EU-DSGVO

Drohen Abmahnungen für Website-Betreiber in der Schweiz?

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von Martin Steiger, Anwalt und Unternehmer für Recht im digitalen Raum

Mit der neuen Datenschutz-Grundverordnung der Europäischen Union stellt sich die Frage, ob Betreiber von Websites zukünftig mit Abmahnungen rechnen müssen. Martin Steiger erklärt, warum mit der EU-DSGVO die Gefahr von Abmahnungen zunehmen könnte und wie man reagieren sollte, wenn ein entsprechender Brief ins Haus flattert.

Wer eine Website betreibt, bearbeitet fast immer Perso­nendaten: Logdateien, Kontaktmöglichkeiten, Newsletter, Onlineshop, Tracking etc. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass das anwendbare Datenschutzrecht wie beispielsweise die neue Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) nicht vollständig eingehalten wird. Mit Blick auf die DSGVO geht die Angst vor Abmahnungen für Datenschutzverletzungen um – auch mit Blick auf die andauernde Abmahnwelle aus Deutschland für Urheberrechtsverletzungen auf schweizerischen Websites.

Eigentlich sind Abmahnungen sinnvoll: Wer sich in seinen Rechten verletzt fühlt, erhebt nicht sofort Klage, sondern gelangt an die Gegenpartei und fordert sie auf, ein bestimmtes Verhalten zu unterlassen. Ausserdem kann Schadenersatz gefordert werden. In Deutschland können Anwaltskosten bei berechtigten Abmahnungen auf die Abgemahnten abgewälzt werden, während Abmahnende in der Schweiz ihre Anwaltskosten grundsätzlich selbst tragen müssen. Im besten Fall kann mit einer Abmahnung eine Angelegenheit im Interesse aller Beteiligten aussergerichtlich geklärt werden.

Recht auf Schadenersatz macht Abmahnungen attraktiver

Abmahnungen für Datenschutz-Verletzungen gibt es seit Jahren. In den meisten Fällen richteten sich solche Abmahnungen gegen unerwünschte E-Mail-Werbung. Es kam nicht zu Massenabmahnungen, denn die Abmahner konnten damit kein Geld verdienen. Sie konnten zwar ihre Anwaltskosten abwälzen, doch gab es kaum Aussichten auf erfolgreiche Schadenersatzforderungen. Mit der ­DSGVO könnte sich das ändern: Das Datenschutzrecht wurde verschärft und Art. 82 Abs. 1 DSGVO verankert ausdrücklich ein Recht auf Schadenersatz. Aus heutiger Sicht erscheint die Wahrscheinlichkeit für Massenabmahnungen trotzdem gering, denn finanzielle Anreize für abmahnberechtigte Konsumentenschutzorganisationen und Wirtschaftsverbände fehlen. Hingegen ist mit Versuchsballonen von Abmahn-Anwälten zu rechnen, doch ist völlig unklar, ob sie damit bei den zuständigen Gerichten auf Verständnis stossen werden. Im Urheberrecht geben sich deutsche Gerichte inzwischen zurückhaltend, zum Beispiel bei Abmahnungen mit Schadenersatzforderungen für Bilder unter freien Lizenzen.

Der Einzelfall entscheidet

Wer eine Abmahnung erhält, sollte in jedem Fall die Ruhe bewahren. Wie man richtig reagiert, hängt vom Einzelfall ab: Ist die Abmahnung berechtigt? Muss oder soll man reagieren, und falls ja, in welcher Form? Jede Abmahnung muss sorgfältig geprüft werden, denn erst einmal handelt es sich um Behauptungen einer Gegenpartei. Dabei sollte man eine Abmahnung weder nach dem Prinzip Hoffnung als Altpapier entsorgen noch vor lauter Panik eine strafbewehrte Unterlassungserklärung leichtfertig unterzeichnen. Rechtskräftige deutsche Urteile aufgrund von ignorierten Abmahnungen oder unterzeichneten Unterlassungserklärungen können in der Schweiz vollstreckt werden.

Unabhängig davon kann man sich vor Abmahnungen schützen, indem man leicht feststellbare Datenschutzverletzungen vermeidet. Im Anwendungsbereich der DSGVO benötigt eine schweizerische Website insbesondere eine möglichst vollständige Datenschutzerklärung einschliesslich Hinweis auf den notwendigen EU-Datenschutz-Vertreter, beweissichere Newsletter-Anmeldungen mit "Double Opt-in" und den Verzicht auf nicht benötigtes Tracking. Wer seine Website datensparsam betreibt, erleichtert sich das Leben und schützt gleichzeitig die Privatsphäre der betroffenen Personen.

Weitere Informationen zum Themae EU-DSGVO finden Sie in unserem Dossier.

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