Interview: Simon Lütenegger, JLS Digital

Was Mobilgeräte mit Digital Signage am Hut haben

Uhr

Der Retail interessiert sich zusehends für Digital-Signage-Installationen. Welche weiteren Trends er im Markt beobachtet und warum Mobilgeräte in der Kundenkommunikation immer wichtiger werden, sagt Simon Lütenegger, Chief Consulting & Sales Officer bei JLS Digital.

Simon Lütenegger, Chief Consulting & Sales Officer bei JLS Digital. (Source: JLS Digital / CLAUDIA MAMONE)
Simon Lütenegger, Chief Consulting & Sales Officer bei JLS Digital. (Source: JLS Digital / CLAUDIA MAMONE)

Was macht einen guten Digital-Signage-Anbieter aus?

Simon Lütenegger: Ein Partner, der nicht nur am Projekt interessiert ist, sondern auch am Betreiben der Lösung. Ein guter Anbieter übernimmt Verantwortung für seine Projekte und sorgt dafür, dass Lösungen nicht nur am Tag eins, sondern auch in den kommenden Jahren funktionieren. Zudem ist Digital Signage nicht nur ein Technikprojekt, sondern auch ein Kommunikationskanal. Dieser Kanal muss mit den richtigen Inhalten gefüttert werden. Einfach nur Technik liefern und den Bildschirm montieren, kann auch der Elektroinstallateur von gegenüber.

JLS Digital konzipiert auch Apps und Webapplikationen und erstellt digitale Kommunikationskampagnen. Wie spielen all diese Dinge zusammen?

JLS Digital ist auf Digital Signage am Point of Sale (POS) spezialisiert – vor allem im Bankenbereich und im Retail. Wir vertreten schon seit Jahren die Ansicht, dass der relevante Screen in der Kundenkommunikation am POS in Zukunft das persönliche Device des Kunden sein wird. Bei der Schaufensterkommunikation ist es etwa nicht realistisch, dass sich Passanten aktiv über einen Screen informieren. Aufgrund der kurzen Betrachtungsdauer muss man schon froh sein, wenn ein Kunde die Botschaften überhaupt wahrnimmt. Bei Interesse an einem Thema ist es über das mobile Device aber möglich, die Kommunikationskette zu verlängern, indem man zum Beispiel einen QR-Code integriert, den die Passanten scannen und so später von zuhause aus auf die Website unseres Kunden zugreifen können. Zudem stecken hinter vielen interaktiven Digital-Signage-Applikationen mittlerweile komplexe Webapplikationen. Und zu guter Letzt können kundenspezifische Beratungsapplikationen zum Beispiel via Tablet den ganzen Prozess am Verkaufspunkt abrunden. Um diese kümmert sich unsere eigene Softwareentwicklung.

Welche Schwierigkeiten ergeben sich, wenn man alles aus einer Hand anbietet?

Wir erleben es eigentlich durchweg positiv. Wir haben uns schon immer als Generalanbieter im Digital-Signage-Bereich gesehen, der möglichst viel aus einer Hand anbieten und dem Kunden damit Arbeit abnehmen möchte. Für uns besteht die Herausforderung darin, dass wir auf Kundenseite mit sehr unterschiedlichen Ansprechpersonen interagieren, vom Architekten über den Gebäudetechniker oder IT-Spezialisten bis hin zum Marketingprofi. Und bei uns als Anbieter sieht es ähnlich aus. Wir vereinen vom super technikaffinen Mitarbeiter bis zum Creative auch sehr unterschiedliche Profile. In diesem Spannungsfeld ist klar, dass nicht immer alle die gleiche Auffassung haben, was an einem Projekt wichtig ist. Es ist für alle Beteiligten aber auch spannend, dass hier sehr viele unterschiedliche Typen zusammenarbeiten. Letztlich findet man immer ein gemeinsames Ziel.

An was für Projekten arbeiten Sie am liebsten?

Jedes Projekt hat immer etwas Cooles und Neues. Obwohl wir häufig Bankfilialen ausrüsten, laufen die Projekte nie gleich ab. Jeder Neukunde ist eine neue Herausforderung. Denn wir müssen verstehen, was ihm wichtig ist und er muss verstehen, wie wir arbeiten. Immer wieder interessant sind natürlich Projekte, die von der Norm abweichen. Wir durften beispielsweise im letzten Jahr eine Apothekenkette ausrüsten, wobei jede der Apothekenfilialen eigenständig geführt wird. Dadurch hatten wir es nicht mit einem einzigen grossen Kunden, der 100 Filialen ausrüsten möchte, zu tun, sondern mit vielen unterschiedlichen Ansprechpartnern, die alle ein etwas anderes Bedürfnis hatten. Das machte das Projektmanagement sehr anspruchsvoll, aber auch sehr spannend. Ebenfalls sehr spannend sind die zunehmenden Flagship-Projekte, die in der Ausführung immer einzigartig sind. Daraus ergeben sich jedoch häufig Adaptionen im kleineren Stil, die dann an den übrigen Standorten zum Einsatz kommen.

