Studie von Interxion

RZ vs Public Cloud: Wo Schweizer Unternehmen ihre Daten lagern

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von Coen Kaat

Die Schweizer IT-Landschaft ist auf dem Weg zur Multi-Cloud – allerdings nicht so schnell, wie man vor zwei Jahren noch dachte. Zwar werden viele Anwendungen heute der Public Cloud und mehreren Providern anvertraut. Andere werden aber wieder zurück ins eigene Rechenzentrum geholt.

(Source: fullvector / Freepik)
(Source: fullvector / Freepik)

Früher war IT viel einfacher. Das stimmt zwar nicht wirklich, aber zumindest war allen immer klar, wo die Daten wohnen: auf der eigenen Hardware meist irgendwo im Keller. Mit der Cloud änderte sich dies. Daten und Applikationen können seitdem die Adresse wechseln. Die heutige IT-Landschaft erstreckt sich daher vom eigenen Rechenzentrum (RZ) über die Hybrid bis zur Public Cloud. Und mit der Multi-Cloud wird die Topografie nochmals komplexer. Denn die Last auf verschiedene Cloud-Anbieter aufzuteilen, soll den Kunden verschiedene Vorteile bringen. Darunter etwa eine geringere Störungsanfälligkeit, mehr Sicherheit und einen besseres ROI (Return on Investment).

Der niederländische Anbieter von Rechenzentrumsdienstleistungen Interxion ging diesen Fragen bereits 2018 in einer Studie nach. Darin befragte das Unternehmen 120 Schweizer Unternehmen mit einem jährlichen Umsatz von mehr 250 Millionen Franken. Die Befragten gaben ihre Einschätzung dazu ab, wo sie sich auf dem Weg zu Multi-Cloud befinden und wie sich der Status quo bis 2020 ändern werde. Um zu sehen, ob diese Prognosen mittlerweile Realität wurden, stellte Interxion dieselben Fragen erneut. Dieses Mal beteiligten sich 150 Schweizer Unternehmen an der Studie. Interxion gab der Redaktion einen Einblick in die Ergebnisse der Umfrage.

Die Topografie der Daten

Wenn es darum geht, wo Unternehmen ihre Daten horten werden, also On-Premise, über eine Colocation-Lösung oder in der Public Cloud, lagen die Prognosen von 2018 richtig. Zumindest wenn es um die generelle Tendenz geht: Alles bewegt sich in Richtung Public Cloud.

2018 dachte man jedoch noch, dass diese Reise deutlich schneller gehen würde. Vor zwei Jahren rechnete man damit, dass 2020 nur noch 26,3 Prozent der Daten und Applikationen in eigenen RZs laufen würden. Ein grosser Schritt von den 47,7 Prozent, die es damals noch waren. In Wirklichkeit machten die befragten Schweizer Unternehmen aber einen deutlich kleineren Schritt. Der Anteil beträgt heute nämlich noch immer 39,8 Prozent.

Auch das Wachstum im Bereich Colocation fiel geringer aus als erwartet. Statt von 12 auf 17,7 Prozent stieg der Anteil nur geringfügig auf 13,6 Prozent. Deutlich besser schätzten die Befragten 2018 den Run auf die Public Cloud ein. Aktuell lagern 45 Prozent der Schweizer Unternehmen ihre Daten und Anwendungen in eine Public Cloud aus. Vor zwei Jahren waren es noch 35,5 Prozent. Und prophezeit waren 51,4. Insbesondere beim Anteil der Hyperscaler lagen die Prognosen von 2018 fast goldrichtig. Dieser sollte gemäss der ersten Studie heute bei 34,3 Prozent liegen. Tatsächlich sind es 32,2 Prozent laut der aktuellen Umfrage.

