Editorial

Wie mir ein Chatbot mein Valentinstag-Date versaute

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von Coen Kaat
Coen Kaat, stellvertretender Chefredaktor des "IT-Markt". (Source: Netzmedien)
Coen Kaat, stellvertretender Chefredaktor des "IT-Markt". (Source: Netzmedien)

Chatbots sind der letzte Schrei. Immer mehr Unternehmen setzen sie für immer mehr Anwendungsfälle ein. Ein Trend, den ich nicht 100-prozentig begrüsse. Denn ich bin kein Fan der automatisierten Sprachroboter. Was mich an Chatbots stört, musste ich am Abend vor dem Valentinstag wiedermal erleben. Aufgrund der ISE 2020 (lesen Sie dazu mehr im Webdossier zur ISE 2020) war ich in Amsterdam. Nach dem Event freute ich mich, heimzufliegen und am nächsten Tag mit meiner Frau schön Essen zu gehen. Ich holte noch rasch ein Geschenk für sie und eilte zum Gate. Dort war allerdings Endstation. Weil das Flugzeug auf dem Hinflug vom Blitz getroffen worden war – allen Insassen geht es gut! –, durfte es nicht mehr abheben.

Die Swiss bot mir kurz darauf an, den Flug selbst per Chatbot umzubuchen. Da ich möglichst rasch daheim sein wollte, versuchte ich es. Und schon stiess ich auf das erste Problem: Die Fluggesellschaft verwendet für ihren Chatbot den Facebook-Messenger. Ich jedoch will Facebook nicht auf meinem Smartphone nutzen. Also Koffer aufmachen, herumwühlen und Laptop herausholen. Schon bald sprach ich mit dem Chatbot. Ein wenig irritierend: Der Chatbot der Swiss spricht nur Englisch. Der automatisierte Gesprächspartner schlug mir zwei alternative Flüge am nächsten Tag vor – beide bereits völlig ausgebucht und mit einer Warteliste.

Nicht zufrieden mit der Auswahl, schrieb ich dem Chatbot: "Not good enough". Dieser antwortete sogleich mit "Oh no, I hope it’s not too bad." Offensichtlich musste ich mein Anliegen etwas deutlicher formulieren. "I do not want to be on a waitlist." Vergebens. "Sorry, I don’t understand – I’m still learning day by day. Could you try to rephrase it?", sagte mir der Chatbot. Also versuchte ich es noch einmal: "No waitlist". Deutlicher wurde meine Anfrage dadurch nicht, aber offensichtlich hatte ich damit die nicht existenten Gefühle des Chatbots verletzt. Denn dieser schrieb eingeschnappt zurück: "Okay, fine." Ich beschloss, das unnütze "Gespräch" zu beenden. Mein Problem konnte ich schliesslich telefonisch innert weniger Minuten lösen. Den Valentinstag musste ich trotzdem allein in den Niederlanden verbringen, da sämtliche Flüge schon ausgebucht waren.

Von einem Business-Standpunkt aus verstehe ich Chatbots durchaus. IBM etwa verspricht, dass man mit "Watson" im Customer Service rund 30 Prozent der Kosten einsparen kann. Aber wenn es um Support geht, können Chatbots nur versagen. Sie haben weder Empathie noch Verständnis – nicht einmal ein richtiges Sprachverständnis. Wie soll sich ein Kunde so gut aufgehoben fühlen? Darum meine Frage: Lohnt sich diese Rechnung tatsächlich? Denn die gesparten 30 Prozent bezahlen die Unternehmen mit dem Frust ihrer Kunden.

Das Onlinedossier zur März-Ausgabe des "IT-Markt" finden Sie hier.

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