Revision des Urheberrechts

Wenn eine Branche auf die Barrikaden geht

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Die Vorlage für das neue Urheberrechtsgesetz ist in der Vernehmlassung. Die wichtigsten Änderungen für Access-Provider und Hoster im Überblick. Inklusive Stimmen der Betroffenen.

Der Bundesrat will das Schweizer Urheberrecht modernisieren, wie er Ende 2015 in einer Mitteilung schrieb. Am 11. Dezember 2015 begann die Vernehmlassung der Vorlage für das neue Gesetz.

Die Vorlage birgt ordentlich Zündstoff. Insbesondere die Access-Provider und Hoster wehren sich zum Teil vehement gegen die geplanten Massnahmen.

Konkret sieht der Bund folgende Änderungen vor:

  • Schweizer Hoster sollen keine Piraterieplattformen hosten. Bei Urheberrechtsverletzungen, die über ihre Server laufen, sollen sie die betreffenden Inhalte rasch entfernen.
  • In Fällen von im Ausland gehosteten Plattformen sollen die Internetprovider auf Anweisung der Behörden den Zugang sperren. Diese Internetsperren sollen so gestaltet sein, dass rechtmässige Inhalte nicht betroffen sind. Im Gegenzug sollen die Provider von ihrer Haftung für durch Kunden verursachte Urheberrechtsverletzungen befreit werden.
  • Bei schwerwiegenden Urheberrechtsverletzungen - etwa dem Upload unveröffentlichter Filme über Peer-to-Peer-Netzwerke - sollen die Access-Provider dem fehlbaren Nutzer künftig zwei Hinweise zustellen. Wichtig: Der zweite Hinweis muss per Brief auf dem Postweg zugestellt werden.
  • Macht der Nutzer trotz Hinweise weiter, müssen Access-Provider die Identität des Nutzer an die betroffenen Urheber weitergeben. Der Urheber soll dann zivilrechtlich gegen den fehlbaren Nutzer vorgehen können. Damit würde ein Strafverfahren, wie es heute in dem Fall nötig ist, wegfallen.
  • Der Download für den rein privaten Gebrauch sei nicht betroffen, schreibt der Bund. Die Vorlage führe nicht zu einer Kriminalisierung der Nutzer.

Access-Provider und Hoster sind mit nur wenigen Punkten der Vorlage einverstanden. Der Gesetzesentwurf halte sich nicht an den Kompromiss, den die Arbeitsgruppe zum Urheberrecht, kurz AGUR 12, gefunden habe, sagt Matthias Lüscher vom Branchenverband Suissedigital.

Die Umsetzung der geplanten Massnahmen wäre im Verhältnis zur Wirkung sehr teuer und aufwändig. "Unsere Mitglieder, die Internet-Zugänge bereitstellen, sind von dieser Revision sehr stark und direkt betroffen", sagt Lüscher.

Ein "erstaunlicher Vorschlag"

Ähnlich sieht man es beim Access-Provider Salt. Es sei fraglich, ob der Vorschlag zu "einer positiven Kosten-Nutzen-Analyse" führe. Neue Monitoring-Prozesse seien nötig, neue Teams müssten ausgebildet werden. "Hinzu kommt die Verpflichtung, dass der zweite Warnhinweis per Briefpost versandt werden muss", schreibt eine Salt-Sprecherin in einer Mail. "Das ist in einer digitaler werdenden Welt und mit Blick auf den Vorsatz des Bundesrats, das Urheberrecht 'modernisieren' zu wollen, doch ein erstaunlicher Vorschlag."

Doch auch auf Seite der Hoster stösst der Entwurf des Bundesrat auf wenig Begeisterung. "Mit der Revision werden Schweizer Hoster umfassendere Pflichten aufgebürdet, die zu einem schmerzhaften Mehraufwand führen werden", sagt Philipp Zeder, verantwortlich für das Marketing bei Cyon. Er fürchtet angesichts der Pflichten gar einen Wettbewerbsnachteil gegenüber ausländischer Konkurrenz.

Code of Conduct funktioniere seit 2013 tadellos

Franz Grüter, Verwaltungsratspräsident von Green.ch, findet ähnliche Worte. Schweizer Hoster würden zu einer Art Content-Zensurstelle. Das führe zu einem "beträchtlichen Mehraufwand". "Deshalb engagiere ich mich gegen das neue Gesetz", sagt Grüter.