Nicht alles will in die Public Cloud

Betrachtet man die einzelnen Anwendungsbereiche, so sieht man, dass jedes Segment seine ganz individuelle Reise in die Cloud macht. Die Studie fragte nach den Entwicklungen in den folgenden Anwendungsbereichen: ERP, CRM, Supply Chain Management, Datenbanken mit kundenspezifischen Daten, Datenbanken mit produktspezifischen Daten, Storage, Back-up, Projektmanagement, Collaboration, HR, Marketing Automation, Produktion, Digital Asset Management, IT-Service-Management, Software­entwicklung/Test und Security-Anwendungen.

Aus der Reihe tanzen hier vor allem die Bereiche Produktion und – in einem deutlich geringeren Umfang – Softwareentwicklung/Test. Dies sind die einzigen Kategorien, in denen der On-Premise-Anteil seit 2018 zugenommen hat. 2020 horten ganze 73,3 Prozent der befragten Unternehmen ihre Produktionssteuerung im eigenen RZ. Vor zwei Jahren lag der Anteil noch bei 40 Prozent. Dieser steile Anstieg ging jedoch nicht auf Kosten der Public Cloud oder von Colocation-Lösungen. Nein, stattdessen gab 2018 die Hälfte der Befragten als Antwort "Andere/Unbekannt". Dieser Anteil plumpste in der aktuellen Umfrage auf 8 Prozent. Im Bereich Softwareentwicklung/Test stieg der On-Premise-Anteil ebenfalls. Allerdings nur um 0,2 Prozent.

In den übrigen Kategorien befindet sich die Public Cloud ganz klar auf dem Siegeszug. Am deutlichsten legte sie im Anwendungsbereich Collaboration zu. Hier kletterte der Anteil – wohl auch coronabedingt – von 60,8 Prozent im 2018 auf 79,3 Prozent im 2020. Insgesamt gehören neben Collaboration auch die Bereiche Marketing Automation, Security und Softwareentwicklung/Test zu den Public-Cloud-Vorreitern. In all diesen Bereichen gaben mehr als zwei Drittel der Befragten an, ihre Daten in der Public Cloud zu lagern.

Die Kehrseite der Medaille sind die Kategorien Datenbanken mit produktspezifischen Daten, Produktion und Supply Chain Management. Hier halten 2020 jeweils zwei Drittel der Befragten ihre Daten auf einem eigenen RZ.

Chancen für lokale Provider

Wenn Unternehmen ihre Anwendungen in eine Public Cloud auslagern, sind es nicht zwangsläufig die Kassen der Hyperscaler, die klingeln. 2020 gab etwa knapp ein Drittel der Befragten an, für ihre HR-Anwendungen auf die Dienste eines lokalen Public-Cloud-Anbieters zu setzen – ein Plus von 18,5 Prozentpunkten seit 2018. Die Hyperscaler mussten im HR-Bereich sogar Anteile einbüssen. Lag ihr Anteil 2018 noch bei 27,5 Prozent, erreichten sie 2020 nur noch 24 Prozent. Auch in den Bereichen Storage und CRM haben lokale Anbieter gute Karten. In beiden Bereichen will die Mehrheit der Befragten ihre Anwendungen einem lokalen Provider anvertrauen. Tendenz steigend.

Lokale Anbieter, die Collaboration-Lösungen in der Public Cloud anbieten, sollten ihre Strategie allerdings überdenken. Denn von dem zuvor erwähnten Boom konnten sie nicht profitieren. Im Gegenteil: Ihr Anteil sank von 14,2 auf 4,7 Prozent. Es waren die Hyperscaler, die ihren Anteil um mehr als 50 Prozent steigern konnten. Ferner sind wohl auch die Bereiche Security, Supply Chain Management und Softwareentwicklung/Test für lokale Anbieter nur wenig gewinnbringend. In allen dreien liegt ihr Anteil im mittleren einstelligen Prozentbereich.

