Vis-à-vis Christoph Kälin, Extreme Networks

Was die Übernahmen von Avaya und Brocade für die Schweiz bedeuten

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von Coen Kaat

Zwei Übernahmen und eine neue Vertriebsregion mit einem neuen Leiter: Christoph Kälin. Beim US-amerikanischen Netzwerkspezialisten Extreme Networks war im vergangenen Jahr viel los. Im Interview spricht Kälin darüber, was die neue Region und die Übernahmen der Avaya- und Brocade-Sparten für die Schweiz bedeuten.

Christoph Kälin, Regional Sales Manager Switzerland & Austria bei Extreme Networks. (Source: Netzmedien)
Christoph Kälin, Regional Sales Manager Switzerland & Austria bei Extreme Networks. (Source: Netzmedien)

Wie verlief die Umstellung auf Ihre neue Funktion?

Christoph Kälin: Der Wechsel verlief reibungslos. Ich kam ja bereits Ende 2017 zu Extreme Networks. Damals übernahm das Unternehmen das Datacenter-Geschäft von Brocade – und so auch mich. Ich war damals Regional Sales Manager bei Brocade Schweiz. Ich bin schon seit über 20 Jahren im Netzwerkgeschäft. Von daher kannte ich Extreme und auch einige meiner heutigen Mitarbeiter schon vor dem Wechsel sehr gut. Zudem konnte ich ebenfalls schon Erfahrungen als Sales-Verantwortlicher in den österreichischen und osteuropäischen Märkten sammeln.

 

Was waren die Hintergründe dieser Akquisition?

In den vergangenen Jahren kam es immer wieder zu Konsolidierungen in dieser Branche. Extreme mischte, was das betrifft, sehr aktiv mit. Ausser der Geschäftseinheit von Brocade kaufte Extreme Networks 2017 auch die Netzwerksparte von Avaya für rund 100 Millionen US-Dollar. Auf diese Weise will Extreme einen breiteten Fussabdruck im Markt erreichen und auch gewisse Lücken im Portfolio schliessen. Insbesondere im Bereich der Rechenzentrumslösungen. Nun, da alles unter einem Dach vereint ist, können wir als Extreme unseren Kunden ein sehr umfassendes Lösungsportfolio bieten. Dieses deckt vom Unternehmensnetzwerk über das Rechenzentrum (RZ) bis zu LAN- und WLAN-Umgebungen alles ab.

 

Ist die Geschäftseinheit auch unter Extreme ein eigenständiger Bereich?

Die Einheit wurde zunächst auch innerhalb von Extreme als eigene Business Unit geführt. Aber das war nur eine Übergangslösung. Mit dem Start vom neuen Geschäftsjahr am 1. Juli dieses Jahres gingen die zugekauften Lösungen komplett in das Portfolio von Extreme auf. So können wir Synergien viel besser nutzen, als wenn das RZ-Geschäft für sich allein stehen würde.

 

Wie wirkte sich die Übernahme auf die Schweiz aus?

Brocades Hauptgeschäft waren Fibre-Channel und Storage. Die Netzwerksparte war eher ein Anhängsel. Wenn strategische Entscheidungen anstanden, zeigte sich das auch immer wieder. Partner mussten zuweilen auf andere Anbieter ausweichen, wenn sie RZ-Projekte umsetzen wollten. Jetzt haben wir ein durchgängiges Portfolio, denn Extreme konzentriert sich zu 100 Prozent auf den Netzwerkbereich. Das spüren wir im Portfolio, in der Ausrichtung des Unternehmens und auch in der Denkweise. Extreme ist zudem auch mit einem viel stärkeren lokalen Fokus unterwegs.

 

Was meinen Sie mit einem "stärkeren lokalen Fokus"?

Extreme hat die Schweiz und Österreich zur Alpine-Region gebündelt. Wir decken dabei die Regionalität in der Schweiz und in den beiden Ländern mit dedizierten Teams ab. So haben wir etwa ein Team in Österreich, eines in der Westschweiz, das sich um die französischsprachigen Kunden kümmert, und eines hier in der Deutschschweiz.

