Schweiz-Chef im Interview

Wie Frank Thonüs Dell und EMC endlich wirklich vereint

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von Coen Kaat

Am 3. Februar hat Dell die Schweizer Doppelspitze abgeschafft. Neu ist Frank Thonüs alleiniger Schweiz-Chef. Der Wechsel ist Teil einer grösseren Strategie, mit der Dell das Management und die Prozesse entschlacken will. Wenige Tage nach der Umstellung sprach Thonüs im Interview über die Veränderungen, die Gründe und den weiteren Weg.

Frank Thonüs, Country Manager Schweiz, Dell Technologies (Source: Netzmedien)
Frank Thonüs, Country Manager Schweiz, Dell Technologies (Source: Netzmedien)

Sie sind 2015, kein halbes Jahr vor dem Merger mit Dell, zu EMC gestossen. Überraschte Sie die Fusion oder hatten Sie schon etwas in der Richtung geahnt?

Frank Thonüs: Die kurze Antwort ist "Nein".

 

Und die lange Antwort?

Im Zeitalter der Konsolidierungen war das eine relativ vorhersehbare Geschichte. EMC war zwar sehr stark im Datacenter-Umfeld. Aber wir konnten nicht sämtliche Kundenbedürfnisse aus einer Hand bedienen. Wenn man zwar alles von Storage über SAN bis Back-up anbietet, aber keine Server, ist dies auf lange Sicht nicht sinnvoll. Darum schloss sich EMC zunächst zu einem Konglomerat mit VMware und Cisco zusammen. Der Zusammenschluss mit Dell war der logische nächste Schritt. Schliesslich war das Unternehmen zuvor einer unserer grössten Reseller und machte weltweit einen jährlichen Umsatz von mehr als 2,5 Milliarden US-Dollar mit EMC-Produkten.

 

Nun, fünf Jahre später, sind Sie zum Country Manager Schweiz von Dell Technologies aufgestiegen. Wie geht es Ihnen in dieser neuen Rolle?

Mir geht es hervorragend! Ich schlafe derzeit vielleicht nicht ganz so viel. Aber ich bin trotzdem voller Energie und Tatendrang. Ich fühle mich sehr wohl in meiner neuen Rolle. Denn meine Arbeit macht mir viel Spass. Dementsprechend stehe ich voll und ganz hinter der Firma, unseren Kunden, Partnern und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

 

Seit dem Merger wurde Dell Technologies beziehungsweise Dell EMC in der Schweiz durch eine Doppelspitze gelenkt. Warum schafft das Unternehmen diese Struktur nun ab?

Wir implementieren derzeit ein sogenanntes One-Country-Modell. Das heisst, wir haben die gesamte Managementstruktur vereinfacht, nicht nur die Führungsspitze, und im Hintergrund viele Prozesse entschlackt. Dell Technologies unterschied zuvor zwischen den Bereichen Enterprise und Commercial. Diese operierten als getrennte Organisationen voneinander. Ich leitete den Enterprise-Bereich und Patrick Roettger das Commercial-Geschäft. Diese Organisationen werden nun zusammengelegt.

 

Warum gab es diese Trennung überhaupt?

Als Dell und EMC fusionierten, ergab diese Aufteilung Sinn. So stellten wir sicher, dass wir keine Kunden oder Mitarbeiter verlieren auf dem neuen gemeinsamen Weg. Zwar hatten beide Firmen ein blaues Logo und eine ähnliche Firmenkultur. Trotzdem waren es unterschiedliche Unternehmen mit unterschiedlichen Geschäftsfeldern. EMC bediente vor allem Grosskunden, während Dell eher im transaktionellen Geschäft stark war. Also beschlossen wir, dies auch im neuen Unternehmen so abzubilden. Seitdem sind die beiden Hälften aber immer näher zusammengerückt. Darum war es an der Zeit, die Trennung aufzuheben und die beiden Firmen wirklich verschmelzen zu lassen.

 

Dann ist dies also der letzte Schritt der Fusion von Dell und EMC?

Absolut.

 

Führte diese organisatorische Trennung auch zu Friktionen innerhalb des Unternehmens?

Wenn es etwa um Cloud- und As-a-Service-Angebote ging, konnte die Aufspaltung durchaus unfair sein. Nehmen wir als Beispiel einen grossen Cloud-Provider. Wenn dieser Storage oder Virtualisierungslösungen einkauft, erschien dies in den Büchern des Enterprise-Sales-Teams. Im Zeitalter der Multicloud bedient der Provider auch mittelständische Unternehmen. Diese Unternehmen wurden allerdings vom Sales-Team in der Commercial-Organisation betreut, die den Cloud-Provider darum als Feind sahen.

 

Warum?

