Engpässe und Verzögerungen

Ärger um neue Rechenzentren der Schweizer Armee

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von dsc (Watson), skk

Wie es aussieht kommt es bei der Erneuerung der Militärinformatik und der Erweiterung der Cyberabwehrfähigkeit zu Engpässen und Verzögerungen. Die Armee hat zum einen mit der Standortwahl, zum anderen mit dem Fachkräftemangel zu kämpfen.

Schweizer Armee an internationaler Cyber-Übung. (Source: Claudia Christen / newsd.admin.ch)
Schweizer Armee an internationaler Cyber-Übung. (Source: Claudia Christen / newsd.admin.ch)

Die vom Bund geplanten militärischen Rechenzentren "werden teurer und kommen später". Dies berichtet die "NZZ" und zitiert aus einem aktuellen Projektbericht, den das Verteidigungsdepartement (VBS) veröffentlicht hat.

Was ist passiert?

Das Projekt für drei Armee-Rechenzentren verlaufe in mehreren Bereichen "ungenügend", heisst es im Projektbericht, der über die VBS-Website verfügbar ist. Laut NZZ komme es zu Mehrkosten und "weiteren Verzögerungen".

Derzeit sei bei einem der geplanten Rechenzentren noch nicht einmal das Vorprojekt abgeschlossen, weshalb "weder die Kosten noch der genaue Terminplan klar" seien. Laut NZZ betreibt die Armee im Zusammenhang mit ihren Waffensystemen auch IT-Infrastruktur, die nicht mehr den heutigen Sicherheitsanforderungen entspreche. Diese Technik muss zwingend erneuert werden, doch spiegelt sich auch hier ein genereller Mangel an IT-Fachleuten wider.

Wichtig: Die militärischen Rechenzentren bilden die technische Grundlage für die Cyber-Abwehrfähigkeit, die in den kommenden Jahren ausgebaut werden soll. Wenn es zu Verzögerungen kommt, stellt dies die rasche Umsetzung des kürzlich präsentierten Cyberkonzepts infrage.

Wo harzt es?

Es gibt zwei Problembereiche. Zum einen sorgt die Standortwahl für Verzögerungen. Ursprünglich hätte das militärische Rechenzentrum "Kastro II" in Mitholz im Berner Oberland realisiert werden sollen, wie die NZZ in ihrem aktuellen Bericht schreibt.

"Der Plan war, bestehende Stollen des ehemaligen unterirdischen Munitionslagers zu nutzen, in dem es 1947 zu einer Explosion kam. Vertiefte Abklärungen ergaben aber, dass die verschütteten Munitionsrückstände ein zu grosses Risiko darstellen", heisst es in der NZZ.

Inzwischen habe sich die Armee für einen neuen unterirdischen Standort entschieden, der geheim sei (dazu unten mehr). Bei der Umsetzung sind offenbar noch weitere Abklärungen und zusätzliche Arbeiten nötig. Schon 2017 hatten Schweizer Finanzpolitiker gewarnt, "die Schwierigkeiten beim Bauen im Fels" seien unterschätzt worden.

Der Bau von "Kastro II" sei aber inzwischen nicht mehr das grösste Sorgenkind der Projektleitung, schreibt die NZZ. Vielmehr akzentuiert sich ein Mangel an IT-Spezialisten.

Im VBS-Bericht heisst es dazu: "Die Gruppe Verteidigung beurteilt die Personalsituation als kritisch. Es sind zu wenig Personal-Ressourcen vorhanden, um parallel den laufenden Betrieb der Armeeinformatik sicherzustellen und gleichzeitig die weiteren IKT-Projekte zu bewältigen". Inzwischen habe die Armeeführung mehrere Massnahmen ergriffen, um die Situation zu verbessern. So sollen die begrenzten IT-Ressourcen besser gebündelt werden und es sollen auch "externe Dienstleister" zum Einsatz kommen.

Welche Rechenzentren plant die Armee?

Das VBS-Investitionsprogramm Fitania (dazu unten mehr) sieht drei militärische Rechenzentren vor, wie die NZZ zusammenfasst: "Campus" in Frauenfeld, das auch von der zivilen Bundesverwaltung genutzt werde, sowie die zwei besonders geschützten Armee-Rechenzentren "Fundament" und "Kastro II", deren Standort geheim sei.

Dazu heisst es im Projektbericht: "Das VBS plant zwei Rechenzentren mit militärischem Vollschutz, um das Funktionieren der armeerelevanten Anwendungen und Systeme in allen Lagen, das heisst, auch in Krisen, Katastrophen und Konflikten sicherzustellen. Durch den militärischen Vollschutz sind die Daten und Systeme besonders gut gegen mögliche Gewalteinwirkungen geschützt. Ein drittes Rechenzentrum, das zivile (nicht aber militärische) Schutzanforderungen erfüllt, soll auch von zivilen Bundesstellen genutzt werden".

Anzumerken bleibt, dass bereits über die Standorte der militärischen Rechenzentren berichtet wurde. Der Journalist Jost Auf der Maur enthüllte in seinem 2017 veröffentlichten Buch "Die Schweiz unter Tag", dass "Fundament" in Realp im Kanton Uri liege; und "der Zwillingsbau" Kastro II sollte laut WOZ in der Schöllenenschlucht gebaut werden.

Während "Campus" und "Fundament" bereits in Betrieb seien, berge der Bau von "Kastro II" weiterhin grosse Unsicherheiten, konstatiert nun die NZZ. Eigentlich sollte das dritte Rechenzentrum "ca. 2028 in Betrieb genommen werden". Doch wird dies nicht zu schaffen sein.

Mit der Verschiebung des Kreditantrages für das dritte Rechenzentrum von 2019 auf das Jahr 2024 werde das Projekt "voraussichtlich 2030 abgeschlossen". Das bedeute, auch "der für die Redundanz notwendige Rechenzentren-Verbund" könne erst 2030 vollständig umgesetzt werden.

Die Schweizer Verteidigungsministerin, Bundesrätin Viola Amherd, sagte kürzlich, dass sich die Sicherheitslage 2021 markant verschlechtert habe. Angesichts der aktuellen Bedrohungslage lassen die Probleme beim Bau des militärischen Rechenzentrums Kastro II aufhorchen. (Source: Screenshot / VBS Projektbericht)

Was ist "Fitania"?

So heisst das milliardenschwere Investitionsprogramm, um die Informatik- und Kommunikationstechnik (IKT) der Schweizer Armee zu modernisieren und auszubauen. Beim Begriff selbst handelt es sich um eine Abkürzung für "Führungsinfrastruktur, Informationstechnologie und Anbindung an die Netzinfrastruktur der Armee".

Fitania besteht aus drei Teilprojekten, die alle stark voneinander abhängig sind, wie die WOZ zusammenfasste:

  • Im Teilprojekt "Telekommunikation der Armee" sollen "alternde Telekomsysteme der Armee ersetzt werden – von Richtstrahlgeräten bis hin zu Feldtelefonen".

  • Im Teilprojekt "Rechenzentrum VBS/Bund 2020" sollen bestehende Rechenzentren in drei nationale Zentren zusammengelegt werden, zwei davon "mit militärischem Vollschutz", also in bombensicheren Felsbunkern.

  • Das Teilprojekt "Führungsnetz Schweiz" sehe "eine unabhängige Netzinfrastruktur aus Glasfaserkabeln und Richtfunkverbindungen vor", die im Krisenfall auch von Blaulichtorganisationen genutzt werden kann.

Dieser Artikel erschien zuerst bei Watson.ch

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