 

Wie profitiert die Schweiz von dieser neuen Region?

Diese Konzentrierung der Ressourcen stärkt auch die Schweiz. Bisher wurde die Schweiz von Deutschland aus als Teil der DACH-Region betreut. Jetzt haben wir aber dedizierte Ressourcen für die Länderorganisationen in der Schweiz und in Österreich. Derzeit suchen wir etwa einen Channel Manager für die Region. So sind wir näher beim Kunden und auch beim Partner. Wichtig ist aber vor allem die grössere lokale Präsenz: Wir haben das Team in den letzten vier Jahren vervierfacht. Und wir wachsen weiterhin.

 

Sie wollen noch mehr Mitarbeiter einstellen?

Wir sind immer auf der Suche nach talentierten Mitarbeitern – vor allem im Sales- und Presales-Bereich.

 

Öffnet diese neue Grösse neue Türen für Extreme?

Definitiv. Einerseits stärken wir damit unser Bestandskundengeschäft, andererseits können wir so aber auch neue Kunden gewinnen. Wir können nun Kundenprojekte in einer ganz anderen Liga anpacken, in der Extreme zuvor Mühe hatte, mitzubieten. Ich spreche von Projekten, die wir zuvor aufgrund der Skalierung oder aufgrund des fehlenden Lösungsportfolios nicht adressieren konnten. Das macht die Übernahme auch für bestehende Kunden interessant. Derzeit arbeiten wir etwa mit Kunden zusammen, die heute noch unsere Campus-Produkte nutzen, aber nun mehr in Richtung RZ-Lösungen gehen wollen.

 

Christoph Kälin: "Ich will die lokale Präsenz noch weiter ausbauen und mehr Events mit Partnern und Kunden bestreiten." (Source: Netzmedien)

 

Was war Ihre erste Amtshandlung als Regional Manager?

Ich holte zunächst Feedback von unseren Kunden, Partnern und vom Team ein. Ich wollte wissen, was funktioniert und was nicht oder noch nicht funktioniert. Wo haben wir noch Verbesserungspotenzial? Und wo können wir noch stärker wachsen?

 

Können Sie diese Fragen selbst beantworten? Wo sehen Sie denn noch Verbesserungspotenzial?

Ich will die lokale Präsenz noch weiter ausbauen und mehr Events mit Partnern und Kunden bestreiten. Kürzlich holte ich etwa Markus Nispel in die Schweiz. Er ist Vice President Solutions Architecture & Innovation bei Extreme Networks. Ich war mit ihm einen ganzen Tag in der Schweiz unterwegs, um mit Kunden und Partnern zu sprechen. Solche Dinge will ich künftig häufiger machen. Ich möchte auch mehr Wert auf regelmässige Trainings und Workshops legen. Diese führen wir zusammen mit unseren Distributoren für unsere Reseller durch. Ein Mal pro Quartal machen wir auch kurze technisch orientierte Veranstaltungen für unsere Endkunden.

 

Verbringen Sie jetzt mehr Zeit in Österreich?

Ich betreue schon seit zwei Jahren auch Kunden in Österreich. Aber meine Präsenz dort ist nun grösser geworden, seitdem ich die Gesamtverantwortung übernommen habe. Ich will aber keine Region bevorteilen, deswegen regle ich das sehr bedarfsorientiert. Ich will unsere Ressourcen dort einsetzen, wo sie benötigt werden und wo sie am meisten Gewinn einbringen. Das gilt auch für mich: Ich werde immer da sein, wo ich das lokale Team zu dem Zeitpunkt am besten unterstützen kann. Und wenn ich nicht vor Ort sein muss, kollaborieren wir eben über die üblichen digitalen Medien, die wir alle kennen. Ich habe in meinen Leben gewiss noch nie so viel telefoniert, wie jetzt. Aber das ist in Ordnung, denn damit unterstütze ich meine Mitarbeiter, Partner und Kunden.