Wenn der Cloud-Provider dem Kunden Dienstleistungen as-a-Service anbietet, sieht das Commercial-Team keinen Umsatz mehr. Das läuft komplett über den Enterprise-Bereich. Mit dem One-Country-Modell haben wir dieses Problem nun beseitigt. Jetzt fliesst alles in eine gemeinsame Gewinn- und Verlust-Rechnung. Das hat für den Kunden Vorteile. So können die Account-Manager ihre Kunden vollumfänglich beraten – ohne dass sie sich überlegen müssen, ob der Umsatz nachher tatsächlich in ihren Büchern erscheint.

 

Was erhoffen Sie sich von dieser Zusammenlegung?

Auf diese Weise kann man die interne Kommunikation optimieren. Wir sind jetzt eine Firma mit einem Management, das eine Botschaft an sämtliche Mitarbeiter kommuniziert. Das tragen wir in den Markt hinaus zu unseren Kunden und Partnern.

 

War es eine grosse Umstellung, nun allein für Dell Technologies in der Schweiz verantwortlich zu sein?

Mein Arbeitsalltag hat sich enorm verändert. Mein Aufgaben- und mein Verantwortungsbereich sind viel grösser geworden. Ich muss nun viel mehr in die Breite und kann nicht mehr wirklich in die Tiefe gehen. Die Manager, die weiterhin an mich berichten, haben heute mehr Entscheidungskompetenz Denn gewisse Probleme, die früher wohl auf meinem Schreibtisch gelandet wären, müssen sie nun selbst lösen.

 

Inwiefern ändert Ihre neue Position, wie Sie das Unternehmen anpacken?

Ich hinterfrage zurzeit sehr viel. Vor allem, wenn es um unsere internen Prozesse geht. Auf die Frage, warum ein Mitarbeiter etwas tut, höre ich oft als Antwort: Weil wir das bisher immer so gemacht haben. Genau solche bestehenden Prozesse sollte man immer hinterfragen. Denn hätte man sich mit der Kerze zufriedengegeben, hätte man die Glühbirne nie erfunden.

 

Kommt das bei den Mitarbeitern gut an?

Für gewisse bin ich vielleicht fast schon ein bisschen mühsam (lacht). Denn ich stelle wirklich viele Fragen. Aber wir führen zwei Organisationen zusammen. In einer solchen Phase gibt es keine blöden Fragen. Ich will herausfinden, wie ich das Unternehmen noch besser machen kann für die Mitarbeiter, Partner und Kunden. Das ist derzeit mein Hauptfokus.

 

Kam es bei dieser Zusammenlegung nicht zu personellen Redundanzen? Wie sind Sie mit diesen umgegangen?

Es wurden keine Mitarbeiter entlassen. Auch wurde niemand gross he­rumgeschoben innerhalb der Firma. Konsolidierungen gab es eher auf der Team-Ebene. Zuvor hatten wir in beiden Organisationen einen technischen Verkauf mit einem eigenen Manager. Diese Teams wurden nun zusammengelegt unter einem Manager. Und der andere Manager berichtet nun an diesen. Für die meisten Mitarbeiter ändert sich daher nur wenig. Es war uns sehr wichtig, bei dieser Umstellung stehts zwei Prinzipien zu beachten. Erstens: Interruptions for Employees. Und zweitens: Interruptions for Customers and Partners.

 

Können Sie diese beiden Prinzipien noch etwas näher erläutern?

Die Umstrukturierung soll alles vereinfachen und dabei möglichst wenig verändern. Also keine Veränderung um der Veränderung willen. Konkret heisst das: Wo wir zuvor ein Team mit einem Manager hatten, haben wir auch jetzt noch ein Team mit einem Manager. Und alles, was nach aussen gerichtet war, ist gleichgeblieben. Das heisst, jeder, der zuvor einen Kunden oder einen Partner betreut hat, betreut diesen weiterhin. Auch bei den Executive Sponsorships gab es keine Veränderungen.

 

Executive Sponsorships?

Unsere wichtigsten Kunden haben immer einen Manager, der für sie zuständig ist. Wir nennen das Executive Sponsorships. Dieser Manager hat mit dem Alltagsgeschäft des Kunden eigentlich nichts zu tun. Er ist mehr der Götti des Kunden und fungiert als Eskalationsstufe, reaktiv oder proaktiv, sollte diese nötig sein. Ich betreue ebenfalls Kunden auf diese Weise und werde das weiterhin tun.

 

Die Kunden und Partner werden also nichts merken von all den Umstellungen?

Unsere Kunden und Partner sollen durchaus spüren, dass wir nun schneller und agiler operieren können. Aber was die Qualität der Betreuung und der Produkte angeht, werden sie nicht bemerken, dass wir etwas umgestellt haben.

