Matthias Zürrer von Bexio im Podium

So digital ist die Buchhaltung von Schweizer KMUs

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von Coen Kaat

Seit Juni 2020 ist es möglich, Rechnungen mit einem QR-Code auszustatten. Digitalisiert ist die Buchhaltung der Schweizer KMUs damit aber noch nicht. Was noch fehlt und was noch im Weg steht, sagt Matthias Zürrer, CPO von Bexio.

Matthias Zürrer, CPO von Bexio. (Source: zVg)
Matthias Zürrer, CPO von Bexio. (Source: zVg)

Wie digital sind die Buchhaltungsprozesse in Schweizer KMUs?

Matthias Zürrer: Die Spanne ist recht gross. Unsere Umfragen ergaben, dass ungefähr die Hälfte der Schweizer KMUs keine Business-Software im Einsatz hat, vor allem Kleinstunternehmen. Offerten und Rechnungen werden oft noch mit Word und Excel erstellt, Kreditorenrechnungen von Hand abgelegt und im E-Banking bezahlt, die FiBu mit der lokal installierten Software geführt und Belege dem Treuhänder in Papierform vorbeigebracht. Von einer Digitalisierung im eigentlichen Sinn kann also keine Rede sein. Auf der anderen Seite des Spektrums sehen wir Unternehmen, die ihre Onlineshops mit der Cloud-Buchhaltung verbunden haben, Zahlungen direkt an die Bank übermitteln, Belege online und in Echtzeit mit dem Treuhänder teilen, Kreditkartenabrechnungen automatisch auslesen und so ihre kompletten Prozesse digitalisiert haben.

Welche Hürden stehen hier einer Digitalisierung im Weg?

Wie so oft: die Schnittstellen zwischen den Systemen. Vielleicht habe ich eine Cloud-Kasse mit iPad und eine Online-FiBu-Lösung, natürlich ein E-Banking und eine Kundendatenbank. Die Systeme an sich funktionieren sehr gut, aber wenn ich versuche, sie zu verknüpfen, stosse ich sehr schnell auf Hürden, die ohne Fachwissen oft schwer zu überwinden sind. Findige Unternehmer nutzen Services wie beispielsweise Zapier oder IFTT, die Prozesse automatisieren und Systeme untereinander verknüpfen können. Das ist aber oft trotzdem unterhaltsintensiv und braucht schon etwas Affinität zu kreativen Lösungen.

Welchen Stellenwert haben cloudbasierte Lösungen?

Vor allem für Klein- und Kleinstunternehmen führt kein Weg an Cloud-Lösungen vorbei. Für praktisch jeden Bedarf gibt es inzwischen eine Cloud-Lösung. Das Feld erstreckt sich inzwischen vom POS über Business-Software, Dokumentenmanagement, LoBu, bis hin zu Kollaborations- und ­Designsoftware. Cloud-Software macht mich unabhängig vom Standort, ich muss keine teure Serverinfrastruktur unterhalten, Backups werden automatisch gemacht und – aus meiner Sicht besonders relevant – ermöglicht dies die einfache Zusammenarbeit im Team. Bei Abo-Modellen bleibt die initiale Investition tief und Kosten berechenbar, allerdings besteht die Gefahr, dass man der «Toolities» erliegt, also der Versuchung, für alles irgendeine Softwarelösung zu haben.

Wo sind die Geschäftsmöglichkeiten für Integratoren und Reseller?

Wir sehen vor allem einen wachsenden Markt für Entwickler kleiner Applikationen, die dann in andere Applikationen integrieren und so an einem viel grösseren Markt teilnehmen, als sie aus eigener Kraft Zugriff hätten. Klassische Reseller müssen aber wohl eher umdenken, Digitalisierungs­lösungen werden immer öfter direkt und im Abo verkauft, was den klassischen Reseller aussen vorlässt. Allerdings sehe ich schon Möglichkeiten, vor allem wenn es darum geht, verschiedene Lösungen anzubieten und diese für den Kunden zu verknüpfen.

Welche technologischen Trends erkennen Sie im Bereich der Buchhaltungssoftware oder des Dokumentenmanagements insgesamt?

Zurzeit ganz klar die Automatisierung von Prozessen. Das Erfassen von Dokumenten, Bezahlen von Rechnungen, Routinebuchungen oder Mahnungen auslösen sind alles Dinge, die bereits automatisiert werden können und werden. Funktionalitäten, die grössere, teure Systeme bereits können, werden auch für Kleinunternehmen zugänglich und erschwinglich werden, falls sie es nicht bereits sind. Der nächste Schritt müsste wohl eine standardisierte, komplett digitale Abwicklung aller Geschäftsprozesse sein, sodass mein System eine Rechnung elektronisch aus einem anderen System empfangen, verarbeiten, verbuchen und bezahlen kann, ohne dass ein Dokument im Spiel ist oder ein Technologie- oder Medienbruch entsteht.

Die Antworten der weiteren Teilnehmenden des Podiums:

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DPF8_233077