 

In welchen Bereichen suchen Sie nach neuen Kunden?

Der öffentliche Bereich ist sehr interessant für uns. Wir verzeichnen etwa im Gesundheitswesen derzeit grosse Erfolge. So zählt neben vielen Regionalspitälern auch das grösste Spital der Schweiz zu unseren Kunden. Wir wollen uns aber nicht auf bestimmte Verticals beschränken. Unsere Lösungen sind branchenunabhängig und für alle Segmente und Bereiche interessant. So ist Extreme etwa auch im Finanzsektor gut vertreten. Unsere Kundschaft umfasst einige Privatbanken in der Westschweiz und auch einen der vier grossen Player in Zürich.

 

Wie wollen Sie sich gegen Ihre Konkurrenz durchsetzen?

Hier kommt die Offenheit unserer Technologie zum Tragen. Überall dort, wo IoT ein Thema ist, oder wo viele unterschiedliche Endgerätetypen, wie etwa Produktionsmaschinen, Gebäudesteuerungen oder Überwachungskameras, ans Netzwerk angeschlossen werden, kommen unsere Lösungen sehr gut an. Es hilft sicher auch, dass Extreme nun erstmals als Leader im Magic Quadrant von Gartner ausgezeichnet wurde – direkt neben dem Marktführer Cisco. Das zeigt den Kunden ganz klar, dass es eine Alternative zum Marktführer gibt: nämlich Extreme Networks! Und diese Alternative bietet ein breites Lösungsportfolio, das alle Enterprise-Bedürfnisse abdeckt.

 

In diesen Branchen spielt die IT-Sicherheit eine grosse Rolle. Was hat Extreme hier zu bieten?

Unsere Produkte bieten ab Werk bereits eine Art "Firewalling". Sie schützen so die Netzwerkinfrastruktur direkt beim Zugang. Wir gehen da bis auf das Level der einzelnen Applikationen und kontrollieren, wer was darf und was nicht. Unsere Produkte ersetzen aber gewiss keine dedizierte Firewall. Ein weiteres grosses Thema in dem Zusammenhang ist das Netzwerkmanagement. Auch wer nicht auf Extreme-Produkte setzt, kann mit unserer Managementplattform annähernd den gleichen Funktionsumfang erreichen.

 

Wie wichtig ist die DACH-Region für Extreme?

Die DACH-Region ist extrem wichtig. Sie ist sicherlich eine der stärksten Regionen für Extreme in Europa. Nach den USA machen wir im DACH-Raum den höchsten Umsatz. Entsprechend gross ist auch der Einfluss und die Mitbestimmungsmöglichkeit der Region, wenn es etwa um die Produktentwicklung geht.

 

Und wie viel Mitspracherecht hat die Schweiz innerhalb des DACH-Raums?

Die Schweiz ist selbst ein sehr wichtiger Markt. Das widerspiegelt sich in der Tatsache, dass ich im DACH-Management sitze, liegt aber auch am grossen Wachstumspotenzial hierzulande. Die Auftragspipeline wächst, was uns positiv stimmt für das aktuelle Geschäftsjahr.

 

Wie sieht Extremes Partnerlandschaft in der Schweiz aus?

Wir haben einen sehr guten Mix aus Partnern. Einige waren schon immer Extreme-Partner. Andere kamen via Brocade oder Avaya zu uns. Wir haben auch jetzt noch Platz für neue Partner.

 

Die Partner kamen bei den Übernahmen einfach mit?

Die meisten schon. Wir haben jedenfalls keine wesentlichen Partner verloren. Wir konnten die Partner davon überzeugen, diese Reise mit uns zu gehen. Wir konnten ihnen vermitteln, dass Extreme nicht bloss alles aufkauft, um es nachher wieder zu vergessen. Wir haben eine klare Strategie, die kontinuierlich vorwärtsorientiert ist.