Immer weiter in Richtung Multi-Cloud

Vergleicht man die Studien von 2018 und 2020, zeigt sich, dass sich die Schweizer IT-Landschaft stärker in Richtung einer Multi-Cloud-Welt entwickelt hat. Infrastructure-as-a-Service- oder Software-as-a-Service-Lösungen waren 2018 in der Regel auf bis zu fünf Cloud-Provider verteilt. Das war mit rund 60 Prozent der Befragten die jeweils am häufigsten genannte Antwort. Die Anzahl Cloud-Provider nahm unterdessen zu. Bei der Umfrage im 2020 war "Bis zehn" die meistgenannte Antwort, wenn es um SaaS- und IaaS-Lösungen geht. Insbesondere im IaaS-Bereich. Hier setzen aktuell über zwei Drittel der Befragten auf bis zu zehn Anbieter.

Bei ihren Platform-as-a-Service-Diensten beschränken sich Schweizer Unternehmen hingegen lieber auf weniger Provider. 2018 gaben in dieser Kategorie fast die Hälfte der Befragten an, nur auf einen Provider zu setzen. "Bis fünf" nannten 40,8 Prozent als Antwort. In den vergangenen zwei Jahren verschob sich dieses Verhältnis leicht in Richtung Multi-Cloud. So gaben in der aktuellen Studie nur noch 30 Prozent der Befragten an, nur einen Provider zu nutzen. Der Anteil derjenigen, die ihre PaaS-Services auf bis zu fünf Anbieter verteilen, stieg derweil auf knapp über die Hälfte. Und nur 9,3 Prozent setzen auf bis zu zehn Provider.

Auch der Optmismus in Bezug auf die Multi-Cloud ist gestiegen. 2018 waren 70,6 Prozent davon überzeugt, bis Ende 2020 ein Multi-Cloud-Projekt umzusetzen. Dieser Anteil stieg in der aktuellen Umfrage auf 74,7 Prozent. Der Anteil an Befragten, die verneinten, sank in derselben Zeit von 24,5 auf 20,7 Prozent.

Was die Entscheider bewegt

An den Gründen, wieso sich die Befragten für eine der Lösungen entscheiden, hat sich nicht viel verändert in den vergangenen beiden Jahren. Für On-Premise-Lösungen sprechen nach wie vor primär die Datensicherheit und dass die Unternehmen hier auf die eigene Erfahrung und Expertise zurückgreifen können.

Entscheiden sich Unternehmen für eine Colocation-Lösung, ist die Datensicherheit zwar noch immer einer der Beweggründe. Das Hauptargument sind jedoch – 2018 wie auch 2020 – die Kosten. Im Vergleich zur ersten Studie zeigt sich, dass die Kosten in der Argumentation an Gewicht verlieren. 2020 werden die Kosten und die Datensicherheit bei der Entscheidung für Colocation schon fast als gleichwertige Argumente angesehen.

Und wenn man sich für die Public Cloud entscheidet? Eine klare Kostenfrage, wie die Studie zeigt. Flexibilität und Skalierbarkeit haben die Unternehmen zwar noch im Hinterkopf. Aber das Thema Datensicherheit spielt hier kaum noch eine Rolle. Dasselbe gilt für das Argument der eigenen Expertise. Nur wenige Prozent der Befragten halten diese Faktoren für entscheidend.

Interxion wollte natürlich auch in der aktuellen Umfrage wieder wissen, wie sich die IT-Landschaft in den nächsten zwei Jahren verändern wird. Die Antworten zeigen, dass die generellen Trends mehrheitlich bestehen bleiben – zumindest wenn es nach den Prognosen der Befragten geht. Bis 2020 soll der Anteil der Unternehmen mit Daten in eigenen RZs auf 27,4 Prozent schrumpfen. 58,1 Prozent der Befragten gehen davon aus, ihre Daten 2022 in der Public Cloud zu lagern.

Das Colocation-Segment macht aber eine Kehrtwende. 2018 dachte man noch, der Anteil würde ein paar Prozentpunkte steigen. Nun rechnen die Befragten damit, dass der Anteil ganz leicht sinken soll. Und zwar um weniger als einen Prozentpunkt auf 12,9 Prozent bis 2022.

Dieser Beitrag erschien ursprünglich am 2. Dezember 2020.

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