Provider wie Hoster verweisen allesamt auf den Code of Conduct der Swiss Internet Industry Association, kurz Simsa. Der Code of Conduct gilt seit Januar 2013. Er regelt das Vorgehen bei offensichtlich rechtswidrigen Inhalten in "ausreichender und praktikabler Art", wie Grüter sagt. Man versteht in der Branche nicht, warum die Selbstregulierung nicht ausreicht.

Der Simsa kritisierte die Vorlage des Bundes, schon unmittelbar nachdem sie in die Vernehmlassung ging. Die dem Verband angeschlossenen Provider und Hoster würden keinen Handlungsbedarf sehen, schrieb der Verband damals.

Es sieht ganz danach aus, dass das neue Gesetz tatsächlich mehr Probleme verursachen könnte, als es eigentlich lösen sollte. Ausser von höheren Kosten sprechen die Provider und Hoster etwa von akuter Missbrauchsgefahr.

Entwurf zu unscharf formuliert

Denn gemäss der Vorlage würde künftig eine nicht weiter spezifizierte Mitteilung eines Rechteinhabers genügen, um Inhalte oder Websites zu sperren. Die Hoster müssten beim Eingang der Meldung ohne Prüfung aktiv werden und den Inhalt sperren. "Das geht zu weit!", sagt Grüter.

Laut Philipp Zeder von Cyon lädt das neue Gesetz im Gegensatz zum Code of Conduct sogar zu Missbrauch ein. "Das neue Gesetz sieht keine formalen und inhaltlichen Anforderungen an Take-Down-Notices vor", sagt Zeder.

Für Swisscom ist der mögliche Missbrauch ebenfalls ein Problem. Das Gesetz sei hier zu unscharf formuliert. Anbieter sollten minimale Anforderungen an die Meldungen über Rechtsverletzungen verlangen dürfen.

Funktionsweise des Internets in Gefahr

Die Branche sieht valable Alternativen zur Vorlage des Bundesrates. Salt etwa schlägt das Stilllegen von Zahlungsmöglichkeiten vor. "Ein Pirat, der geschäftlich operiert, will Umsätze und damit Zahlungsflüsse generieren."

Es gebe weltweit bekannte Unternehmen, die derartigen Zahlungsverkehr ohne Nachfrage, Vorbehalte oder Forderungen von Seiten der Urheber abwickeln würden. "Man könnte hier ansetzen, statt die Funktionweise des Internets zu gefährden", schreibt Salt. Bei Sunrise teilt man diese Meinung. "Wir sehen eine Gefahr in der Tatsache, dass etwa DNS-Sperren das System des Internets an sich gefährden können", sagt ein Sunrise-Sprecher auf Anfrage.

Der Verband Suissedigital sieht indes laut Lüscher eine Alternative in der Aufklärung der Bevölkerung. Sie müsste über den Sinn und Zweck des Urheberrechtsschutzes informiert werden. Legale Angebote sollte man zudem fördern. Denn IP- und DNS-Sperren, wie der Bundrat sie vorsieht, könnten technisch umgangen werden.

"Wir dürfen nicht zur Internetzensur übergehen"

Erhöhe sich die Anzahl der Sperren im Internet, würde auch mehr versucht, die Sperren zu umgehen. "Das kann schliesslich zur Instabilität des Internets - für alle Nutzer - beitragen", sagt Lüscher.

Bei den Sperren mahnt Grüter ebenfalls zur Vorsicht. "Wir dürfen keinesfalls zur Internetzensur übergehen", sagt Grüter. 

Sollte das neue Gesetz wie geplant umgesetzt werden, ist nicht ganz eindeutig klar, ob die Kosten der Internet-Abos von Endkunden oder Unternehmen steigen. Swisscom erwartet keine höheren Kosten für Kunden. Und UPC kann gemäss Mediensprecher Bernhard Strapp noch keine Einschätzung zu Mehrkosten abgeben. Lüscher von Suissedigital sagt das Gleiche.

Wenn die Access-Provider selbst höhere Kosten haben, müssen die ja auch irgendwie gedeckt werden. Laut Grüter gibt es im URG keine Regelung dazu. Tatsächlich sieht der Entwurf vor, dass Rechteinhaber für die Kosten aufzukommen haben.

Das Vernehmlassungsverfahren für das neue Urheberrechtsgesetz läuft noch bis zum 31. März 2016.

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