Interview zu 10 Jahren IT-Markt

Franz Grüter nennt die Trends der Rechenzentrumsbranche

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Vor zehn Jahren hat die Schweizer Rechenzentrumsbranche noch ein anderes Bild abgegeben. Die meisten Unternehmen betrieben damals ihre Rechenzentren selbst. Was im Vergleich zu heute anders ist und welche Trends den Markt aktuell beschäftigen, sagt Franz Grüter, VR-Präsident von Green.

Franz Grüter, VR-Präsident von Green (Source: zVg)
Franz Grüter, VR-Präsident von Green (Source: zVg)

Seit der Gründung des "IT-MARKT" hat sich einiges getan in der Schweizer IT-Welt, auch im Bereich Rechenzentren (RZ). Wie sah die Schweizer RZ-Branche vor zehn Jahren aus?

Franz Grüter: Vor zehn Jahren wurden die Rechenzentren der Unternehmen mehrheitlich firmenintern betrieben. Doch kamen immer mehr IT-Verantwortliche zum Schluss, dass die IT-Infrastruktur in dieser Tiefe selbst zu besitzen und zu betreiben, unwirtschaftlich ist. Zudem war auch der Anspruch an die Datensicherheit gestiegen und damit die Anforderungen an Anlagen, Zweitstandorte und Notfallkonzepte. Das läutete die Trendwende ein, die bis heute anhält. Selbst grosse Unternehmen in stark regulierten Branchen bauen eigene Standorte ab und setzen auf Colocation und die Cloud. Green leistete in diesem Bereich Pionierarbeit und gehörte zu den ersten Anbietern in der Schweiz, die kommerzielle Hochsicherheitsrechenzentren bauten.

 

Welches waren die wichtigsten Entwicklungen, die zum heutigen Stand der RZ-Branche geführt haben?

Als Erstes war die Verlagerung spürbar. Sie führte dazu, dass immer mehr Rechenzentren gebaut wurden und die Fläche sich vervielfachte. Als Google und Microsoft 2018 verkündeten, hierzulande eigene Datenstandorte aufzubauen, wurden die Karten noch einmal neu gemischt. Für Unternehmen war der Gang in die Cloud plötzlich greifbarer und wurde vorangetrieben. Doch auch für die Datacenter-Anbieter hatte dies Folgen. Wer als Datenstandort für Cloud-Anbieter infrage kommen wollte, musste neu denken. Er musste High-Density-Flächen bereitstellen, Wachstumsreserven vorsehen, die Energieeffizienz erhöhen und gleichzeitig die Prozesse professionalisieren.

 

Wie sieht die Situation heute im Vergleich zum Jahr 2010 aus?

Heute diskutieren wir in Projekten, wie wir die Kunden auf dem Weg in die Cloud begleiten können. Es geht also nicht mehr darum, nur Hardware ins Datacenter zu holen. Vielmehr sehe ich auch Datacenter-Anbieter in der Rolle des Lösungsanbieters, der für Unternehmen einen Weg in Etappen in die Cloud plant und umsetzt. Während noch vor ein paar Jahren Datacenter wie Pilze aus dem Boden schossen, geht es nun vielmehr darum, Partner zusammenzubringen, Synergien zu nutzen und alle Marktteilnehmer zu vernetzen in Form eines offenen Ökosystems. Ich denke da an Cloud-Provider, Integratoren, Softwareanbieter und Kunden.

 

Wie haben sich die Ansprüche der Kunden an die RZ verändert? Was müssen die RZ heute bieten?

Die Ansprüche an Sicherheit und Verfügbarkeit der einzelnen Datacenter haben sich nicht mehr stark verändert, dafür sind wir immer öfters Partner für mehrere Standorte. Das heisst, die Verfügbarkeit über mehrere Standorte abzusichern, hat sich etabliert. Damit dies möglich ist, braucht es Kapazitäten an verschiedenen Standorten. Und diese müssen in idealer Distanz zueinander und zum Kunden liegen. Zudem fordern die Kunden auch mehr Flexibilität, etwa beim Leistungsbezug oder der Vertragsgestaltung, um ihre Cloud Journey umzusetzen.

 

Welche Trends sind derzeit in der Branche zu beobachten?

Im Datacenter-Geschäft sehe ich aktuell drei Trends. Erstens wird die Vernetzung der IT-Infrastruktur immer entscheidender, um der Fragmentierung Herr zu werden. Diejenigen Rechenzentren, die sich als Hauptbahnhöfe des Datenverkehrs herauskristallisieren, sind für Partner, Unternehmen und Cloud-Provider vorteilhafter, weil sie Anbindungen zu allen Beteiligten und in alle Richtungen anbieten. Zweitens spaltet sich der Markt auf. Es gibt nur ganz wenige Anbieter, die sowohl die Bedürfnisse der Hyperscaler, also der global tätigen Cloud-Anbieter, als auch die der Unternehmenskunden in der Schweiz abdecken können. Doch genau das scheint mir attraktiv für beide Kundengruppen. Und drittens: Size matters. Das gilt auch für Datacenter-Betreiber. Grosse Infrastrukturen sind effizienter zu betreiben als kleinere. Und grosse Anbieter können in ganz anderem Mass in Anlagen, Energieeffizienz, Prozesse, Sicherheit und auch in Fachkräfte investieren.

 

Welche technologischen Fortschritte werden Ihrer Meinung nach in den kommenden Jahren grossen Einfluss auf die RZ haben?

Die Energieeffizienz wird weiterhin im Fokus der Anbieter stehen. Sie ist unabdingbar und wir haben noch nicht alle Potenziale voll ausgeschöpft. Das sehe ich gerade jetzt in den Planungsarbeiten für neue Module. Hier binden wir zurzeit verschiedene Partner ein und sind völlig unvoreingenommen in der Diskussion, was wir verbessern können. Auch unsere Zulieferer enwickeln sich weiter und bieten immer wieder neue, innovative und energieeffiziente Lösungen an, um unsere Datacenter-Lösungen weiter zu verbessern. Das ist spannend. Hinzu kommt, dass natürlich auch der Betrieb eines Datacenters von Automatisierung profitieren kann. Der Fortschritt macht also niemals halt, auch nicht im Datacenter.

 

Mit der Oktober-Ausgabe feiert der "IT-MARKT" sein 10-jähriges Jubiläum. Die Jubiläumsausgabe widmet sich darum ganz der Geschichte des Magazins und des Schweizer IT-Channels in den vergangenen 10 Jahren. Mehr Beiträge wie dieser Rückblick von Franz Grüter finden Sie hier im Web-Dossier zur Jubiläumsausgabe des "IT-MARKT".

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