere Forschungen, unter anderem auch des Nationalen Forschungsschwerpunkts Digitale Fabrikation. In der Halle stehen auffällig gekrümmte Wände aus Armierungseisen, zum Teil mit Beton oder Natursteinen verfüllt. Ein Roboterarm kann die einzelnen Eisen selbstständig greifen, biegen, platzieren und verschweissen. So lassen sich Formen konstruieren, die von Hand viel zu aufwändig und komplex wären.

Links: Prototypen zeigen die Anwendungsmöglichkeiten des ETH-Spin-offs. Rechts: In der Halle arbeiten Roboter und Menschen unter einem Dach. (Source: Girts Apskalns)

Links: Prototypen zeigen die Anwendungsmöglichkeiten des ETH-Spin-offs. Rechts: In der Halle arbeiten Roboter und Menschen unter einem Dach. (Source: Girts Apskalns)

Bewehrung auf Knopfdruck

Das Kernstück von MESHs Knowhow liegt in der Software, die die Daten verarbeitet und die Bewegungen des Roboters errechnet. Sie kann auf Knopfdruck den Bewehrungskorb einer frei geformten Betonwand generieren und die Daten direkt an die Maschine schicken. Die Komplexität der Form ist dank der direkten Verbindung zwischen digitalen Daten und digitaler Fertigung einfach handhabbar. "Architektinnen und Architekten haben normalerweisen keinen Bezug zur Bewehrung", sagt Mirjan. "Nun können sie damit entwerfen, da die Konstruktion die Form direkt beeinflusst."

Die Technik von MESH wurde unter anderem eingesetzt, um die Armierung für den 3-D-gedruckten Tor Alva in Mulegns automatisch zu platzieren. Das Leuchtturmprojekt geht an die Grenzen der digitalen Fertigung und zeigt deren neue formalen Möglichkeiten auf. Auf die Freiheit der Form fokussiert MESH auch an der Architekturbiennale in Venedig, zusammen mit Gramazio Kohler Research und dem Künstler Armin Linke. In den Arsenale zeigt das Team eine Installation, die aus drei schwebenden Gitterringen aus Armierungseisen besteht, in deren Mitte ein humanoider Roboter von der Zukunft des digitalen Bauens träumt. "Wie die Digitalisierung die Architektur verändern wird, ist nach wie vor eine offene Frage", sagt die Forschungsleiterin Inés Ariza, die für das Projekt verantwortlich ist.

Links: Die Installation "A Robot’s Dream" an der Biennale in Venedig wurde von Gramazio Kohler Research, Mesh und Studio Armin Linke umgesetzt. Rechts: Blick von unten in die Installation, in der ein Roboter schwebt. (Source: Michael Lyrenmann)

Links: Die Installation "A Robot’s Dream" an der Biennale in Venedig wurde von Gramazio Kohler Research, Mesh und Studio Armin Linke umgesetzt. Rechts: Blick von unten in die Installation, in der ein Roboter schwebt. (Source: Michael Lyrenmann)

Für Vielfalt, gegen Arbeitskräftemangel

Ausserhalb der Biennale ist die Realität des Bauens bislang noch eine andere. "Die Nachfrage nach komplexen Formen ist begrenzt, auch wenn diese dank einer Optimierung Material sparen können", sagt Mirjan. MESH hat sein Geschäftsmodell deshalb erweitert. Das Spin-off setzt seine Roboter auch ein, um den Einsatz herkömmlicher Armierungseisen teilweise zu automatisieren. Ein Bügelbiegeautomat, so gross wie ein Bus, steht in einer Ecke der Halle. Die Industrie setzt die Maschine schon länger ein, um Eisenstäbe automatisch zu biegen und schneiden. Der Roboter ersetzt nun den Arbeiter, der die unterschiedlich geformten Teile abnimmt und sorgfältig stapelt.

Damit wirkt das Startup dem Arbeitskräftemangel entgegen, insbesondere bei solchen physisch anstrengenden Jobs. Die Automatisierung hilft zudem, dass das individuelle Bauen bezahlbar bleibt. "Kein Gebäude ist identisch, die Armierung jeder Treppe wieder etwas anders", so Mirjan. Die digitale Unterstützung erlaubt diese Vielfalt der Bauproduktion auch bei steigenden Löhnen zu erhalten. Erste Roboter von MESH sind im Einsatz bei Bewehrungsherstellern in der Schweiz, denen das Spin-off seine Technologie vermietet.

Links: Ein Bügelautomat steht in einer Ecke der Halle. Rechts: Zwei Roboterarme verformen Bewehrungseisen. (Source: Girts Apskalns)

Links: Ein Bügelautomat steht in einer Ecke der Halle. Rechts: Zwei Roboterarme verformen Bewehrungseisen. (Source: Girts Apskalns)

Einsatz im Gotthardtunnel

MESH nutzt den Roboterarm auch, um Armierungseisen zu identifizieren, die Qualität zu kontrollieren und insgesamt die Logistik zu verbessern. Für den Bau des zweiten Gotthard-Autotunnels hat die Firma einen Grossauftrag erhalten. Roboter verknoten die Armierungseisen für vorgefertigte Betonelemente an den Kreuzpunkten. Das bedingt bei rund 10'000 Bewehrungskörben eine Massenfertigung, bei der die Automatisierung Zeit und Geld sparen kann.

Die Technik von MESH kann vielfältig eingesetzt werden, vom Freiformprojekt bis zur Standardfertigung. Das Startup wird weiter forschen und versuchen neue Geschäftsfelder zu erschliessen. "Spezialprojekte wie der Tor Alva oder an der Biennale sind wichtig, um die Technik weiterzuentwickeln und sie der Bauwirtschaft zu vermitteln", sagt Mirjan. "Unsere Innovationen sollen breite Anwendung finden und einen nachhaltigen Beitrag zur Branche leisten."

Die beiden Spin-Off-Gründer (v.l.): Ammar Mirjan und Mattis Koh. (Source: Mesh)

Die beiden Spin-Off-Gründer (v.l.): Ammar Mirjan und Mattis Koh. (Source: Mesh)

 

Dieser Beitrag ist zuerst bei "ETH News" erschienen

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