Wie die Zusammenarbeit bei Pro-AV-Projekten am besten gelingt, können Sie hier nachlesen.

Wie hat sich die Nachfrage nach Projekten in letzter Zeit verändert?

Vor ein paar Jahren kamen 90 bis 95 Prozent unserer Projekte aus dem Bankenumfeld. Mittlerweile sind viele Banken ausgerüstet und es geht dort mehr um den Betrieb bestehender Lösungen oder um Erneuerungen der Hardware. Neue Projekte erhalten wir zusehends aus dem Retail-Bereich. Dort kommt Digital Signage immer mehr auf.

Woran liegt das?

Vor zehn Jahren war die ganze Hardware so teuer, dass sich viele Retailer Digital Signage nicht leisten konnten oder wollten. Screens und andere Komponenten wurden in den letzten Jahren massiv günstiger und der Markt transparenter.

Führte die Coronakrise ebenfalls zu einer höheren ­Nachfrage aus dem Retail?

Die Nachfrage an Corona-spezifischen Entwicklungen hielt sich in Grenzen. Es gab einen Bedarf an Zutrittsregelungen – etwa grüne oder rote Lampen beim Eintritt – und vereinzelt für digitale Anzeigen bei Desinfektionsständern. Ansonsten würde ich sagen, nein. Im Retail-Bereich hat sich Corona eher negativ auf solche Projekte ausgewirkt. Während der Lockdown-Phase wurden Projekte aufgeschoben oder redimensioniert. Bei vielen Läden richtete sich die Strategie erst einmal nach dem Überleben und dem Wiederhochfahren. Das spielt uns in dieser Branche sicher nicht in die Karten.

Simon Lütenegger, Chief Consulting & Sales Officer bei JLS Digital. (Source: JLS Digital)

Was hat sich durch die Coronakrise bei JLS Digital verändert?

Wenig. Wir sind als Anbieter sehr gut aus dieser Phase herausgekommen. Kurzarbeit gab es bei uns keine und wir mussten auch keine Mitarbeitenden entlassen. Das Geschäftsjahr 2020 schlossen wir minimal unter dem Vorjahr ab. Vereinzelt gab es Digital-Signage-Projekte, die verschoben wurden. Das ist für uns aber nicht weiter tragisch, da wir diese Projekte jetzt in diesem Jahr umsetzen werden. Im Solutions-Bereich stiegen die Anfragen. Das vergangene Jahr hat allen vor Augen geführt, dass man mehr in digitale Konzepte investieren muss. Damit konnten wir die leichten Einbussen im Digital-Signage-Geschäft abfedern.

Wie ist momentan die Stimmung in der Branche?

Das ist eine schwierige Frage. Dadurch, dass Events und Treffen abgesagt sind, trifft man die Leute aus der Branche auch nicht mehr. Aber es ist bestimmt eine gewisse Unsicherheit da. Im ersten Quartal plant man normalerweise die Aktivitäten für den Rest des Jahres. Da man nicht bei Kunden oder neuen Kontakten vorbeigehen kann, ist auch die Planung momentan schwierig. Und wann das nächste Mal wieder grössere Kundenevents durchgeführt werden können, ist momentan auch nicht absehbar.

Wie offen ist die Schweiz im Allgemeinen für Digital Signage?

Inzwischen extrem offen. Bis vor ein paar Jahren gingen wir mit Kunden, die sich frisch mit dem Thema beschäftigten, nach London. Dort machten wir Touren, um ihnen zu zeigen, was mit Digital Signage im Retail-Bereich alles möglich ist. Heute machen wir diese Touren an der Bahnhofstrasse in Zürich. Mittlerweile hat es dort in jedem zweiten Schaufenster einen Screen oder eine LED-Anzeige. Nicht nur was die Menge an digitalen Medien angeht, sondern auch in puncto Qualität muss sich die Schweiz nicht mehr verstecken. Einzig bei grossflächigen, in den Ladenbau integrierten LED-Installation ist uns London immer noch deutlich voraus.

Welche technischen Trends beobachten Sie momentan im Markt?

Was technisch sehr spannend ist, ist die LED-Entwicklung. Dass die Displays immer günstiger werden, habe ich bereits erwähnt. Ausserdem bieten sich durch den immer dichter werdenden Pixel Pitch ganz neue Möglichkeiten für Ladenbaukonzepte, auch wenn LED nichts Neues ist. Man ist nicht mehr ans 16:9-Format gebunden und kann den Screen harmonisch dem Konzept anpassen. Ein weiteres Thema, auf das wir momentan den Fokus legen, ist Automatisierung im Content-Bereich. Durch Schnittstellen zu Drittsystemen müssen Inhalte dann nicht mehr manuell produziert werden, weil immer die aktuellen Informationen angezogen und im Idealfall direkt ausgespielt werden. Und die Adaption von Inhalten sollte nicht nur für Digital Signage möglich sein, sondern für alle digitalen Kanäle. Denn viele Inhalte werden zum Beispiel auch für Social Media oder die eigene Website benötigt.

