Vergleichende Studie im DACH-Raum

Die Industrie von morgen - Schweizer tappen im Dunkeln

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In der Schweiz ist die Industrie 4.0 noch kaum bekannt. Eine Studie zum Thema belegt: Nur jeder Zehnte Teilnehmer kann etwas mit dem Begriff anfangen. Das Konzept beschreibt die aktuellen wirtschaftlichen Veränderungen als vierte industrielle Revolution.

Das Forschungsinstitut Meinungsraum.at hat im Auftrag des IT-Beratungsunternehmens CSC im DACH-Raum eine Studie zum Begriff "Industrie 4.0" durchgeführt. Dazu befragten die Analysten 500 Mitarbeiter von Unternehmen aus Deutschland, 250 aus Österreich und 150 aus der Schweiz. Die Auswahl der Befragten war dabei weit gestreut, hiess es bei der gestrigen Präsentation der Studie. So wurden Mitarbeiter von KMUs mit 10 Mitarbeitern bis hin zu Grosskonzernen befragt. Das Beratungsunternehmen habe bewusst nicht nur Entscheidungsträger befragt.

Industrie 4.0 in der Schweiz kaum bekannt

Während in Deutschland fast jede dritte Person den Begriff Industrie 4.0 gut zu kennen meint, sind es in Österreich nur 22 Prozent und in der Schweiz gerade einmal 9 Prozent. Immerhin haben 31 Prozent der befragen Schweizer schon einmal etwas von dem Begriff gehört, sie gaben aber an, dass ihnen konkrete Informationen fehlen würden. Fast 60 Prozent der Befragten war das Konzept Industrie 4.0 hingegen völlig unbekannt, im Vergleich zu 52 Prozent in Österreich und 40 Prozent in Deutschland.

Dieser Unterschied ist damit zu erklären, dass Industrie 4.0 in Deutschland gerade ein Modebegriff ist, der von vielen Akteuren aktiv gepusht wird. In der Schweiz scheint der Begriff daher noch nicht angekommen zu sein.

Bedeutung erkannt, Ausbildung noch ungenügend

Obwohl das Wissen über den Begriff Industrie 4.0 relativ gering, ist schätzen mehr als die Hälfte der Befragten in der Schweiz das Thema "Vernetzte Fabrik", was Industrie 4.0 vereinfacht umschreibt, als wichtig bis sehr wichtig ein.

Gleichzeitig glauben 46 Prozent, dass gegenwärtig nicht genügend Fachkräfte für den Schritt zur Industrie 4.0 in der Schweiz vorhanden sind. Dieser Wert ist fast identisch mit dem in Deutschland und Österreich. Dennoch sagten 56 Prozent der Befragten, dass ihr Untenehmen keine Aus- und Weiterbildung für Industrie 4.0-Kompetenzen unternehmen würde. In de Schweiz sehen nur 16 Prozent Bemühungen von Unternehmensseite.

Peter Ronchetti, Vorstand der Geschäftsleitung CSC Schweiz, fasste die Studienergebnisse folgendermassen zusammen: "Die Studie zeigt ganz klar: Die Schweiz und Österreich hinken Deutschland bei Industrie 4.0 massiv nach. Hier gilt es, den Rückstand so rasch wie möglich aufzuholen".

Was beinhaltet der Begriff Industrie 4.0

Das Konzept "Industrie 4.0" involviert sehr viele unterschiedliche Bereiche. Der Begriff hat seinen Ursprung in Deutschland und wurde zunächst im wissenschaftlichen Kontext geprägt. In den letzen Jahren hat das Konzept aber auch Eingang in die deutsche Politik gehalten. So versammeln sich auf der "Plattform Industrie 4.0" zahlreiche wichtige deutsche Unternehmen, Meinungsmacher und Entscheidungsträger. Der Begriff hat sogar Einzug in den Koalitionsvertrag der aktuellen deutschen Bundesregierung gehalten.

Vereinfacht gesagt, handelt es sich bei Industrie 4.0 um die Anwendung des Internets der Dinge (IoT) und der Machine-to-Machine (M2M)-Kommunikation, sowie um die Verwendung dieser Techniken in einer "Smart-Factory".

Gleichzeitig ist damit aber auch ein völlig neues Verständnis der Produktionsprozesse und Arbeitsabläufe in der Industrie verbunden. War die erste industrielle Revolution durch die Dampfmaschine, die zweite durch die Elektrizität und die dritte durch den Einsatz von IT geprägt, zeichnet sich die vierte industrielle Revolution durch die totale Vernetzung aller am Produktionsprozess beteiligten Elemente aus.

Neue Art der industriellen Produktion

Dabei geht der Trend weg von der Massenproduktion, hin zu hoch individualisierten Produkten. Die Wertschöpfungskette hört nicht schon beim Verlassen der Werkstatt auf, sondern geht über den gesamten Lebenszyklus des Produkts weiter. Als Beispiel hierfür nannte Ralf Schulze, Industry Strategy Manufacturing bei CSC, das Smartphone. Durch Software-Updates und Zusatzapplikationen werde dieses immer weiter verbessert. Dieses Zusatzgeschäft hat Apple mit seinem App-Store perfektioniert, sagte Schulze. Gleichzeit sind solche Modelle aber auch in Automobilen und vielen anderen Produkten vorstellbar und teilsweise sogar schon Realität.

Eine Gegenbewegung innerhalb des Konzepts Industrie 4.0 ist der Trend zum "Everything as a Service". Dabei stehe nicht mehr das Produkt im Mittelpunkt, sondern die Leistung, die damit verbunden ist. Als Beispiel zog Schulze "ein Bild" heran, das an die Wand soll. Ob nun mit Schraube, Dübel und Bohrmaschine oder einfach mit einem Klebestreifen. In der Industrie 4.0 sei der Prozess dahin irrelevant, nur das Resultat zähle. Ebenso steht das Konzept mit den Mobility-Autos für diese Denkweise. Der Kunde bezahlt für die Lösung eines Problems, nicht für ein Produkt.

Revolution auf leisen Sohlen

Laut Ralf Schulze sind die Technologien der Industrie 4.0 keinesfalls neu. Beispielsweise werden Sensoren, 3D-Drucker oder auch Laser-Technologien schon lange auch in der Industrie genutzt. Dass wirklich Neue sei das Ausmass der Verknüpfungen bisher völlig getrennter Industriebereiche. Als Paradebeispiel hierfür nannte Schulze Googles Autoprojekt, oder auch dass der Buchhändler Amazon der grösste Cloud-Anbeiter der Welt ist.

Die deutsche Bundesregierung und viele Entscheidungsträger in der deutschen Wirtschaft gehen davon aus, dass sich die Industrie grundlegend verändern wird. Der Begriff Revolution ist dabei etwas übertrieben, da die Veränderungen langsam aber stetig vonstatten gehen, sagte Schulze. Am Ende des Prozesses werden, wie schon bei den vorangegangenen Revolutionen, völlig neue Firmen an der Spitze stehen, fasst Schulze den Kern der Veränderungen zusammen. Viele Unternehmen bewegen sich heute schon in Richtung Industrie 4.0, sagte Schulze.

Anmerkung:

In der ersten Ausgabe 2015 der "Netzwoche"  lesen Sie mehr zum Konzept Industrie 4.0. Auch erfahren Sie, welche Auswirkungen es für die Schweiz haben könnte.

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