 

Für die Mitarbeiter wird alles einfacher, für die Kunden und Partner bleibt alles gleich. Was genau haben Sie geändert?

Unser Augenmerk lag in den vergangenen Monaten primär auf dem Backoffice. Zum Beispiel standardisierten wir Prozesse im Hintergrund. Jetzt läuft alles schneller, effizienter und einfacher. Sowohl für externe als auch für interne Kunden.

 

Wer sind die internen Kunden?

Sobald ein Mitarbeiter ein Anliegen hat, zum Beispiel einen Supportfall, sehe ich ihn als einen Kunden unseres Customer Services. Dieser ist dafür verantwortlich, dass der Kunde, also der Mitarbeiter, zufrieden ist. Denn nur zufriedene Mitarbeiter machen zufriedene externe Kunden, und nur zufriedene externe Kunden machen Umsatz. Das ist eine sehr einfache Gleichung.

 

Heisst das, dass Sie Ihren Mitarbeitern mit dem Lohnblatt auch gleich eine Rechnung schicken?

Nein, das ist natürlich nicht der Fall (lacht)! Jedenfalls ist mir diesbezüglich noch nichts zu Ohren gekommen und geplant ist es auch nicht.

 

Können Sie ein Beispiel nennen für einen Prozess, den Sie im Hintergrund vereinfacht haben?

Für den Channel hatten wir zuvor getrennte Reporting-Tools, wenn es um die Deal-Registrierung ging. Dies machte es kompliziert, wenn ein Partner einen grösseren Kunden an Land ziehen wollte. Der zuständige Account Manager konnte in einem solchen Fall gar nicht sehen, ob er diesen Deal überhaupt gutheissen durfte. Dafür musste er zunächst das Sales-Team in der Enterprise-Organisation kontaktierten. Das führte zu einigen Missverständnissen. Es sorgte auch dafür, dass unsere Prozesse unnötig lang waren.

 

Und wie sieht die Lage jetzt aus?

Die ganze Deal-Registrierung ist viel einfacher geworden, da wir nur noch ein vollautomatisiertes Reporting-Tool nutzen. Darin fliessen alle Informationen zusammen. So kann der Partner Account-Manager selbstständig Deals genehmigen. Dadurch sind wir viel schneller geworden. Zuvor hatten wir Mühe, solche Anfragen innerhalb von 24 Stunden zu beantworten; jetzt brauchen wir dafür maximal 4 Stunden. Das heisst, dass wir und unsere Partner einen ganzen Tag sparen beim Approval-Prozess. Diese Zeit kann nun sinnvoller eingesetzt werden.

 

Gab es irgendwelche Schwierigkeiten auf dem Weg zu dieser Vereinheitlichung?

Ganz ehrlich gesagt: nein. Es gibt immer Personen, die sich nicht ganz sicher sind und zuerst sehen wollen, wie sich eine Situation entwickelt. Und das ist in Ordnung so. Aber Beschwerden oder gar Kündigungen habe ich keine erhalten. Es lief alles reibungslos. Es gab nicht einmal grosse Diskussionen über die Umstellung.

 

Und auch die Kunden sind zufrieden?

Sie können fragen, was Sie wollen: Es gibt überhaupt nichts Negatives zu erzählen (lacht). Kein einziger Kunde rief uns an, um zu fragen, was wir da Komisches angestellt haben. Es sind alle zufrieden.

 

Die Umstellung ist aber auch erst 4 Tage her.

Moment, wir zählen den heutigen Tag mit. Damit sind es schon 5 Tage (lacht). Aber schlechte Nachrichten kommen ja bekanntlich immer sehr zügig im Gegensatz zu den guten. Ich bin überzeugt, hätte ein Kunde ein Problem festgestellt, hätte er sich bereits gemeldet. Und dass wir nun effizienter und schneller arbeiten können, wird er im Laufe der Zeit feststellen.

 

In welche Richtung wird Dell Technologies nun gehen mit Ihnen am Steuer?

Die Schweizer Länderorganisation ist bereits sehr gut aufgestellt. Die Kaffeemaschinen funktionieren und unsere Mitarbeiter sind überaus zufrieden: Alle KPIs sind im grünen Bereich. Die Schweizer Organisation wird innerhalb der Gruppe als sehr erfolgreich wahrgenommen. Diesen Weg müssen wir fortsetzen. Darum werde ich jetzt nicht das Ruder herumreissen und radikale Veränderungen planen. Ein paar Kleinigkeiten können und werden wir noch verbessern. Aber ich werde sicher nicht unser blaues Logo plötzlich rot färben.