JLS-Digital-CEO Patrick Minder wird das Unternehmen verlassen. Wie geht es nun weiter?

Wir sind momentan auf der Suche nach einem neuen CEO. Es schadet grundsätzlich nie, wenn ein frischer Wind und neue Ideen in ein Unternehmen kommen. Als GL-Mitglied muss man das auch als Chance sehen, aus der sich etwas Neues entwickeln kann. Bisher läuft der Übergang entspannt. Wir haben eine Verwaltungsratspräsidentin, die uns bereits seit über zwei Jahren führt. Dadurch haben wir Kontinuität und eine erfahrene Person, die uns gut kennt und als Interims-CEO in der Führung optimal unterstützen kann. Auch Patrick Minder engagiert sich sehr, dass die Transformations- und Übergangsphase gut verläuft.

Warum verlässt Patrick Minder JLS Digital?

Er will eine neue Herausforderung. Das ist – so sehr ich es aus fachlicher und menschlicher Sicht bedauere, dass er uns verlässt – absolut legitim. Er gründete gleich nach dem Studium das Start-up Mons, das 2015 von JLS Digital aufgekauft wurde. Das heisst, dass er seit dem Studium eigentlich den gleichen Job machte, wenn auch in unterschiedlichen Ausprägungen und Funktionen.

Sie sind schon seit knapp zehn Jahren bei JLS Digital. Wird es Ihnen da nicht langweilig?

Nein, überhaupt nicht. Eher im Gegenteil. Ich konnte mich laufend innerhalb des Unternehmens entwickeln. Dafür, dass es jetzt schon fast zehn Jahre sind, war die Zeit extrem kurzweilig und abwechslungsreich. Es gab Phasen, in denen ich mehrere Jahre hintereinander am 1. Januar nie den gleichen Job hatte wie im Jahr zuvor. Fast alle meine direkten Mitarbeiter sind ebenfalls seit vielen Jahren dabei. Da entstehen natürlich auch Freundschaften. JLS Digital ist für mich daher nicht nur ein Arbeitgeber.

Was hat JLS Digital als Nächstes vor?

In der aktuellen Zeit liegt ein grosser Fokus auf Stabilität. Wir wollen kurzfristig erst einmal sicherstellen, dass unser Geschäft so weiterläuft wie bisher und dass alle an Bord bleiben können. Wir sind keine Hire-and-Fire-Company, sondern wollen den Mitarbeitenden ein sicheres Umfeld und eine Perspektive bieten. Wie alle anderen wollen auch wir in absehbarer Zeit unser Business vergrössern und wachsen. Da wir in einem digitalen Business tätig sind, gilt es auch laufend alles, was wir tun, zu überdenken. Als Marktführer können wir aus einer Position der Stärke agieren. Das ist schön, aber es bedeutet auch, dass wir täglich beweisen müssen, weshalb wir Marktführer sind.

Sie sagten, Sie wollen wachsen. Ist da auch das Ausland ein Thema?

Nein. In der Form, wie wir Digital Signage anbieten, leben wir von der Nähe zum Kunden. Im Ausland bräuchten wir lokale Partner und könnten von uns aus eigentlich nur noch Software und Beratung liefern. Ausserdem könnte man Projekte in Deutschland oder Italien allein von den Lohnansätzen her nicht aus der Schweiz stemmen. Für uns gibt der Schweizer Markt noch immer genug her und wir sehen auch weiter Wachstumspotenzial.

persönlich

Simon Lütenegger ist Chief Consulting & Sales Officer bei JLS Digital und Mitglied der Geschäftsleitung. Er arbeitet seit 2011 bei JLS in unterschiedlichen Funktionen (Consulting, Leiter Kommunikations­beratung, Business Development). Dabei berät er ­Kunden in Digitalisierungs­projekten und begleitet sie auch bei der Implementierung der definierten Massnahmen. Zudem unterrichtet er seit mehreren Jahren an der Fachhochschule Nordwestschweiz im Rahmen von CAS-Kursen zum Thema digitale Kommunikation. Simon Lütenegger ist Betriebsökonom und absolvierte ein Nach­diplom­studium zum Master in Brand and Marketing ­Management an der ­Hochschule Luzern. Der 43-Jährige ist verheiratet und hat zwei Kinder. (Source: JLS Digital)

Webcode
DPF8_212836