Stimmen aus der Branche

Ein Jahr nach dem Frankenschock

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Ein Jahr nach der Aufhebung der Euro-Franken-Untergrenze durch die SNB ist es Zeit, Bilanz zu ziehen. Die Redaktion hat sich in der Schweizer ICT-Branche umgehört.

Auf den Tag genau vor einem Jahr hat die Schweizer Nationalbank (SNB) die Untergrenze von 1.20 Franken für 1 Euro überraschend aufgehoben. In den Medien war in der Folge vom "Frankenschock" die Rede. Wie ist die Stimmung in der Schweizer ICT-Landschaft ein Jahr nach dem Entscheid? Die Redaktion hat einige Stimmen eingefangen.

Keines der befragten Unternehmen wollte den SNB-Entscheid direkt kommentieren. Zu gross ist der Respekt vor der Unabhängigkeit der Institution. Einzig Adrian Müller, Managing Director bei HP Schweiz, äusserte vorsichtige Kritik. Er hätte eine "schrittweise Aufhebung des Euro-Mindestkurses bevorzugt", sagte er. Bei den Auswirkungen auf ihr Geschäft zeigten sich die Unternehmen aber gesprächiger, wobei es Unterschiede zwischen Anbietern und Anwendern gibt.

Einsparungen überwiegen

Die grossen Hersteller wie auch Distributoren hoben die Einsparungen für die Kunden und Partner hervor. Laut Bruno Daellenbach, Retail Sales und Marketing Lead bei Microsoft Schweiz, war der Entscheid der SNB für die Partner positiv. Denn Microsoft habe auch schon vorher den Zahlungsverkehr in Euro abgewickelt. Durch den Entscheid seien die Produkte und Dienstleistungen schlagartig günstiger geworden. Auch die Konsumenten hätten von günstigeren Produkten profitieren können, sagte er weiter.

Wenige Auswirkungen verspürte hingegen Lenovo Schweiz, wie Patrick Roettger, Managing Director des Unternehmens, sagte. Das Thema hat Lenovo "nicht gross tangiert". HP Schweiz hob hervor, dass die "Listenpreise unverzüglich angepasst" wurden, um die "Schweizer HP-Partner bestmöglich vor Graumarkt-Importen zu schützen", teilte Adrian Müller, Managing Director bei HP Schweiz, mit.

Die befragten Anwender sprachen jedoch von nur geringen Einsparungen. Beispielsweise sei das IT-Budget der Migros nur um 0,5 Prozent entlastet worden, heisst es in einer Stellungnahme. Die Migros zahlte weniger bei Lizenzeinkäufen in Euro und bei Beratungskosten aus dem Euroraum. Auch bei der ZKB hatte der Entscheid "keine oder sehr geringe Auswirkungen auf die IT". Dies liege aber auch darin begründet, dass die ZKB einen hohen "Eigenfertigungsgrad" habe und Produkte lokal einkaufe.

Frankenschock als Chance

Ein differenzierteres Bild zeichneten IBM und HP Schweiz. Für die Unternehmen stehen gerade die exportorientierten Unternehmen der Schweiz vor einer grossen Herausforderung. Dennoch hob IBM in der Stellungnahme auch die Chancen für die Schweiz hervor. Die Kunden des Unternehmens hätten jetzt die Gelegenheit, "ihre IT und Geschäftsprozesse zu optimieren". Mit neuen Technologien könne auf den Kostendruck reagiert werden. Laut IBM haben nur die Unternehmen gute Karten, die in "Innovationen investieren und im Bereich der hohen Wertschöpfung" tätig sind.

Laut Adrian Müller von HP Schweiz hat die Entscheidung der SNB beim Unternehmen "deutliche Bremsspuren hinterlassen". Gerade KMUs würden in der momentanen Situation vor Investitionen zurückschrecken. Weniger spürbar seien die Auswirkungen bei Grosskunden und der öffentlichen Hand, da diese Infrastrukturprojekte längerfristig planen würden.

Dass sich eine langfristige Währungsplanung auszahlt, zeigte das Beispiel Avaloq. Das exportorientierte IT-Unternehmen habe bereits 2010 "Währungskongruenz hergestellt", teilte das Unternehmen mit. Die plötzliche Entscheidung der SNB habe das Geschäft des Unternehmens daher kaum getroffen. "Der Exportpreis für unsere Lösungen hat sich mit dem Entscheid natürlich erhöht. Wir beobachten jedoch, dass wir sowohl in der Schweiz als auch international als Anbieter eines Qualitätsprodukts wahrgenommen werden." Der Wert der Lösungen habe für die Kunden den Ausschlag gegeben und nicht der Preis, so das Unternehmen weiter.

Sicht der Distributoren

Eine mehrheitlich positive Bilanz zog der Distributor Ingram Micro Schweiz. Für die Kunden hatte die Aufhebung der Untergrenze eine "bedeutende Preissenkung" zur Folge. Diese habe der Disti durch schnelle Neuverhandlungen auch umgehend an die Kunden weitergegeben.

Für den Elektrohandel spricht Ingram Micro von einem Preisrückgang von 6,6 Prozent. Das Unternehmen konnte seinen Umsatz dennoch steigern. Die Kunden hätten mehr gekauft als zuvor. Die Umsatzverluste konnten laut dem Unternehmen "durch Mehr- und Zusatzverkäufe komplett wettgemacht werden".

Zusätzlich hatte sich der Disti auch teilweise gegen Währungsschwankungen abgesichert. Ein Teil des Schadens konnte dadurch kompensiert werden. Auch die Lieferanten hätten sich kulant gezeigt und teilweise die Mehrkosten übernommen.

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