 

Sie sagten, ein paar Kleinigkeiten könnte man noch verbessern. Was sind das genau für Kleinigkeiten?

Dazu zählt gewiss der Channel. Unser Partnerprogramm ist zwar gut, aber es ist nicht perfekt. In den vergangenen Jahren haben wir den Channel leicht vernachlässigt. Das wollen wir jetzt wieder wettmachen. Patrick Roettger und Marc Lenzin, unser Director of Channel Organisation, arbeiten daran, das Partnerprogramm laufend zu verbessern. Zu diesem Zweck lancierten sie bereits diverse Projekte. Dank des Zusammenschlusses können sie diese Verbesserungen jetzt unternehmensweit implementieren. Auch im Bereich Marketing profitiert der Channel vom One-Country-Modell. Denn Marketing-Budgets, die zuvor auf zwei Silos verteilt wurden, sind nun in einem Topf.

 

Und was sind die übrigen Kleinigkeiten?

Ferner sind es vor allem gewisse interne Prozesse, an denen wir noch feilen können. Einige Mitarbeiter verbrauchen viel Zeit, um interne Anfragen zu beantworten. Derart zeitintensive Prozesse können Mitarbeiter schnell frustrieren. Vor allem, wenn sie es nur so kompliziert machen, weil sie denken, dass es so vorgesehen ist. Dies zu ändern, ist ein Lern- und Definitionsprozess.

 

Wie meinen Sie das?

Es geht darum herauszufinden, ob wir diese zeitintensiven Prozesse überhaupt brauchen. Manchmal sind Prozesse nur dazu da, um einen anderen Prozess zufrieden zu stellen, der wiederum lediglich einen dritten Prozess startet. In solchen Fällen sollte man direkt beim dritten Prozess beginnen und die ersten beiden abschaffen. Was dies betrifft, sind wir dabei, einiges zu optimieren.

 

Was für Massnahmen ergreifen Sie, um Dell Technologies als möglichst attraktiven Arbeitgeber aufzustellen?

Ich setze mich stark dafür ein, dass die Mitarbeiter die Unterstützung erhalten, die sie brauchen, wenn sie Probleme haben. Damit meine ich nicht nur technische Probleme, sondern auch gesundheitliche, familiäre und finanzielle Schwierigkeiten. Egal, um was es geht, ich will, dass meine Mitarbeiter wissen, dass das Unternehmen für sie da ist. Wir investieren sehr viel Zeit und Energie in dieses Thema.

 

Das sieht man auch an den sogenannten Employee Ressource Groups.

Genau, da schliessen sich Mitarbeiter freiwillig zusammen für das Wohl aller. Derzeit haben wir drei solcher Gruppen, die international vernetzt sind. Die erste Gruppe befasst sich mit Umweltthemen. Die zweite soll helfen, junge Talente zu den Leadern von Morgen weiter zu entwickeln. Und die dritte Gruppe kümmert sich um die Motivation und die Gesundheit der Mitarbeiter. Sie sorgen dafür, dass die Mitarbeiter stets genügend zu trinken haben oder organisieren einen Kurs, wie man richtig schläft. Solche Themen scheinen sehr banal. Aber wenn es niemand macht, macht es niemand. Und darum muss man es organisieren.

 

Wie lautet Ihre persönliche Botschaft an den Channel?

Der Schweizer Channel ist treu. Wir haben hierzulande viele Partner, mit denen wir schon seit Jahren gute Geschäfte machen. Aber manchmal fehlt es mir ein wenig an Partnern, die uns herausfordern. Viele Partner bleiben lieber bei dem, was sie schon kennen. Darum lautet meine Botschaft an den Channel: Probiert etwas Neues und fordert uns richtig, damit wir zeigen können, was wir zu bieten haben.

 

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Persönlich

Frank Thonüs ist seit dem 3. Februar 2020 alleiniger Länderchef von Dell Technologies in der Schweiz. Bis Ende Januar 2020 leitete er als General Manager Enterprise die Schweizer Organisation gemeinsam mit Patrick Roettger, dem General Manager Commercial. Seit Juni 2015 bis zur Kombination von Dell und EMC im September 2016 war Thonüs Managing Director von EMC in der Schweiz. Vor seiner Zeit bei EMC arbeitete er 15 Jahre lang in verschiedenen Führungspositionen bei Symantec und Veritas Software. Seine Karriere begann er bei Alltron. Thonüs hat zwei Kinder, reist gern dorthin, wo es Palmen oder Schnee gibt und entspannt beim Wandern in den Schweizer Bergen. Ausserdem ist er nicht von ungefähr absoluter Sportfan – denn als Handball-Torwart hat er seinen Teams 30 Jahre lang den Rücken freigehalten.
Quelle: Dell Technologies

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