 

Wie brachten Sie diese Partner aus unterschiedlichen Welten zusammen?

Zu diesem Zweck lancierten wir Anfang 2018 etwa ein neues Partnerprogramm. Dieses fasst die wichtigsten und besten Inhalte der drei zuvor bestehenden Partnerprogramme zusammen und hat diese zu einem Programm verschmolzen. Die Partner haben aber weiterhin die Möglichkeit, sich in einem oder mehreren Segmenten zu spezialisieren. Wir machen ihnen diesbezüglich keine Vorgaben. Wer zum Beispiel nur RZ-Lösungen anbieten will, kann das ohne Weiteres tun.

 

Wie reagierten die Partner auf das neue Programm?

Das Feedback war sehr positiv. Ich glaube auch, dass es ein sehr faires Programm für die Partner ist. Wir haben auch keine hohen Einstiegshürden. Die drei Partnerlevels sowie unsere Zertifizierungen ermöglichen den Partnern entsprechende monetäre Vorteile. Die Voraussetzung ist nur, dass sie in unsere Schulungen und Zertifizierungen investieren.

 

Wie hoch ist diese Einstiegshürde?

Wer mitmachen will, muss sich lediglich online registrieren und unsere Geschäftsbedingungen akzeptieren. Das ist schon alles! Wir halten diese Einstiegshürde – wenn man sie überhaupt so nennen kann – bewusst tief. Das ist auch Teil der Anpassung an die lokalen Märkte.

 

Wie sehen diese länderspezifischen Anpassungen aus?

Extreme teilt die einzelnen Länder in drei unterschiedliche Levels ein. Die Einstiegshürden sind für jedes Level festgelegt und richten sich unter anderem danach, wie stark eine Region oder ein Land aktuell dasteht.

 

Was heisst das konkret für die Schweiz?

Die Schweiz ist ein bereits sehr stark entwickeltes Land. Die Zuordnung hat nichts mit der Marktpräsenz oder dem Umsatz von Extreme im jeweiligen Land zu tun, sondern mit dessen geografischer Grösse beziehungsweise dessen Rolle auf dem Weltmarkt. Extreme gruppiert die Länder also aufgrund ihrer wirtschaftlichen Stärke und ihres Einflusses: Ausschlaggebend dabei sind etwa die Marktattraktivität und das Bruttoinlandsprodukt.

 

Wer ist denn auf dem höchsten Level?

Das sind etwa die USA und Deutschland. Frankreich und England sind auf dem mittleren Level und die kleineren europäischen Länder haben dieselbe Gewichtung wie die Schweiz.

 

Wie lautet Ihre persönliche Botschaft an den Channel?

Mit Extreme Networks können Partner gesunde Margen erzielen, da wir nicht überdistribuiert sind. Unsere erfolgreichsten Partner sind diejenigen, die committet sind und unsere komplette Gesamtlösung anbieten. Besondere Wichtigkeit kommt hierbei klar unserer Managementlösung zu, die quasi unser gesamtes Portfolio umfasst und zusammenführt. Wer sich für eine Partnerschaft mit Ex­treme interessiert, kann sich gerne auf einem unserer Partner Circles selbst ein Bild davon machen. Der nächste Anlass findet am 13. November in Zürich statt.

 

Persönlich: Christoph Kälin begann seine Karriere in der IT-Branche im Jahr 1987 als Aussendiensttechniker bei Nixdorf Computer Schweiz. Während seiner Zeit bei Cabletron Systems wechselte er 1996 in den Vertrieb. Der Eidg. Dipl. Verkaufsleiter arbeitete seither in verschiedenen Vertriebspositionen National wie auch International. Heute verantwortet er die Alpine Region bei Extreme Networks. Er ist 51 Jahre alt, verheiratet und hat vier erwachsene Kinder. In seiner Freizeit spielt er gerne Golf und geniesst ein gutes Glas Wein mit Freunden. (Quelle: Extreme Networks)

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